Alben der Woche:Der Markus Söder des Deutschrap

Alben der Woche: Kontra K sucht Halt. Und findet ihn im Blut.

Kontra K sucht Halt. Und findet ihn im Blut.

(Foto: Niculai Constantinescu)

Kontra K sucht nach echter Liebe in Zeiten von Instagram und Tinderwahn. Und die Arctic Monkeys vertonen glorios den zähen Glamour des Versackens.

Arctic Monkeys - "Tranquility Base Hotel & Casino" (Domino)

Jetzt ist es auch schon wieder 13 Jahre her, dass die Arctic Monkeys als erste Internet-Sensation des Indie-Pop berühmt wurden. 13 Jahre! Aus trotzig-drahtigen Brit-Punk-Jungs wurden in der Zeit sehr souveräne (und manchmal vielleicht ein bisschen selbstgenügsame) Indie-Rock-Herren. Manchen Songs fehlte bald etwas der Biss, andere - wie der Geniestreich "Do I Wanna Know?" auf dem 2013 erschienenen Album "AM" - hatten die schleppende Wucht, für die man ein furchtloser Veteran seiner Kunst sein muss. Mit dem neuen Album "Tranquility Base Hotel & Casino (Domino) sind sie jetzt in ihrer Bar-Crooner-Phase angekommen. Man darf sich die Band nun auf der schlecht beleuchteten Bühne der schummrigen Bar eines sehr mittelprächtig laufenden Hotelcasinos vorstellen. Mit sehr nachlässig sitzenden hellbraunen Anzügen. Und gelb getönten Pilotenbrillen. Nachts um halb eins. Auf dem Bildschirm hinter der Theke läuft stumm Sportfernsehen. Der Sänger sitzt schon. Und oft singt er schon nicht mehr, sondern raunt nur noch so vor sich hin. Die Band bemüht sich dafür im Hintergrund mit letzter Kraft noch um etwas formvollendet eingebremsten Rock-Bombast. Die Fans mögen's nicht so, wenn nicht alles täuscht, aber wann wurde der zähe Glamour des Versackens zuletzt glorioser vertont?

Jens-Christian Rabe

Beach House - "7" (Pias/Bella Union)

Beach House sind zurück, ihr neues Album "7" (Pias/Bella Union) erscheint am Freitag. Es ist ihr - Überraschung! - siebtes Studioalbum und präsentiert Grunge gekreuzt mit Sphärenklängen. So klingt es vermutlich, wenn Achtzigerjahre-Romantiker, Kurt Cobain und ein paar Hippies sich im Himmel auf eine Jam-Session treffen. Bei allem Dream-Gewaber ist "7" erdig und beatgetrieben. Solch introvertierte Klänge muten eher anachronistisch an in der chaotischen neuen Highspeedwelt, aber Beach House geben sich immerhin Mühe, ihre Trauer nicht allzu weinerlich klingen zu lassen. Nach der Hälfte der Platte nervt das dann irgendwann allerdings auch. Immerhin: Der Halleffekt ist bestimmt sehr glücklich, dass er so oft und prominent durchs Album wabern darf.

Juliane Liebert

Kontra K - "Erde & Knochen" (BMG Rights)

Der schönste Diss der Woche kommt von Straßenbandenrapper Gzuz. In seinem Feature auf dem neuen Album "Erde & Knochen" (BMG Rights) von Deutschrap-Kollege Kontra K heißt es nämlich: "Deine ganzen Lügen, ja sie brechen dein Genick/ Weil ne Pussy hat nie Eier, auch mit Tattoo im Gesicht". Das ist natürlich ganz klassischer Muskelflexrap, und davon finden sich auf "Erde & Knochen" noch ein paar weitere prächtige Exemplare. Man darf sich als Hörer von all der betonharten Mackerei nicht täuschen lassen. Denn eigentlich sucht Kontra K die Liebe in einer Welt voll falscher Verlockungen. "Zwischen Instagram und Tinderwahn gibt's keine echte Liebe", rappt der Berliner. Oder: "Ich bin nicht gemacht für diese Industrie." Kontra K sucht Halt. Und findet ihn im Blut. Blut und Brot. Blut und Tränen. Blut und Brüder. Und auch die Texte, natürlich, die drückt der Stift mit Blut aufs Blatt. Blut, das ist hier ein Symbol für Familie, für Loyalität, für Prinzipien und Wertkonservativismus. Man muss sich Kontra K als den Markus Söder des Deutschrap vorstellen.

Julian Dörr

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