Alben der Woche:Großes Herz für große Schecks

Loredana ist das weibliche Pendant zu Capital Bra und Co., James Blake covert endlich wieder. Und Jack Harlow klingt, wie Mac Miller womöglich klänge, hätte er die Nase rechtzeitig aus den verdammten Drogen bekommen.

Foster The People - "In The Darkest Of Nights, Let The Birds Sing" (Foster The People)

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(Foto: Foster The People)

Direkthilfe bei Winterblues und Corona-Depression: die neue EP der Indie-Electro-Pop-Schmeichler von Foster the People. Sie heißt "In The Darkest Of Nights, Let The Birds Sing" (Foster The People), ist musikalisch durchaus eklektisch, inhaltlich dafür aber monothematisch: Es geht um Liebe. Eher glückliche. Anspieltipp: der Seelenwärmer "Lamb's Wool" - Klavierakkorde zum reinkriechen, Synthies und Bässe, als hätten die Clubs jede Nacht offen. Schnell hören. Wir steuern schließlich auf Zeiten zu, in denen das Leben sinnlos wird, ohne irgendwas mit Lammfell in der Nähe.

James Blake - "Covers" (Republic/Universal)

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(Foto: N/A)

2011 war der britische Pianist, Sänger und Produzent James Blake die Avantgarde-Pop-Sensation schlechthin. Auf seinem unbetitelten Debüt verwob er in Songs wie dem Feist-Meisterwerk "Limit To Your Love" dumpf-pochende Stop-and-Go-Dubstep-Beats mit Piano-Tupfern und zart-souligem Klagegesang. Wer auf der Höhe der Zeit mit der Schwermut der Verzweiflung in sich hineinhorchen wollte, hatte hier die Tonspur dafür. Echte Geniestreiche gelangen ihm danach leider nicht mehr. Zu viel geriet arg sphärisch-flächig, postpostmoderne Fahrstuhlmusik. Nett, aber auch sofort wieder vergessen. Als Songwriter ist Blake einfach nicht ganz so gut wie als sensibel-elegischer Sound-Modellierer am Klavier - und als Sänger. Dass er auf seiner neuen EP "Covers" (Republic/Universal) jetzt wieder Songs anderer Künstler interpretiert, ist deshalb ein echter Glücksfall. Seine Versionen von Frank Oceans "Godspeed" und vor allem von Billie Eilishs "When The Party's Over" sind das Beste, was er seit seinem Debüt veröffentlicht hat. Der Elton John für die Generation Klimawandel.

The Kills - "Little Bastards" (Domino)

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(Foto: N/A)

Neben den White Stripes und den Black Keys gehörten The Kills zu den Duos, die in den Nullerjahren im Geiste von The John Spencer Blues Explosion mit minimalistischen Riffs und wuchtigen Rumpelbeats den Bluesrock vor seinen virtuosen Freunden in die Gegenwart retteten. Auf "Little Bastards" (Domino), der neuen Sammlung von rarem Material aus den Jahren 2002 und 2009, spürt man den rohen Glamour der Musik von Sängerin und Bassistin Alison Mosshart und Gitarrist Jamie Hince, der erstaunlich gut gealtert ist.

Loredana - "Medusa" (Loredana)

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(Foto: N/A)

Die schweizer Rapperin und Influencerin Loridana Zefi alias Loredana ist, wie ihre ebenfalls irrsinnig erfolgreiche Kollegin Shirin David, so etwas wie das weibliche Pendant zu Capital Bra und Co., was unbedingt als ein Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung verbucht gehört: "Ich hab' ein großes Herz / aber nur für große Schecks". Man kann es robusten Feminismus nennen. Zumal der Machismo und Ultramaterialismus des Genres, den sie fachkundig auch auf ihrem am Freitag erscheinenden zweiten Album "Medusa" serviert, bei ihr wie ein ungleich lässigerer, politischerer Ausdruck von Selbstermächtigung wirkt als bei den Männern, deren Aggression und Angeberei unmittelbarer auf den eiskalten Schrecken verweist, den ihnen die Sinnlosigkeit und Leere ihrer Existenz einzujagen scheint.

Jack Harlow - "Thats What They All Say" (Warner Music)

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(Foto: Warner Music)

Ist als weißer US-Rapper mit einem Funken Gespür für die kulturelle Tradition des eigenen Genres ja immer noch nicht ganz leicht, glaubwürdige Vorbilder zu finden. Jack Harlow weiß das. Er gehört zu jener Generation junger MCs, die sich ihrer privilegierten Stellung bewusst sind - und sich deshalb die gröberen Peinlichkeiten durch allzu nassforsche Anbiederung an die Schwarze Kultur sparen. Stattdessen gibt es auf "Thats What They All Say" (Warner Music) etwas, das er selbst als "personal but fun" bezeichnet: Raps und Beats, die eine gewisse emotionale Nahbarkeit und Tiefe haben - und trotzdem viel Spaß machen. "Same Guy" etwa dürfte mit seinen vogelwilden Bassläufen, den Gospel-Chören und dem Genäsel von Maroon Fives Adam Levine weit oben in den dringend zu gründenden "Joyful-Hip-Hop-Charts" einsteigen. Anders gesagt: Jack Harlow klingt ein bisschen, wie Mac Miller heute wohl klänge, hätte er die Nase nur etwas früher aus den verdammten Drogen bekommen. Die Coolness des sedierten Slackertums fehlt ihm also etwas - dafür aber eben auch die elende Verzweiflung.

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(Foto: dpa)

Man kann es robusten Feminismus nennen: die Rapperin und Influencerin Loridana Zefi alias Loredana. Mehr Pop gibt es hier.

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