Affront in der ARD:Rundfunkräte zerzausen TV-Star Anne Will

Das gab es noch nie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. In einer Detailkritik lassen Rundfunkräte kein gutes Haar an Talkstar Anne Will. Sie sei unflexibel, langsam, faktenunsicher - überhaupt, zu sehr wie Sabine Christiansen. Die Süddeutsche Zeitung breitet das interne Papier aus.

Christopher Keil

Wenn die "Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" (ARD) wieder einmal um ihr Sendungsbewusstsein ringt, fällt sofort der Name Günter Struve.

Seit 1992 managt der 68-jährige Struve das Erste als Programmdirektor im Kampf um Quoten und Qualität. Ende Oktober wird seine Dienstzeit enden. Bis dahin muss er sich allerdings regelmäßig mit dem pluralistischen ARD-Programmbeirat treffen, um über sein ARD-Fernsehen zu reden.

Seit die Gremien durch die Brüsseler Medienpolitik aufgewertet wurden, weil sie bei wichtigen Personalien mitbestimmen sollen und auch als Wächter der Angebotsentwicklung öffentlich-rechtlicher Anstalten gefragt sind, hat der Programmbeirat mehr Gewicht.

Es handelt sich um das Beratungsgremium für die Ständige Programmkonferenz der ARD-Fernsehdirektoren und setzt sich aus je einem Vertreter der Landesrundfunkanstalten zusammen: Mitgliedern des Fernseh- oder Verwaltungsrates. Zwölfmal im Jahr tagen sie mit Struve.

"Betroffenen-Sofa"Erst neulich wurde eine "Zwischenbilanz des ARD-Programmbeirates zur Umsetzung der Leitlinien für die Programmgestaltung der ARD 2007/2008" gezogen. Das vom Vorsitzenden, dem RBB-Rundfunkrat Tino Kunert, verfasste Protokoll ist brisant.

In mühevoller Detailarbeit haben die neun Programmbeiräte das bisherige Wirken von Anne Will beschrieben, die seit August 2007 den politischen Talk der ARD am Sonntagabend leitet.

Fazit: "Der Programmbeirat wird (die Sendung) Anne Will weiter mit Sympathie beobachten, dennoch ist man enttäuscht, dass es gegenüber den Ankündigungen bislang keine deutlichen Änderungen gegenüber Sabine Christiansen gegeben hat."

Lieber hart, aber fair

Angefangen bei der Kulisse ("die Gestaltung des Studios ist viel zu unruhig") will den TV-Beobachtern wenig gefallen. Sie plädieren "dringend" dafür, das "Betroffenen-Sofa" abzuschaffen, da die Gesprächspartner dort "schlecht in die Diskussion" integriert seien.

Wills Diskussionsschema sei "starr und wenig flexibel", es gelinge ihr nicht, "auf Diskussionsverläufe flexibel zu reagieren". Kritisiert wird "das Timing" der Sendung , die "oft abrupt" ende.

Die Einspielfilme führten "häufig zu Brüchen in der Diskussion", und Probleme gebe es "bei der Faktensicherheit", was auch darauf zurückzuführen sei, "dass die Moderatorin die Fakten nicht schnell genug präsent hat".

Vor dem "Hintergrund dieser Bewertung", heißt es schließlich, "bedauert der Programmbeirat, dass es nicht gelungen ist, Hart aber fair auf den Sonntagabend zu setzen, zumal dadurch andere Probleme wie die Verschiebung der Tagesthemen und in der Folge ständig wechselnde Anfangszeiten für diese Sendung hätten vermieden werden können".

An diesem Donnerstag tagen die Intendanten in Berlin. Es soll nicht über Anne Will gesprochen werden.

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