70. Geburtstag von Klaus Maria Brandauer:James Dean aus Altaussee

Klaus Maria Brandauer wird 70

Im Wiener Burgtheater feiert Klaus Maria Brandauer seinen 70. Geburtstag.

(Foto: dpa)

Superehrgeizig, perfektionistisch und dabei auch noch intelligent: Klaus Maria Brandauer ist seinen Weg konsequent bis ganz nach oben gegangen - und hat sich in der Top-Liga auch gehalten. Nun wird der Ausnahmeschauspieler 70.

Von Christine Dössel

Als Klaus Maria Brandauer Ende 1963 als Anfänger am Landestheater Tübingen den Ersten Unauffälligen spielen sollte, eine winzige Nebenrolle in dem Stück "Der Bockerer" von Peter Preses und Ulrich Becker, ging er zu seinem Intendanten Fritz Herterich und sagte: "Ich bin nicht Schauspieler geworden, um unauffällig zu bleiben, sondern um auffällig zu sein."

Ein toller Auftritt. Ein echter Brandauer. Der Satz gefiel ihm selber so gut, dass er ihn später in Interviews noch oft wiederholte, bis er sich verselbständigte und dem Schauspieler auf Dauer nachhing. So wie in den Sechzigerjahren noch so manch andere Selbstauskunft des aufstrebenden Jungtalents mit dem gar nicht kleinen Ego, festgehalten in zahlreichen Artikeln mit Überschriften wie: "Ich halte mich für sehr begabt" oder "Der Größenwahn ist mein ständiger Begleiter".

Entgegen anderslautender Gerüchte hat der junge Brandauer die Rolle des Ersten Unauffälligen in Tübingen tatsächlich gespielt, dazu noch den Zweiten SA-Mann und den Zweiten Gemeinen. Erst, nachdem er im nächsten Stück wieder nur mit einer Winz-Rolle bedacht worden war, schmiss der schon früh sich zu Höherem berufen Wissende sein Engagement hin und stieg vorzeitig, mitten in der Spielzeit, aus seinem Vertrag aus. Um fortan seinen Weg in die Auffälligkeit zu beschreiten.

Ein Steirerbursch, der es zum Weltstar brachte

Den ist er konsequent bis nach ganz oben gegangen, und dort, in der Top-Liga, hat er sich auch gehalten, der Ausnahmeschauspieler Klaus Maria Brandauer, geboren am 22. Juni 1943 im schönen, beschaulichen Altaussee - ein Steirerbursch, der es als schillernder Theaterzampano à la Gustaf Gründgens in István Szabós "Mephisto" (1981) zum Weltstar brachte, zum smarten James-Bond-Fiesling in "Sag niemals nie" (1983) und aasig lächelnden Filmpartner von Meryl Streep in "Jenseits von Afrika" (1986). Zum Charmebolzen, dem Hollywood zu Füßen lag, zum "James Dean aus Altaussee", der sich in Amerika eine goldene Nase hätte verdienen können - und der doch immer wieder zurückkam, zurückkommt auf die Bühne, die ihm die Welt bedeutet: das Wiener Burgtheater.

Dort, in seinem Stammhaus, feiert er am Samstag auch seinen 70. Geburtstag: Brandauer spielt Krapp, den alten Zausel, der in Samuel Becketts "Das letzte Band" an seinem 69. Geburtstag noch einmal Rückschau hält und sich dabei jenes Tonband anhört - "Schachtel drei, Spule fünf" -, das er als 39-Jähriger besprochen hat, damals, als er die Möglichkeit der Liebe endgültig vorbeiziehen ließ. Die Inszenierung von Peter Stein kam im März auf Schloss Neuhardenberg heraus, und die virtuos-kuriose Alterskauzstudie, die Brandauer darin als eigenbrötlerischer Zirkusclown liefert, könnte man bereits als Vorstudie für seinen Lear betrachten, pardon: König Lear, natürlich . Das Stück heißt "König Lear", darauf legt Brandauer wert: ",King Lear', mehr kann ich dazu gar nicht sagen."

Mit dieser Rolle jedenfalls, die vielleicht, wie dereinst der Hamlet, eine Traumrollen-Obsession von ihm ist, wird Brandauer am 21. Dezember - nach einer langen Pause seit "Nathan, der Weise" von 2004 - sein eigentliches Comeback am Burgtheater feiern. Wieder in der Regie von Peter Stein, der damit, man glaubt es kaum, sein Debüt an der Burg geben wird.

Es geht um das nackte Leben

Die Wege des katholisch-barocken Steirers Klaus Maria Brandauer, der außerhalb Wiens kaum je Theater spielte und nie einer "Schauspielerfamilie" angehörte, und des strengen Preußen Peter Stein, der mit und an der Berliner Schaubühne Theatergeschichte schrieb, haben sich erst spät im Leben gekreuzt. "Das verwundert mich im Rückblick auch", sagt Brandauer, "aber wir kannten uns nicht. Ich war ja nie im inner circle der deutschen Theaterlandschaft." 2007 haben sie in Berlin Schillers "Wallenstein" miteinander gemacht, durchdrungen geradezu - für beide ein Glücksfall. Auch für das Publikum.

Seither arbeiten sie zusammen, mögen und schätzen sie sich, bilden sie ein Dream-Team des werktreuen Literaturtheaters. Brandauer als Dorfrichter Adam im "Zerbrochnen Krug" (2008), als blinder Sterbenskandidat in "Ödipus auf Kolonos" (2010) - große menschliche Abbildungen sind ihm da gelungen, anrührend, abgründig, tief. Mag man sich an Steins konventionellem Inszenierungstil oft auch reiben - wertschätzen muss man: Es geht dabei nie um Pipifax. Sondern immer um den Text, um Inhalt, Sprache - und Brandauer ist ein großartiger, mit seinem österreichischen Einschlag oft betörend eigenartiger Sprecher -; in den besten Fällen geht es: um das nackte Leben. Hier sind zwei Großmeister am Werk - die trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere miteinander können. "Wir reden viel, aber kaum über Theater. Vielleicht liegt es daran", mutmaßt Brandauer. "Und sicher am Respekt gegenüber der Person und der Karriere des anderen."

Klaus Maria Brandauer in seiner liebsten Rolle - als Klaus Maria Brandauer

Mit Peter Stein kam für Brandauer die Weichenstellung ins Altersfach, welches er, der ewig Jünglingshafte, stets gerühmt für seinen hintergründigen, abgründigen Buben-Charme, lange scheute. Aber auch Brandauers schauspielerischer Disziplinierung und Konzentrierung hat Stein als Regisseur gut getan. Der Virtuositätsdruck, den ein superehrgeiziger, perfektionistischer, dabei auch noch intelligenter "Starschauspieler" wie Brandauer allein schon deshalb empfindet, weil er selber die Messlatte extrem hoch legt, kann auch hinderlich sein.

Brandauer hat nach Fritz Kortner, bei dem er 1970 in Lessings "Emilia Galotti" den Prinzen Gonzaga spielte, und vor Peter Stein nur selten einen Regisseur wirklich akzeptiert - und wenn, dann meistens nur solche, die ihn machen ließen. Was mitunter zu jenen Selbstdarstellungsoffensiven und Lichtduschereien führte, die ihm den Vorwurf des eitlen Großschauspielers und Rampenegomanen einbrachten, der immer nur sich selber spiele: Klaus Maria Brandauer in seiner liebsten Rolle - als Klaus Maria Brandauer. Viel Häme hat er da schon einstecken müssen. Zum Beispiel 1985 als Hamlet. Hellmuth Karasek fragte damals im Spiegel, wie der Regisseur Hans Hollmann es wohl geschafft habe, "seinen Star daran zu hindern, auch noch den Horatio, den Claudius, den Polonius zu spielen". Brandauer hatte sich den Hamlet, diese für ihn essenzielle Rolle 1972, als er Ensemblemitglied am Burgtheater wurde, in seinen Vertrag schreiben lassen und dann so lange hinausgeschoben - auch, weil ihm nie ein Regisseur passte -, dass er ihn erst 1985 spielte. Da war er 43 Jahre alt.

Ohnehin pflastern Absagen Brandauers Weg. Die Zahl der Rollen, die er aus qualitativen oder persönlichen Gründen ablehnte, übersteigt um ein Vielfaches die Rollen, die er spielte. "Es muss mir Freude machen", lautet - getreu seinem Lebensmotto "Handwerk, Kunst, Heiterkeit" - die Maxime für seine Entscheidungen. Dem Erfolg hinterher gerannt ist er jedenfalls nie. Brandauer weiß, was er (sich) wert ist und was er anderen wert sein will und muss. Das ist, wenn man so will, seine wahre Form der Eitelkeit, das, was viele ihm als Hybris auslegen: ein extrem hoher Qualitätsanspruch, verbunden mit einem ausgeprägten Selbstwertgefühl. "Ich möchte das bestmögliche Ergebnis haben", sagt Brandauer, "wenn das nicht geht, bin ich lieber nicht dabei".

Empathiefähigkeit, Menschenkenntnis, Persönlichkeit

Auch muss, wer mit ihm arbeitet, seinen Mitsprachewillen akzeptieren. Brandauers schauspielerische Begabung ist nicht ohne seinen Kopf zu haben, und der hat präzise Vorstellungen, was gute Theater- oder Filmarbeit ist. Deshalb hat er immer wieder auch selbst inszeniert, von Esther Vilars "Speer", 1998 in der Berliner Akademie der Künste, über den "Hamlet" am Burgtheater (2002) bis hin zu Brechts "Dreigroschenoper", 2006 zur Eröffnung des Berliner Admiralspalasts; aber auch Oper ("Lohengrin") und Film ("Mario und der Zauberer").

Aufgefallen als "bemerkenswert" in seiner "schönen Dringlichkeit" ist Brandauer gleich in seiner ersten Rolle, als er 1963 in Tübingen den Claudio in Shakespeares "Maß für Maß" spielte. Damals war er gerade zwanzig, heiratete seine erste Frau, die spätere Filmregisseurin Karin Brandauer (gestorben 1992) und wurde Vater eines Sohnes. Weshalb er die Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart abbrach, um zu spielen - und seine Familie zu ernähren.

Der Aufstieg zum gefeierten Nachwuchstalent vollzog sich geradezu kometenartig: ob am Landestheater Salzburg, am Schauspielhaus Düsseldorf, im Residenztheater München oder schließlich an der Burg, überall stellte er sich ein: der Brandauer-Effekt. Diese junge, blonde Naturbegabung aus der Steiermark - mit deutschem Vater namens Steng - strahlte etwas unbändig Frisches, Leuchtendes, Natürliches aus. Etwas lächelnd Selbstbewusstes, aber auch Zwielichtiges, Unergründliches, und dazu hatte er ganz eindeutig: Empathiefähigkeit, Menschenkenntnis, Persönlichkeit.

Bis heute macht diese sehr besondere Mischung Brandauers Verführungskraft aus. Wir gratulieren herzlich.

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