Süddeutsche Zeitung

Ägyptischer Militärrat verurteilt Komiker:"Rückkehr ins Mittelalter"

Wegen Beleidigung des Islam: Ägyptens Islamisten und der Militärrat verurteilen den Schauspieler und Komiker Adel Imam zu einer Gefängnisstrafe. Dieser Anschlag auf die künstlerische Freiheit versetzt Freunde und Gegner des gestürzten Präsidenten Mubarak gleichermaßen in Aufregung.

Sonja Zekri

Für ägyptische Künstler bestätigt das Urteil schlimmste Befürchtungen. Ein Gericht in Kairo hat eine frühere Entscheidung bestätigt, die den Schauspieler Adel Imam, einen Superstar der arabischen Welt, zu 170 Dollar Strafe und drei Monaten Gefängnis verurteilt - wegen Beleidigung des Islam. Imam, 71, hatte im Film "Der Terrorist" einen militanten Islamisten gespielt, der bei einer Mittelklassefamilie unterkommt. In der politischen Komödie "Terror und Kebab" gerät er ins Labyrinth eines riesigen bürokratischen Betonklotzes, der Mogamma am Kairoer Tahrir-Platz, wo sich ein Angestellter durch demonstratives Dauerbeten vor der Arbeit drückt. Imam hat sich für Toleranz zwischen den Religionen eingesetzt, aber Heuchelei verspottet - unter Muslimen und Christen. Nun hatte gegen ihn ein Anwalt der ultrakonservativen Salafisten geklagt, die die zweitstärkste Kraft im Parlament stellen.

Der Schriftsteller Alaa Al-Aswani, Autor des Bestsellers "Der Jakubijan-Bau", schrieb auf seiner Twitterseite entsetzt über eine "Rückkehr ins Mittelalter": Phantasie dürfe nicht kriminalisiert werden, dies sei ein Prinzip entwickelter Länder. Die Verfilmung des "Jakubijan- Baus" war einer der erfolgreichsten ägyptischen Filme aller Zeiten, auch dank Adel Imam in einer Paraderolle als sentimentaler Playboy.

Ägyptens Filmschaffende, die zu den produktivsten der arabischen Welt gehören, fürchten, dass das Urteil gegen Imam nur der Anfang ist. "Jeder Schriftsteller, Regisseur oder Schauspieler wird gut überlegen, ehe er über die Rolle eines Muslims nachdenkt", sagte beispielsweise der Journalist Tarek el-Schinnawi. (ABS) Bei einer ersten Verhandlung war Imam nicht erschienen, auch zum Prozess am Dienstag schickte er einzig seinen Anwalt. Überhaupt gab er sich wortkarg: Alle seine Filme seien von der Zensur gebilligt worden, wie könne es da Verstöße geben, hatte er gesagt.

Ägyptens Islamisten - angetreten, das Land zu neuer Blüte zu bringen - brechen nicht nur politisch ein Versprechen nach dem anderen. Sie verspielen auch unter Kulturschaffenden jeden Kredit. Und dass sich der Militärrat mit seinen Drohungen gegen Schriftsteller und Aktivisten ähnlich undemokratisch zeigt, macht die Aussichten nur trüber.

Dem Schriftsteller Aswani droht - ebenso wie anderen Künstlern und Aktivisten - eine Klage vor einem Militärgericht, weil er den regierenden Militärrat beleidigt haben soll. Imam, der als Freund des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak gilt, und Aswani, der den Herrscher so lange und so offen kritisierte wie kaum jemand, unterscheiden sich politisch. Die Anschläge auf die künstlerische Freiheit aber führen beide zusammen. "Kunst und Extremismus sind Gegner, die sich niemals arrangieren können", sagt Aswani.

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SZ vom 26.04.2012/mahu
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