Alben der Woche:Zwei Nasen tanken super

Sollte endlich ein Revival von "Cheech und Chong" anstehen: Celo & Abdi wären die ideale Besetzung. Passenger singt für die traurig Besoffenen - und Steve Earle trauert um seinen Sohn.

Von Jakob Biazza

1 / 5

Aaron Frazer - "Introducing..." (Dead Oceans)

Aaron Frazer - "Introducing..." (Dead Oceans)

Quelle: Dead Oceans

Kurzer Moment der Irritation, zweiter Blick aufs Cover: Doch, sollte eine Männerstimme sein, die da nach 30 Sekunden Samt-Flausch-Intro feine Lichtfäden in die Welt schickt. Aaron Frazer wird gerade als neuer Falsett-Wunderknabe des Retro-Souls in Stellung gebracht. Man liest allenthalben sogar schon von Vergleichen mit Curtis Mayfield und wie immer, wenn man von Vergleichen mit Curtis Mayfield liest, ist das etwas hochgegriffen. Aber: Was Frazer, der als Drummer der Band Durand Jones & The Indications so bekannt geworden ist, wie man das als singender Schlagzeuger einer Retro-Soul-Band eben werden kann, auf "Introducing..." (Dead Oceans) macht, hat tatsächlich einen recht bezaubernden Schmelz. Und dazu phasenweise eine relativ erlesene Coolness. Dan Auerbach - Rumpel-Gitarrist bei den Black Keys und unvermeidlicher Produzent für alles, was retro wirken soll, in Wirklichkeit aber dann doch routiniert an Urbanem, Jetztzeitigem geschult ist - hat das Album produziert. Das merkt man ein paar der Stücke, vor allem aber dem in der Hüfte sehr locker schwingenden, leicht rockig angezeckten "Can't Leave It Alone" an. Anders gesagt: Sollte das Privatfernsehen irgendwann doch wieder Softpornos ins Freitagabendprogramm nehmen - Aaron Frazer könnte die distinguierteren unter ihnen sicher ganz famos vertonen. Im wirklich allerbesten Sinne.

Jakob Biazza

2 / 5

Celo & Abdi - "Mietwagentape 2" (385ideal/Universal Music)

Celo & Abdi - "Mietwagentape 2" (385ideal/Universal Music)

Quelle: KATJA_KUHL; 385ideal/Universal Music

Kurzer Moment der Irritation auch hier, zweiter Blick aufs Cover: Doch, sollten zwei Komiker sein, die da nach 15 Sekunden Dunkeldüster-Straßen-Synthie-Intro von Drogendeals faseln, von Packs drücken, Hashplatten, Unterwelt und Fluchtfahrten. Celo & Abdi sind für Deutsch-Rap schließlich ein bisschen das, was Thomas Gottschalk und Mike Krüger ("Zwei Nasen tanken super"!) für den deutschen Witzfilm waren: irgendwie irritierend also, schon auch lustig - und auf ganz eigene Art grandios. "Mietwagentape 2" (385ideal/Universal Music) ist entsprechend eine Art Roadmovie-Gossenpersiflage-Coming-of-Age-Jason-Statham-Action-Hörspiel. Es gibt ein paar sehr manierliche Beats über die zum Teil ganz wunderbar verzogen gerappt wird. Anders gesagt: Sollte bald ein Revival von "Cheech und Chong" anstehen, oder eines von "Jay und Silent Bob" (was beides dringend bald der Fall sein sollte) - Celo & Abdi könnten die distinguierteren Folgen sicher ganz famos vertonen. Und wohl auch spielen.

Jakob Biazza

3 / 5

Passenger - "Songs for the Drunk and Broken Hearted" (Sony Music)

Albumveröffentlichung -Passenger - Songs for the Drunk and Broken

Quelle: dpa

Dritte Irritation: Das mit dem besoffenen Clown nimmt man Mike Rosenberg womöglich nicht ganz ab. Da sitzt er also, auf dem Cover von "Songs For The Drunk And Broken Hearted" (Cooking Vinyl/Sony Music), dem neuen Passenger-Album - rotzvoll offenbar, fettige Haare, halbgeleerte Schnapsflasche in der Hand, das geschminkte Gesicht ein einziger Sauertopf. Böll könnte ihn kaum trauriger erfinden und das passt eben nicht richtig gut. Passenger ist spätestens seit seinem Groß-Hit "Let Her Go" schließlich auf zwar bestimmt tottraurig gemeinten, aber dann eben doch eher lebensbejahend ausgeführten Pop-Folk gebucht. Auch auf dem neuen Album klingt er immer noch meistens, wie diese hübschen Gegenlicht-Instagram-Fotos aussehen. Aber hie und da schummelt sich eine zumindest beschwipste Trompete in die Szenerie, torkelt eine kleine Gitarren-Unsauberkeit vorbei, schwankt die Stimme ein bisschen ergriffen. Das ändert nicht viel im Gesamtbild, steht Rosenberg aber ganz gut.

Jakob Biazza

4 / 5

Steve Earle & The Dukes - "J.T." (New West Records/PIAS-Rough Trade)

Alben der Woche 08012021

Quelle: Label

"J.T." steht für Justin Townes. Earle mit Nachnamen, der Sohn von Steve. J.T. ist tot. Am 20. August 2020 in Nashville gestorben. Überdosis, vermutlich. Elender Verlust, Earle war ein ziemliches Talent, wenn vielleicht auch ein bisschen brav - zumindest im Vergleich zu seinem Vater, der selbst ein paar Jahre lang ein wirklich herausragender Junkie war. Nicht viele hätten drauf gewettet, dass er seinen 50. noch mitfeiert, und jetzt ist er plötzlich 65 und hat seinen Sohn überlebt, den er, als der noch klein war, immer "Cowboy" genannt hat. Auf "J.T." (New West Records/PIAS-Rough Trade) covern Steve Earle & The Dukes jedenfalls zehn Songs von Justin. Seebärigen, schwieligen Country-Folk spielen sie da und wie lächerlich wäre es jetzt, hier in Kategorien wie gut/schlecht/mittel/grandios zu denken. Himmel: "In guten wie in schlechten Zeiten, richtig oder falsch, ich liebte Justin Townes Earle mehr als alles andere auf dieser Welt", sagt der Papa. "Abgesehen davon habe ich diese Platte, wie jede andere Platte, die ich je gemacht habe, für mich gemacht. Es war der einzige Weg, den ich kannte, um auf Wiedersehen zu sagen."

Jakob Biazza

5 / 5

Celo & Abdi - "Mietwagentape 2" (385ideal/Universal Music)

Quelle: Katja Kuhl (385ideal/Universal Music)

Sollte bald ein Revival von "Cheech und Chong" anstehen, oder eines von "Jay und Silent Bob" - Celo & Abdi könnten die distinguierteren Folgen sicher ganz famos vertonen. Und wohl auch spielen.

Mehr Pop gibt es hier.

© SZ
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: