Abenteuer:Von Glasgow nach München

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(Foto: Gerstenberg)

Die Gorilladame Sally Jones wird wieder mit ihrem Freund Henry in ein gefährliches Abenteuer verwickelt, als sie in die Gefangenschaft einer Schmugglerkönigin geraten

Von Siggi Seuss

Wer es noch nicht weiß: Sally Jones ist ein liebenswertes Geschöpf, das der schwedische Schriftsteller Jakob Wegelius in die Welt gesetzt hat, als Autor und als Illustrator fein gestrichelter und pointillierter schwarzweißer Tuschbildchen und Porträts. Sally geriet Anfang des 20. Jahrhunderts auf verschlungenen Wegen nach Europa. Davon erzählte 2009 "Sally Jones - Eine Weltreise in Bildern". Lange Zeit schipperte sie an der Seite des finnischen Seemanns Henry Koskela als Maschinistin auf einem kleinen Frachtdampfer namens "Hudson Queen" über die Weltmeere.

Was Sally Jones Vita so bemerkenswert macht, ist nicht nur die Tatsache, dass sie eine junge Gorilladame ist, sondern dass sie sich eine ganze Menge Kulturtechniken angeeignet hat. Nur sprechen kann sie nicht. Sie kann lesen, schreiben, rechnen, Dampfmaschinen bedienen und Musikinstrumente reparieren. Auch ein feiner Sinn für Literatur ist ihr eigen. Nicht zu vergessen: die Empathie für das Leben vieler Menschen, denen sie begegnet. Nach getaner Arbeit setzt sie sich in ihrer Kajüte gerne an eine Schreibmaschine der Marke Underwood, Baujahr 1908, und berichtet akribisch von den höchst gefährlichen Abenteuern, die sie und Henry in den vergangenen Jahren bestehen mussten. Das tat sie im 600seitigen Roman "Sally Jones - Mord ohne Leiche" (2014), in dem sie von ihren Reisen quer über die Ozeane erzählt, um Henry, der als Mörder verdächtigt wird, zu retten.

Nun, Jahre später, in "Sally Jones und die Schmugglerkönigin" sitzt sie wieder an einer Schreibmaschine und haut kräftig in die Tasten der modernen Imperial, um einer geheimnisvollen Madame und uns Lesern die neuesten dramatischen Ereignisse nahezubringen. Man schreibt die späten neunzehnhundertzwanziger Jahre. Die Geschichte beginnt im von Sally und ihren Freunden so geliebten Lissabon und führt ins schottische Glasgow, wo die dramatischen Ereignisse um die Suche nach der rechtmäßigen Erbin einer wertvollen Perlenkette ihren Lauf nehmen. Sally und Henry geraten in die Gefangenschaft einer berüchtigten Schmugglerkönigin, die den Schmuck für sich beansprucht. Die Gorilladame wird zu Hilfsdiensten für die Bande gezwungen und ihr Chief muss ein Schmugglerschiff voller schottischem Whisky heil über den Atlantik bringen.

Mit jeder Zeile kitzeln Jakob Wegelius und Übersetzerin Gabriele Haefs die Leselust auf illustrierte klassische Abenteuerromane hervor

Alles scheint also wieder einmal sehr mysteriös. Und so landen die beiden sogar am nördlichsten Zipfel Schottlands und später - man mag es kaum glauben! - in München, Paris und Südfrankreich. So viel sei schon mal verraten: Das, was Sally und Henry an schaurig-schrecklichen Ereignissen und manch schöner Begegnung widerfuhr, füllt wiederum weit über 500 Buchseiten. Und man hat nach der Lektüre das Gefühl: Es war keine zu wenig. Mit jeder Zeile kitzeln Jakob Wegelius und Übersetzerin Gabriele Haefs die Leselust auf illustrierte klassische Abenteuerromane hervor, wie sie Leseratten seit den Geschichten von Herman Melville und Jules Verne, von Jack London, Mark Twain oder Robert Louis Stevenson lieben.

Jakob Wegelius: Sally Jones und die Schmugglerkönigin. Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs. Gerstenberg 2022. 528 Seiten, 22 Euro.

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