ACDC-Konzert in Lissabon:Axl Rose, die Kröte im Rollstuhl

Der Guns N' Roses-Frontmann gibt sein AC/DC-Debüt im Regen von Lissabon. Und natürlich fragen sich alle: Wird er glänzen oder scheitern?

Konzertkritik von Juliane Liebert, Lissabon

In Lissabon stehen die Zeichen auf Apokalypse: Regen brettert auf die Palmen um das Passeio Maritimo de Algés. Der erste Auftritt von Axl Rose als Ersatz für Brian Johnson steht an, und schafft man es nach drinnen, die Finger klamm in den Poncho gekrallt, kommt die erste Überraschung: Das Publikum ist jung. Nicht Papa-hat-mich-zu-seiner-Lieblingsband-von-damals-mitgenommen-jung, sondern gesund-durchmischt-jung. Es gibt AC/DC-Teufelshörner zu kaufen, die galant zu Mickey-Mouse-Jacken getragen werden, zu Mänteln, und natürlich: zu Regencapes. Unmengen von Regencapes in jeder Farbgebung.

Die Menge wartet. Jugendliche stecken sich Zigaretten unter ihren T-Shirts an, die sofort wieder erlöschen. AC/DC-Rufe branden auf und verebben. In Gedanken sind alle bei Axl. Wird er pünktlich sein? Wird er überhaupt kommen? Kann er vom Rollstuhl aus eine Schlägerei anfangen? Wird er glänzen oder scheitern? In den Gesichtern der Fans zeichnet sich eine Mischung aus Nervosität, Vorfreude und Angst: Werden sie heimgehen und ihre Platten zerbrechen, die Poster von der Wand reißen müssen, oder gibt es Hoffnung?

Axl meistert "Thunderstruck", einem tun stellvertretend die Stimmbänder weh

Dämmerung legt sich auf die Wartenden. Die AC/DC-Teufelshörner beginnen zu leuchten, die Bühne wird geputzt - richtige Rockstars spielen heutzutage nicht mehr auf von Vorbands besudeltem Laminat. Dann Feuer, Rauch, ohrenbetäubendes Geschrei: urplötzlich sitzt die amorphe Masse, die sich Axl Rose nennt, auf der Bühne.

Angus Young sprintet an ihr vorbei, in kurzen roten Hosen, die ersten Töne von "Rock or Bust" steigen auf, Axl führt das Mikrophon zum Mund, die erste Zeile - "Hey yeah, are you ready" - und - das Publikum hält kurz den Atem an - er macht es gut. Heiser hingekratzter Schreigesang, der näher an Guns N' Roses in den frühen Achtzigern ist als an Brian Johnson, und der zu AC/DC passt wie der gezackte Blitz auf Axls begipstem linken Bein. Der Regen hat aufgehört.

Vielleicht, um Axl Roses Bewegungsunfähigkeit auszugleichen, hüpft Angus Young in seiner Schulmädchenuniform frenetisch über die Stage, als hätte er eine Wette mit sich selbst, jeden Quadratmeter der Bühne pro Song einmal betreten zu müssen.

Beim vierten Song, "Back in Black", ziehen die ersten Zuschauer ihre T-Shirts aus, oder vielleicht hatten sie einfach keine an, bei AC/DC-Fans weiß man nie so genau. Der Schlamm ist inzwischen knietief, Geländer werden umgestoßen, die als provisorische Brücken fungieren, über die zu den Essensständen klettern könnte, wer will.

Will aber keiner, sogar der Bierstand ist verwaist, Axl ist bei "Dirty Deeds Done Dirt Cheap". Einem tun stellvertretend die Stimmbänder weh. Er meistert "Thunderstruck", Axl-Rose-Stimmchöre gehen los, erst noch halbherzig, dann entschlossener, und er thront in seinem Rollstuhl, eine schmuckbehangene Kröte mit Hut. Und was für eine.

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