Alben der Woche:Bloß keine Hoffnungen machen

Alben der Woche: Der Soundtrack für die Hoffnungen, deren Enttäuschung man wenigstens nicht bloß geschäftsmäßig, also ohne jedes Pathos hinzunehmen bereit ist: Konstantin Groppen alias Get Well Soon.

Der Soundtrack für die Hoffnungen, deren Enttäuschung man wenigstens nicht bloß geschäftsmäßig, also ohne jedes Pathos hinzunehmen bereit ist: Konstantin Groppen alias Get Well Soon.

(Foto: Clemens Fantur)

Neues von Get Well Soon, Koffee und "Destroyer". Und dazu die Antwort auf die Frage, wie die lässigste Kritik an Klassismus und Rassismus im Lande aussieht.

Von den SZ-Popkritikern

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Get Well Soon - "Amen"

Konstantin Gropper alias Get Well Soon gehört zu den sehr wenigen deutschen Musikern, deren elegischer Elektro-(Indie-)Pop es mit der fragilen Wucht der britischen und amerikanischen Vorbilder aufnehmen kann. In den besten Momenten seines neuen Albums "Amen" (Virgin) landet man mit Gropper entsprechend irgendwo zwischen den Pet Shop Boys und Arcade Fire. Well done. Man höre nur "This Is Your Life" oder "One For The Workout". Man nimmt ihm irgendwann sogar das alberne Kopfstimmen-Gesäusel ab. Der Soundtrack für die Hoffnungen, deren Enttäuschung man wenigstens nicht bloß geschäftsmäßig, also ohne jedes Pathos hinzunehmen bereit ist. Jens-Christian Rabe

Alben der Woche: Destroyers neues Album "Labyrinthitis"

Destroyers neues Album "Labyrinthitis"

Destroyer - "Labyrinthitis"

Es bleibt ein wenig schade, dass Destroyer nicht, wie man es bei dem Namen ja wohl vermuten würde, Heavy Metal spielen. Man könnte sich doch so herrlich eine Doppel-Tournee vorstellen: Destroyer und Kreator. Aufbauen, zerstören, weiterfahren, repeat. Wäre toll! Aber nun, ach, die Kanadier um Frontmann Daniel Bejar spielen ja keinen Metal. Sie spielen ganz wunderbar verstrahlt schwelgende, sehr ambitionierte und in Summe durchaus kryptische Indie-Hymnen. Nebelschwaden-Gitarren und -Keys, trocken hustende Bässe, offensiv verpatsche Drums. Auf "Labyrinthitis" (Bella Union / PIAS) kommt jetzt noch etwas koks-glitzeriger Disco dazu - ein paar fein angezeckte Synthies, hübsch gefilterte Drums, zickige Akkorde. Die Hit-Quote ist eher niedrig. Aber für alle 713 Menschen auf der Welt, die noch ganze Alben hören, ist schon sehr viel Lohnendes dabei. Jakob Biazza

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Ebow - "Canê"

Unbeirrt arbeitet die 1990 in München geborene Rapperin Ebru Düzgün alias Ebow - was übrigens nicht englisch "Ibo" ausgesprochen wird, sondern eher "Äbo" - seit Jahren an einer deutschen Version von Conscious Rap, also einem lässigeren, schlaueren, politischeren Hip-Hop ohne absurden Konsum-Protz und großflächige Gewaltphantasien. Vieles allerdings klang dabei unterwegs arg gut gemeint und allzu unrund gerappt. Auf ihrem neuen Album "Canê" (Alvozay/Virgin) ist all das nun fast verschwunden und gekrönt wird's auch noch mit dem Song "Prada Bag". Der lässigsten und klügsten Lektion in Hip-Hop-Ideologiekritik am endemischen Klassismus und Rassismus im Lande seit langem. Denn so weit entfernt wie das der brave (weiße) deutsche Conscious-Rap-Fan gerne hätte, will der gute Polit-Rap vom bösen Protz-Rap gar nicht sein.

Warum nicht? In diesem Spoken-Word-Part erklärt Ebow es: "Schau mal / die Leute Fragen immer: / Warum muss es im Rap darum gehen, wer wie viel Cash macht, welche Marken du trägst, welchen Wagen Du fährst und so weiter? / Aber wenn Du in einer Gesellschaft aufwächst, die Dich immer als Mensch zweiter Klasse sieht, immer von oben herab / dann ist Deine einzige Möglichkeit, auf gleicher Augenhöhe zu stehen, ihnen zu imponieren / Und natürlich wäre es eine Möglichkeit, 'nen guten Job zu haben, studiert zu haben / dann nehmen sie Dich vielleicht ernst / Aber wenn Du diesen Weg nicht gehen kannst / dann bleibt Dir halt nicht viel / und Du eignest Dir das an, was sie gerne hätten / Du trägst die Marken, die sie gerne hätten / Du fährst den Wagen, den sie gerne hätten / Das ist der einzige Moment, wo Du ihre Aufmerksamkeit bekommst / wenn Du dir etwas nimmst, wovon sie denken, dass es Dir nicht zusteht. / (...) / Ich, im Prada-Outfit, im Benzer in Deiner weißen Nachbarschaft, / das macht Dir mehr Angst als irgendwelche Clans auf RTL / Warum? Weil ich ein Bild werde, das Du nicht zuordnen kannst. / (...) Und egal, wie oft du dir sagst, dass das Geldwäscherei ist, dass die Taschen aus der Türkei sind / sind sie vielleicht auch / aber Du gönnst einfach nicht / Und Du kannst nichts dagegen tun / (...) / Du kannst mir meinen Flex einfach nicht nehmen. / (...) / Das traurige daran ist, dass Du mehr Respekt an dem Kapitalismus an mir hast / als vor mir selbst / Aber deswegen flex ich mit jedem Cent / Nicht für Euch / Für mich selbst / Ich gönne mir das, was keiner mir in diesem Land je gönnen würde / Meine Prada-Bag, meine Louis-Bag, meine Fendi-Bag, meine Hermès-Bag, meine Gucci-Bag / Denn, fuck it, wenn wir ehrlich sind: Ihr seht sogar reich scheiße aus!" Jens-Christian Rabe

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Koffee - "Gifted"

Von der rollenden Wärme des Dancehalls der 21-jährigen jamaikanischen Sängerin und Rapperin Mikayla Simpson alias Koffee geht etwas aus, was man angemessen widersprüchlich nur als profunde Leichtigkeit beschreiben kann. Man höre von ihrem Debütalbum "Gifted" (Rough Trade) etwa "Pull Up", "West Indies" oder "Lockdown". Das große Erbe des Reggae ist ja, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, ohne sich dabei blauäugig an den Eskapismus verraten zu müssen. Schon lange war darin niemand mehr so gut wie Koffee. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, wird sie bald ein großer Star sein. Jens-Christian Rabe

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