Süddeutsche Zeitung

90. Geburtstag:Koloristische Meisterwerke

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Rudi Tröger, der Schöpfer feinster Farbkompositionen, wird 90. Als Professor an der Münchner Kunstakademie hat er vielen heute bekannten Künstlern den Weg zu sich selber gezeigt.

Von Gottfried Knapp

Auf dem immer wieder mal totgesagten und dann freudig wiederentdeckten Gebiet der gegenständlichen Malerei gibt es Bilder, die, wie Fotografien, vor allem an der Wirkkraft der abgebildeten Gegenstände gemessen werden wollen. Es gibt aber auch Bilder, die man als pure freie Malerei genießen kann und die doch Dinge zeigen, die uns bewegen. Rudi Tröger ist einer der letzten Meister dieser auch im Gezeitenwechsel des Kunstmarkts nie nach oben gespülten stillen Kunstform. Am Samstag wird Tröger 90 Jahre alt.

Da aus diesem Anlass Siegfried Gohr, einer der Spezialisten für die Malerei der Moderne, eine vorzüglich bebilderte große Werkmonografie über den Altmeister verfasst hat (Sieveking Verlag), und die Münchner Galerie Jahn noch bis zum 19. Oktober einen Überblick über das Werk bietet, kann endlich einmal aktuell über diesen Maler geschrieben werden, der als Professor an der Münchner Kunstakademie vielen heute bekannten Künstlern den Weg zu sich selber gezeigt hat.

Die Wirkung der Kompositionen auf den Betrachter ist fast unabhängig vom mitgelieferten Inhalt

Was Trögers Bildkunst von allen jüngeren Formen der Malerei unterscheidet, sind die aus lauter feinen Nebentönen zusammengemischten subtilen Farbklänge, die jedem Bild einen ganz spezifischen Charakter geben. Es existiert im stattlichen Gesamtwerk Trögers, das seit 1958 entstanden ist und immer noch ausgebaut wird, keine einzige laut schreiende Farbe; alle koloristischen Elemente sind fein abgetönt; die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau treten nur in gebrochenem Zustand auf. Es gibt aber auch keine einheitlich zugetünchten Flächen und keine harten Linien in diesen Bildern. Die in den jeweils angestimmten Farbakkord passenden Acryl-, Tempera- oder Ölfarben werden entweder hauchdünn auf die Leinwand gepinselt oder brockig dorthin gesetzt, wo sie die Komposition weiterbringen und einem bestimmten Gegenstand ein Gesicht geben.

Alle Bilder lassen sich also inhaltlich interpretieren, doch das häufige Fehlen von Titeln deutet an, dass nicht die möglichst klare Darstellung der abgebildeten Gegenstände das Ziel der Bemühung war, sondern die Schaffung eines Malkunstwerks, einer in sich stimmigen Farbkomposition anhand eines einmal gewählten Motivs. Tröger will die Betrachter seiner Bilder also nicht durch Inhalte, nicht durch brillante Darstellungen von Aufsehen erregenden Gegenständen überwältigen. Er kann sich auf die ältesten Genres beschränken, auf das Stillleben, das Landschaftsbild, das Interieur, das Porträt und das Gruppenbild. Ja sein spezifisches Können - seine Kunst der malerischen Transponierung von Motiven ins Bildnerisch-Poetische - lässt sich an Menschen und Dingen aus der nächsten Umgebung am schönsten demonstrieren und nacherleben.

So sind es immer wieder Mitglieder der eigenen Familie, Blumen und Früchte des eigenen Gartens, oberbayerische Landschaften und kleine, im Freien beobachtete Alltagsereignisse, die Tröger zum Anlass für differenzierte malerische Unternehmungen nimmt. Am Anfang des Schaffensprozesses mag der Wunsch, ein bestimmtes Objekt ins Zentrum zu stellen, wichtig sein. Doch danach entwickelt sich das Bild nach den malerischen Regeln weiter, die mit den ersten Farbaufträgen gesetzt wurden. Der angepeilte Gegenstand kann auf dem einen Bild überdeutlich in den Vordergrund treten, auf einem anderen aber fast ganz im nachwachsenden Farbkontinuum verschwinden.

Die Wirkung auf den Betrachter ist fast unabhängig vom mitgelieferten Inhalt. So kann ein thematisch banales Bild, das badende Menschen zeigt, unter der Hand Trögers zum koloristischen Meisterwerk werden.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2019
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