Alben der Woche:Beklemmende Studie in Angst-Pop

Moses Sumney ist der neue Schmerzensmann des Indie-R'n'B. Und The Beths aus Neuseeland zeigen das schönste falsche Lächeln.

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Tirzah - "Devotion" (Domino)

Popkolumne Ausgabe

Quelle: Repro: SZ

Das Album der Woche hat die britische Sängerin, Songwriterin und Produzentin Tirzah aufgenommen. Es heißt "Devotion" (Domino) und erweckt, wie so manches vom Besten im Pop dieser Tage, im ersten Moment den Eindruck, dass es helfen könnte, wenn man ein Diplom in abstrakter elektronischer Tanzmusiklogistik besäße. Aber eigentlich muss man natürlich nur in der Lage sein, das Raum-Zeit-Kontinuum, in dem man sich gerade so bewegt, nach Belieben dehnen und wieder verdichten zu können. Oder die Fähigkeit besitzen, die Uhr zurückzudrehen, während man stolpert. Musik für Tagträume, die man nach zehn Minuten bemerkt. Oder auch mal erst nach zwanzig. Nicht optimal im Auto oder auf dem Fahrrad, überall sonst aber eine schöne Übung in abgrundtiefer Tiefenentspannung.

Jens-Christian Rabe

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Moses Sumney - "Black in Deep Red, 2014" (Jagjaguwar)

Popkolumne Ausgabe

Quelle: Repro: SZ

Als neuer Schmerzensmann des Indie-R'n'B betrat der amerikanische Sänger und Songwriter Moses Sumney vor vier Jahren die Bühne. Sein Debütalbum "Aromanticism" war im vergangenen Jahr dann der gebührend gefeierte ganz große Wurf. Und in diesem Jahr macht Sumney einfach weiter. Die am Freitag erscheinende kleine, nach einem Rothko-Gemälde benannte EP "Black in Deep Red, 2014" (Jagjaguwar) ist schon die zweite innerhalb weniger Monate. Besonders der Song "Rank & File" ist eine so grandiose wie beklemmende Studie in Angst-Pop. Nichts für allzu zarte Seelen. Eher ein Fall für alle, die Tage kennen, an denen sie sich so sicher sind, dass sie ewig leben, dass sie sich schon selbst damit auf die Nerven gehen.

Jens-Christian Rabe

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The Beths - "Future Me Hates Me" (Caroline)

Popkolumne Ausgabe

Quelle: Repro: SZ

Das schönste falsche Lächeln in einem Musikvideo gibt's diese Woche von der fabelhaften vierköpfigen neuseeländischen Indie-Schrammel-Popband The Beths. Und sie gewinnt für ihr neues Album "Future Me Hates Me" (Caroline) auch gleich noch den Preis für den Albumtitel der Woche. Und so eine Ananas-Maske wie im Video zur Single "Happy Unhappy" hätte man gelegentlich auch sehr gerne zur Hand. Nichts an dem, was die Beths da so zackig-melodiös dahindengeln, ist neu, alles war spätestens in den Neunzigern längst in der Welt. Aber als Soundtrack für sonnige Wehmut aller Art kann man sich gerade kein besseres Album vorstellen als "Future Me Hates Me".

Jens-Christian Rabe

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Ben Khan - "Ben Khan" (Caroline)

Popkolumne Ausgabe

Quelle: Repro: SZ

Erst mal gleich stopp und die Kopfhörerbuchse gecheckt: Ist das alles richtig eingesteckt? Kein Wackelkontakt? So entrückt weht einem das Debütalbum von Ben Khan nämlich entgegen - beinahe, als würde der Londoner Musiker auf emotionalen Sicherheitsabstand zu seinen Hörerinnen und Hörern gehen. Lass mich! Ich will allein durch die neonlichtkalten Achtzigernächte dieser Songs stolpern! Überall reizt etwas im Großstadtdschungel dieser Platte, die sich immer dann der Zuordnung entzieht, wenn man sie gerade auf ein Genre festgelegt hat. Was spielt Ben Khan? Synthwave-Soul? Retrofuturistischer R'n'B? Die Gitarren sind bluesig schwer. Die Stimme sehnt und schmachtet. Die Synthies heulen wie Science-Fiction-Polizeisirenen durch die Nacht. Die Vergangenheit wirft sich in die Zukunft. Ein großartiger Trip. "Blade Runner" in der Soul-Version.

Julian Dörr

© SZ vom 08.08.18/SZ.de/doer
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