Microsoft kauft Activision Blizzard:Spieltrieb

Microsoft kauft Activision Blizzard: Der Stand für "World of Warcraft" auf der Gamescom 2015.

Der Stand für "World of Warcraft" auf der Gamescom 2015.

(Foto: Sascha Schuermann/Getty Images)

Warum Microsoft 70 Milliarden Dollar für eine Gamingfirma bezahlt.

Von Nicolas Freund

Die Summe ist schwindelerregend: Knapp 70 Milliarden Dollar (rund 62 Milliarden Euro) möchte Microsoft für den Videospiel-Konzern Activision Blizzard bezahlen. Zu Erinnerung: Vor zehn Jahren kaufte Disney sämtliche Rechte an den "Star Wars"-Filmen, -Serien und Weiterverwertungen für rund vier Milliarden Dollar. In der irren Summe verbirgt sich aber ein Kulturbruch, der nicht nur die Gamingwelt, sondern auch die Entertainmentindustrie und Pläne für die sogenannten Metaverses verändern wird. Also für jene in sich geschlossenen digitalen Räume, die man mithilfe einer VR-Brille erreicht.

Activision und Blizzard waren bis zu ihrer Fusionierung 2008 zwei sehr unterschiedliche Videospielehersteller. Activision setzte sich mit Sportspielen wie der beliebten Skateboard-Serie "Tony Hawk" durch und hatte später vor allem mit Videospieladaptionen bekannter Filmvorlagen wie "James Bond", "Star Trek" oder "Shrek" und Kriegsspielen Erfolg. Vor allem die Ballerspiele der "Call of Duty"-Reihe brachten Verkaufszahlen im zweistelligen Millionenbereich.

Bei Blizzard verfolgte man dagegen seit Mitte der Neunziger die Strategie, eigene Marken zu entwickeln und lieber weniger, aber dafür qualitativ hochwertige Spiele zu veröffentlichen. Die bekanntesten Games waren Strategiespiele wie "Warcraft" und "Starcraft", die auch heute noch gespielt werden, wenn auch mit verbesserter Grafik. 2005 erschien dann das Online-Rollenspiel "World of Warcraft" (WoW), eine Spielwelt, in der man gemeinsam mit anderen Nutzern Abenteuer erleben konnte. Das definierte nicht nur das Genre Computerspiel neu, sondern machte auch erstmals die Idee von so etwas wie einem Metaverse bekannt, also einer virtuellen Welt, in der sich Menschen treffen und austauschen können. 17 Jahre später hat das Spiel noch immer fast fünf Millionen zahlende Abonnenten.

Zu Activision Blizzard gehört aber auch die Firma King, die das "Candy Crush"-Puzzlespiel entwickelte. Dabei muss man Lutscher und Bonbons in Mustern anordnen. Vor allem als Handyspiel verbreitete sich das Puzzle enorm. Die Downloadzahlen dieser Spiele-Apps bewegen sich im Milliardenbereich, zeitweise war "Candy Crush" die am meisten heruntergeladene App überhaupt. Diese Marke würde dann auch zu Microsoft gehören.

Was Blizzard Activision für Microsoft so attraktiv macht, sind aber nicht nur diese Marken, sondern auch die Erfahrungen dieser Firmen. Mit King kauft sich Microsoft einen absoluten Profi für Handyspiele. Und Blizzard perfektionierte nicht nur die Idee des Metaverse, sondern auch eine Vernetzung seiner verschiedenen Spiele auf der hauseigenen Plattform Battlenet.

Rund 180 Milliarden Dollar nahm die Spieleindustrie 2021 ein. Die Filmindustrie nur 21 Milliarden

Der Deal ist aber nicht nur aus der Sicht von Microsoft ein Gewinn. Mit den neuen Geschäftsmodellen des Metaverse drängen auch Apple und Google auf den Markt mit den Spielekonsolen, der bisher von Microsoft (X-Box), Sony (Playstation) und Nintendo (Switch und Wii) dominiert wurde. Vor allem Google und Apple haben aber, was digitale Plattformen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz angeht, ganz andere Möglichkeiten als ein Spielehersteller. Mit Microsoft im Rücken wäre Activision Blizzard in Konkurrenz zu den Tech-Giganten wesentlich besser aufgestellt.

Ob Microsoft mit dem Deal wirklich die Tür in das sogenannte Metaverse aufstoßen will; ob wir alle bald mit klobigen Brillen auf dem Kopf dasitzen und uns in virtuellen Konferenzräumen treffen, ist schwer zu sagen. Der Konzern schweigt dazu. Noch gibt es keine schlüssige Definition des Metaversums, es fehlt noch an Technologie. Mancher Experte hält das Ganze für eine Art Marketing-Gag, ein Schlagwort, auf das gerade alle anspringen. Vor allem die Investoren.

Bei Blizzard hat man schon 2007, nach dem Erfolg von "World of Warcraft", an einer Erweiterung der Metaverse-Idee gearbeitet, aus der aber nie etwas geworden ist. "Titan" sollte das Spiel heißen und eine simulierte Science-Fiction-Welt sein, in der die Spieler einen Alltag gehabt hätten, aber auch eine ganze Reihe kleinerer Games hätten spielen können, die in das große Erlebnis integriert werden sollten. Blizzard stellte das Projekt 2014 ein. Aus den Entwicklungen wurde schließlich das hervorragende, aber konventionelle Action-Spiel "Overwatch" und das digitale Sammelkartenspiel "Hearthstone".

Was Microsoft vermutlich schon sehr bald mit dem Kauf von Activision Blizzard tun wird, ist, sein Abomodell für Spiele massiv auszubauen. Schon jetzt gibt es über die Xbox den sogenannten Game Pass, eine Art Netflix für Computerspiele. Mit den Marken, die Microsoft mit dem Deal erworben hat, sollte klar sein, dass dieser Service zukünftig zu den absoluten Top-Angeboten zählen wird. Denn Activision Blizzard war nicht der einzige Zukauf. Vergangenes Jahr übernahm Microsoft schon den Konzern Zenimax für 7,5 Milliarden Dollar. Zu Zenimax gehören unter anderem die Studios Bethesda und id, Letztere sind für die Spielereihe "Doom" bekannt. Bethesda entwickelt wiederum Rollenspiele und digitale Welten, die sich schon jetzt mit einer VR-Brille erkunden lassen. Ein Punkt, der für das Metaverse sprechen könnte.

Wichtiger ist aber wahrscheinlich auch hier die Anhäufung von Marken, denn Bethesda hat unter anderem die Titel "Fallout" und "The Elder Scrolls" im Programm, die sich auch Jahre nach ihrem Erscheinen noch millionenfach verkaufen. Mit einem solchen Portfolio für seinen Game Pass hätte Microsoft gegen Google, Apple und Sony, die ähnliche Dienste anbieten, schon gewonnen, bevor der Wettstreit der Spiele-Streamingdienste überhaupt richtig begonnen hat.

Ob das dann alles im Metaverse stattfindet oder nicht, ist bisher noch Nebensache. Es geht um einen Markt. Rund 180 Milliarden Dollar nahm die Spieleindustrie 2021 ein. Die weltweiten Einnahmen der Filmindustrie beliefen sich im selben Jahr auf rund 21 Milliarden. Die Begründung, warum ein Metaverse nicht so wichtig ist, hat Blizzard übrigens schon 2014 gegeben, als sie "Titan" einstellten: Es hat einfach keinen Spaß gemacht.

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