Abschied:Mutig und unbequem

Augsburger Intendantin will Unternehmen zur Kasse bitten

Abschied nach zehn Jahren: Juliane Votteler verlässt Augsburg.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Die Intendantin Juliane Votteler und Teile ihres Ensembles verlassen das Stadttheater in Augsburg

Von Egbert Tholl, Augsburg

Einmal, so der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl, habe er es geschafft, Juliane Votteler zu führen. Das war allerdings nicht bei einer kulturpolitischen Debatte, schon gar nicht bei einer künstlerischen Entscheidung. Das war beim Opernball im Theater und dort beim Eröffnungstanz. Auch in Erinnerung daran bewundert er Votteler unverhohlen und öffentlich als "starke Frau", vielleicht auch aus der Sicherheit heraus, dass die starke Frau nun weg ist. Was einst als Opernball der laufenden Saison geplant war, dann jedoch dem Zerfall des ehrwürdigen Stadttheatergebäudes zum Opfer fiel, gibt es nun auf der Freiluftbühne am Roten Tor: die finale Gala "Servus und baba - schön war's", mit der Votteler und Teile des singenden, spielenden und tanzenden Ensembles Abschied von Augsburg nehmen.

Zehn Jahre lang leitete Juliane Votteler als Intendantin das Theater Augsburg. In dieser Zeit bröckelte erst die Freiluftbühne und wurde renoviert, dann krachte die Komödie, zauberhafte Nebenspielstätte in der Altstadt, zusammen und liegt bis jetzt brach. Und schließlich konnte das große Haus nicht mehr bespielt werden, und das Theater ging in die Diaspora. 18 Premieren an elf unterschiedlichen Spielorten brachte man in Vottelers letzter Saison heraus.

Aber das sind ja "nur" Äußerlichkeiten, wenn auch horrend missliche. Juliane Votteler selbst sagt in ihrer Schlussansprache, man habe "manche Sträuße ausgefochten", viel gearbeitet, es sei ein "wunderbares Miteinander" entstanden, und der "ewige Klassenausflug des letzten Jahres" habe zusammengeschweißt. Nun, wenn etwas zusammengeschweißt werden kann, muss es zuvor auseinander gewesen sein.

Tatsächlich waren in den vergangenen zehn Jahren wohl immer wieder Menschen darüber verwundert, dass da eine Frau weiß, was sie will, und dies auch sagt. Im Laufe dieser Zeit kam ihr einiges künstlerisches Leitungspersonal abhanden und wurde ersetzt. Votteler indes verlor erst für einen Moment ein bisschen Energie, als bekannt wurde, dass ihr Vertrag nicht über 2017 hinaus verlängert wird. Aber halt auch nur für einen Moment. Bei der Abschiedsgala ist sie charmant und fast schon jugendlich munter.

Das Programm der Gala selbst ist nicht unbedingt repräsentativ für Vottelers Ära. In erster Linie ist es ein Best-of dessen, was hier in den vergangenen zehn Jahren herauskam, ergänzt durch ein paar signifikante Einsprengsel. Sally du Randt, in Augsburg längst "Le du Randt", singt "Vissi d'arte" aus "Tosca", singt davon, dass Tosca ihr Leben nur der Kunst widmen wollte und sich auf einmal in der Fängen der Politik wiederfindet. Da denkt man an Votteler und etwa das idiotisch anmutende Bürgerbegehren, das statt der Renovierung des Theaters dessen Abschaffung forderte. Zum Glück ohne Erfolg.

Die Gala selbst wird zur Jubelfeier, basierend vor allem auf Operette und Musical - und Musical können sie hier fabelhaft gut singen. Johannes Martin Kränzle singt nicht Musical, sondern Schwanda aus "Schwanda, der Dudelsackpfeifer", bevor er wieder nach Bayreuth fährt, um den Beckmesser in den "Meistersingern" zu verkörpern. In Vottelers erster Saison hat er den Schwanda gesungen, diese seltsame Ausgrabung von Jaromir Weinberger. Nach zehn Jahren kehrt er zurück, das ist Treue. So toll nun auch die Rocky-Horror-Band spielt und das Orchester tapfer begleitet, die Summe der nicht immer ganz gelungenen Nummern lässt dann doch das vermissen, wofür Juliane Votteler eigentlich stand. Da fehlen, geht ja auch kaum in diesem Zusammenhang, wichtige Schauspielarbeiten wie von Anne Lenk oder Jan Philipp Gloger, oder die Erinnerung an Opern wie "Lady Macbeth von Mzensk", "Intolleranza 1960", "I hate Mozart", "Kaspar Hauser", an Regiearbeiten von Peter Konwitschny oder mutig aktualisierte Klassiker. Nimmt man die Gala für sich, dann hätte Votteler gut poliertes Unterhaltungstheater gemacht. Doch ihre Vorstellung von Unterhaltung hatte in Werkauswahl und Regie auch immer etwas Forderndes.

Das Publikum mochte das, gerade nach dem läppischen Theater ihres Vorgängers. Votteler wollte immer etwas vom Theater, mehr, als es einfach erfolgreich stattfinden zu lassen. Nun zieht sie sich zum Schreiben zurück. Es könnte etwas Spannendes dabei herauskommen.

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