Den ersten Hinweis darauf, wie knifflig das alles ist, liefert dieser Raum im ersten Stock. Es ist eine Hommage an den Filmemacher und Aktivisten Spike Lee. Es sind zahlreiche Artefakte ausgestellt, teilweise aus dem Privatfundus von Lee, die an unvergessliche Filme erinnern, "Malcolm X" zum Beispiel, "He Got Game" oder "BlacKkKlansman". Oder dieses Muhammad-Ali-Think-Different-Plakat aus der Werbung für Apple. Oder ein Trikot von Jackie Robinson - Lee hatte kürzlich ein Drehbuch über den schwarzen Baseballspieler veröffentlicht, das nie umgesetzt wurde. Oder diese Oscars fürs beste Drehbuch und den "Honorary Award", der stets ein wenig entschuldigend daherkommt.
Es ist eine wunderbare Würdigung des Regisseurs - aber, jetzt mal ehrlich: Wäre die adäquate Würdigung nicht eine Trophäe als bester Regisseur? Zum Beispiel für, und es ist kein Zufall, dass der Film so heißt: "Do the Right Thing". Es geht darin um Rassenkonflikte und Wut, am Ende wird ein junger Afroamerikaner von einem Polizisten getötet. Es wäre, bei allem Respekt für Oliver Stone und den Film "Born on the Fourth of July", das Richtige gewesen, Lee im Jahr 1990 als besten Regisseur auszuzeichnen; er war aber nicht mal nominiert. Aber, und nun wird es erst so richtig kompliziert: Hätte man ihm diese Auszeichnung wieder wegnehmen müssen, als Schauspielerin Rosie Perez sagte: "Der Grund, warum niemand mein Gesicht sieht, als Spike Lee Eiswürfel auf meine Nippel legt: Ich weine. Ich wollte das nicht tun, die Atmosphäre war nicht in Ordnung." Puh.
Das Beispiel zeigt, was für ein ambivalentes Erlebnis ein Besuch im Academy Museum of Motion Pictures sein kann, das am 30. September in Los Angeles eröffnet wird; so wie die Geschichte der Filmakademie, die seit 1929 die Oscars verleiht, eine ambivalente ist. Sie sieht sich als Hüterin der Filmkunst, und das ist sie auch, aber es ist nun mal nicht zu leugnen, dass die Mitglieder seit jeher größtenteils männlich und weiß waren - und sich das auf die Vergabe der Preise und die Zeremonien auswirkte. Hattie McDaniel etwa bekam 1939 als erste Afroamerikanerin den Oscar (als beste Nebendarstellerin für "Vom Winde verweht"), sie musste jedoch bei der Verleihung am Tisch für Schwarze ganz hinten im Saal sitzen.
Das wird im Raum der Oscar-Verleihungen thematisiert. Auf einem riesigen Bildschirm ist gleichzeitig die Rede von Halle Berry zu sehen, die 2002 als erste und noch immer einzige Afroamerikanerin für ihre Rolle in "Monster's Ball" als beste Hauptdarstellerin gewürdigt wurde. Sie weint, ja sie schluchzt, dann sagt sie: "Dieser Moment ist so viel größer als ich. Er ist für jede namen- und gesichtslose Woman of Color, die jetzt eine Chance hat, weil heute Abend diese Tür geöffnet worden ist." Zur Erinnerung: Seitdem sind in dieser Kategorie nur weiße Frauen ausgezeichnet worden, und erst 2009 gewann Kathryn Bigelow als beste Regisseurin. 2015 war das Jahr des Hashtags #oscarssowhite, 2020 das von #oscarssomale. Das ist nicht Vergangenheit, das ist Gegenwart.
Der Rundgang zeigt aber, dass die Academy sich nicht vor einer Aufarbeitung dieser Vergangenheit scheut, ganz im Gegenteil. Es gibt eine Retrospektive über Rassismus und Sexismus in Zeichentrickfilmen, eine spannende Würdigung der Werke afroamerikanischer Filmemacher aus Zeiten, in denen die Werke afroamerikanischer Filmemacher nicht gewürdigt wurden - "Swing" (1938) zum Beispiel oder "The Betrayal" (1948) -, und eine Hommage an das Independent-Drama über Latinas in Los Angeles, "Real Women Have Curves" von Patricia Cardoso, das im Jahr 2003 keine einzige Oscar-Nominierung erhielt.
Ist das nun genau richtig? Oder ist es zu viel, so wie Leute, die sich ein paar Mal zu häufig entschuldigen, irgendwann unglaubwürdig wirken? Erstaunlicherweise gelingt es. Das Museum ist ein gar zauberhafter Ort, der ernste Dinge ernst nimmt, die Filmkunst würdigt und Hollywood augenzwinkernd persifliert. Das ist keine geringe Leistung, weil so ein Museum über Filmkunst in etwa so ist, als müsse man den weißen Hai (hängt im Treppenhaus), den Schlitten Rosebud aus "Citizen Kane" (erster Stock) und das Kostüm von Cher bei der Oscar-Verleihung 1986 (zweiter Stock) in eine winzige Holzkiste stopfen. Wer am "Real Women Have Curves"-Filmplakat links abbiegt, der kann in einem Augmented-Reality-Raum so tun, als würde er selbst einen Oscar kriegen: Die Leute applaudieren, man nimmt eine Statue in die Hand und soll gerührt tun, das Video bekommt man später per E-Mail zugeschickt. Klar, das ist völlig lächerlich, aber genau das ist das glamouröse Getue um diese Verleihung doch auch.
Tom Hanks ist auch da beim Rundgang vor der Eröffnung, er hält in dem neugebauten, zauberhaften Kinosaal in der gewaltigen Glaskugel auf dem Dach (der italienische Architekt Renzo Piano sagt: "Bitte nennen Sie dies Kugel nicht Todesstern, lieber Seifenblase") eine kurze Rede - er hat zahlreiche der 385 Millionen Dollar an Spenden höchstselbst eingesammelt und begrüßt nun ein paar Reporter und VIPs wie etwa die Schauspielerin Anna Kendrick. "Betrachten Sie diesen Ort als magische Lampe", sagt er in Anspielung an die ersten Filmprojektoren, und dann schickt er einen erst mal nicht zu den berühmten Ausstellungsstücken (die roten Schuhe von Judy Garland aus der "Zauberer von Oz", der Roboterarm von Arnold Schwarzenegger aus "Terminator"), sondern in einen, wie er sagt, "dunklen Raum mit ein paar Lichtern, in dem der Zauber spürbar wird".
Es ist tatsächlich nur ein kleines Zimmer, ein paar Figuren drehen sich im Kreis - doch dann beginnen Lichter zu zucken und der Besucher kapiert: Wow, so entstehen 3-D-Animationsfilme! Es geht weiter zu einer Hommage an das japanische Zeichentrick-Genie Hayao Miyazaki, die daherkommt wie ein Magic-Mushroom-Trip mit buddhistischer Lebensschule; und irgendwann, da liegt man auf Kunstrasen und starrt in den Himmel wie der Junge in der fantastischen Langzeit-Filmstudie "Boyhood" von Richard Linklater. Es ist grandios.
Genau das wollen sie erreichen mit diesem Museum an der Miracle Mile von Los Angeles. Es soll keine staubtrockene Ansammlung von Artefakten sein, sondern vielmehr ein Erleben dessen, was Film sein kann. "Wir wollen Besucher zu einem Dialog auffordern, über die Filmgeschichte und den Einfluss dieser Kunst auf ihr Leben", sagt Jacqueline Stewart, die - Entschuldigung, muss man das erwähnen? - afroamerikanische künstlerische Leiterin: "Sie sollen nicht nur Sachen entdecken und lernen, sondern sich ermutigt fühlen, eigene Geschichten und Erlebnisse zu erzählen." Das Museum weniger als Ausstellungsort als vielmehr ein vielschichtiges und vielseitiges Erlebnis. Wie wenn man aus dem Kino kommt und es nicht erwarten kann, sich mit den anderen über das gerade Gesehene zu unterhalten.
Dieses Prinzip prägt auch das Programm für den neuen Kinosaal. Zu Halloween Horrorklassiker wie "Poltergeist", "Macario" oder "Pan's Labyrinth", dazwischen aber Hayao-Miyazaki-Werke wie "Castle in the Sky", "Porco Rosso" und "Kiki's Delivery Service". Dazu die Kurzfilme des äthiopischen Visionärs Haile Gerima und Werke, in denen die Musik weiblicher Komponisten gefeiert wird - also zum Beispiel "Joker" (Hildur Guðnadóttir), "Tron" (Wendy Carlos) oder "Escape from L.A." (Shirley Walker).
Es kann schon sein, dass man an einem Tag erst "Shanghai Express" mit Marlene Dietrich sieht, dann den Zeichentrickfilm "Moana", danach den Thriller "Double Face" und später den Stummfilm "Pavement Butterfly" aus dem Jahr 1929 - ja, das ist das Programm für den 13. November, und es kann an solchen Tagen in L.A. schon mal passieren, dass plötzlich Tom Hanks neben einem sitzt oder man sich mit "Moana"-Regisseur John Musker über seinen Klassiker "The Little Mermaid" unterhält.
Es ist, als wäre man an einer Filmakademie, und genau so wollen sie das hier. Es gibt insgesamt 4700 Quadratmeter an Ausstellungsflächen, die sich ständig verändern sollen; die restlichen mehr als 25 000 sind dazu da, ein wenig zu flanieren, gemeinsam Filme zu gucken (es ist ein Erlebnis, in L.A. einer Filmpremiere beizuwohnen) oder sich einfach zu begegnen und auszutauschen (die Schauspielerin Anna Kendrick sagt, dass sie ein Mal pro Woche hier sein wolle), anstatt von einem Ausstellungsstück zum nächsten zu hetzen. "Braucht es das wirklich, ein Museum über Film?", fragt Tom Hanks, und dann präsentiert er so ziemlich jeden Gesichtsausdruck seiner unvergessenen Figuren. Er sagt: "Yeah!" Wer würde wagen, ihm da zu widersprechen?