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Aktuell im Kino: "Jack Reacher":Tom Cruise demoliert den Actionhelden

In diesem Film hat "Jack Reacher" nichts von der massig hünenhaften Statur des Reachers, die Lee Child in seinen Thrillern beschreibt. Der Actionstreifen gerät nicht nur wegen Hauptdarsteller Tom Cruise immer wieder ins Trudeln. Zum Glück ist da noch Werner Herzog.

Von Anke Sterneborg

So wie die namenlosen Rächer des Wilden Westens kommt auch Jack Reacher aus dem Nichts, räumt auf und verschwindet wieder. Geprägt haben ihn allerdings nicht die archaischen Fehden um Land, Vieh und Weib, sondern die schmutzigen, modernen Kriegsschauplätze. Als ehemaliger Militärermittler weiß er, dass jeder Einzelne seiner Verdächtigen ein ausgebildeter Killer ist.

Irgendwann hat er abgedankt, ist zu einem Mann ohne Adresse, Telefonnummer und Bankkonto geworden, der auf eigene Faust agiert, ebenso unnachgiebig wie selbstgerecht. Der Brite Lee Child, der seit 1998 in den USA lebt, hat ihn zum Helden einer Thriller-Serie gemacht, mit einem wilden Mix aus britischem Rechtsverständnis und amerikanischer Redneck-Bürgerwehr: "The law has limits - he does not" heißt es auf den amerikanischen Filmplakaten.

So tritt Jack Reacher auf den Plan, als ein Armee-Scharfschütze in Pittsburgh, Pennsylvania, als Täter eines Amoklaufs mit fünf Zufallsopfern identifiziert wird. Eigentlich will er nur dafür sorgen, dass der Mann, der schon einmal davongekommen ist, jetzt ordnungsgemäß verurteilt wird. Doch dann kommt ihm eine schöne Rechtsanwältin (Rosamund Pike) in die Quere, die wiederum die Tochter eines übereifrigen Staatsanwalts (Richard Jenkins) ist. Und plötzlich sieht es so aus, als sei der Amoklauf nur eine Tarnung für ein viel größeres, organisiertes Verbrechen.

Cruise bekommt langsam Kratzer und Dellen

So wie in seinen Drehbuchvorlagen zu "Die üblichen Verdächtigen" und "Operation Walküre" breitet Christopher McQuarrie auch in seiner zweiten Regiearbeit ein Netz komplexer Beziehungen aus, in dem charismatische alte Männer wie Richard Jenkins oder Robert Duvall Glanzpunkte setzen. Vor allem Werner Herzog, der gerade in Amerika einen neuen Popstar-Status erreicht, schillert als skrupelloser Syndikatschef mit Gulag-Vergangenheit.

Mit schwerem Akzent und schleppender Modulation stiehlt er in wenigen Szenen dem Star Tom Cruise die Show, dem die massig hünenhafte Statur völlig fehlt, die Lee Child in seinen Thrillern beschreibt. Während Cruise sein Actionheldenimage vor einem Jahr in "Mission Impossible - Ghost Protocol" fast fünfzigjährig noch achtbar verteidigte, bekommt es nun doch langsam Kratzer und Dellen - und über den eisernen Ehrgeiz hinaus bräuchte er als Jack Reacher schlicht ein bisschen mehr natürliches Charisma.

Hinzu kommt, dass McQuarrie als Regisseur die Stringenz fehlt, die er als Drehbuchautor noch bewiesen hat. So gerät der Film zwischen Blockbuster-Ambition und schillerndem B-Movie immer wieder ins Trudeln. Um ein erfolgreiches Franchise zu werden, das mit den Romanen durch amerikanische Städte zieht, reicht es im Moment jedenfalls noch nicht, zumal der Film in Amerika durch sein unglückliches Zusammentreffen mit dem Amoklauf von Newtown ohnehin Startschwierigkeiten hatte.

Jack Reacher, USA 2012 - Buch und Regie: Christopher McQuarrie. Kamera: Caleb Deschanel. Schnitt: Kevin Stitt. Mit: Tom Cruise, Rosamund Pike, Werner Herzog. Verleih: Warner, 130 Minuten.

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SZ vom 08.01.2013/jufw
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