69. Filmfestival in Venedig:Neue Gesichter am Lido

Die Filmfestspiele von Venedig sind in die Jahre gekommen - kein anderes Großfestival hat sich so wenig entwickelt wie das Mostra di Venezia. Doch der neue Festivalleiter Alberto Barbera will das nun ändern - mit Newcomern und vielen Frauen.

Auf dem Festivalgelände klafft eine riesige Baugrube, notdürftig bedeckt mit Plastikplanen. Kein wirklich schöner Anblick. Gerade wenn am kommenden Mittwoch das 69. Internationale Filmfestival Venedig eröffnet wird und ein paar Meter weiter zahlreiche Stars über den roten Teppich schreiten werden.

69. Filmfestival in Venedig

Die Mostra di Venezia feiert in diesem Jahr ihre 69. Auflage. Das älteste Filmfestival der Welt feiert in diesem Jahr sein 80-jähriges Bestehen und findet vom 29. August bis 8. September 2012 statt.

(Foto: dpa)

Doch das hat Alberto Barbera nicht abgeschreckt. Der Italiener ist in diesem Jahr als Leiter der venezianischen Filmfestspiele zurückgekehrt - und will zahlreiche Veränderungen durchsetzen. Die Baugrube ist dabei nur eine seiner Baustellen. Erste Neuerungen werden schon in diesem Festivaljahr deutlich, bei dem 18 Filme - darunter zwei deutsche Koproduktionen - im Wettbewerb um den Goldenen Löwen konkurrieren.

Die Filmfestspiele in Venedig rühmen sich, das älteste Festival der Welt zu sein. 2012 feiern sie, trotz einiger Unterbrechungen in den Anfangsjahren, ihr 80-jähriges Bestehen. Doch die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Die Gebäude sind alt und die Kinos ächzen unter den Anforderungen. "Venedig, das sich bis jetzt im Vergleich mit anderen Festivals am wenigsten entwickelt hat, stehen grundlegende Erneuerungen bevor", kündigte Barbera daher an, der das Festival von 1998 an schon einmal für gut drei Jahre geleitet hat.

Neben baulichen Veränderungen rief er schon für dieses Jahr einen Filmmarkt ins Leben. Ein Novum auf dem Lido, aber auf vielen anderen Festivals inzwischen absolut üblich.

An der Spitze der diesjährigen Jury steht der US-amerikanische Regisseur und Produzent Michael Mann. Der 69-Jährige drehte Filme wie "Der letzte Mohikaner", "Miami Vice", "Public Enemies" und "Heat". Neben Mann gehören acht weitere Filmschaffende und Künstler zur Jury, darunter das französische Model und Schauspielerin Laetitia Casta. Weitere Mitglieder sind der italienische Regisseur Matteo Garrone ("Gomorrha, Reise in das Reich der Camorra") und die Britin Samantha Morton, bekannt als Schauspielerin aus Filmen wie "Cosmopolis" und "Sweet and Lowdown". Auch die in Frankreich geborene Regisseurin Ursula Meier ist dabei. Sie wurde in diesem Jahr auf der Berlinale für ihr Drama "L'enfant d'en haut" mit dem "Silbernen Bären" ausgezeichnet.

Ulrich Seidl erneut im Wettbewerb eines Großfestivals

Auch der Wettbewerb, in dem das europäische Kino zahlenmäßig dominiert, lässt Barberas Reformvorhaben erahnen. Die Hauptreihe des Wettbewerbs ist nicht nur verschlankt. Die Mehrheit der Filme, die bis zum 8. September um die Gunst der Jury konkurrieren, kommt außerdem von Regisseuren, die zum ersten Mal im venezianischen Wettbewerb vertreten sind. Wie Ramin Bahrani, den der bekannte US-Kritiker Roger Ebert bereits als "den neuen großen amerikanischen Regisseur" bezeichnete.

Der 37-jährige Bahrani zeigt nach Filmen um gesellschaftliche Außenseiter nun "At Any Price", ein Drama um einen Farmer und dessen Konflikte mit seiner Familie. Dafür konnte er so prominente Schauspieler wie Jungstar Zac Efron, Dennis Quaid und Heather Graham engagieren. Ähnlich wie der Kalifornier Harmony Korine, der sich in der Independent-Szene als Drehbuchschreiber von "Kids" einen Namen machte und mit "Spring Breakers" - mit James Franco, Selena Gomez und Vanessa Hudgens - erstmals im Venedig-Wettbewerb zu sehen ist.

Nach der heftigen Kritik am Filmfest Cannes, wo nur männliche Regisseure in der Konkurrenz um den Hauptpreis waren, hat Barbera außerdem vier Regisseurinnen in den Wettbewerb eingeladen - bislang ebenfalls ungewohnt. Mit der Inderin Mira Nair eröffnet sogar eine Frau das Festival mit ihrem Politdrama "The Reluctant Fundamentalist" mit Kate Hudson und Kiefer Sutherland.

Im Vorfeld sind es aber erneut vor allem ältere Männer, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Außer Konkurrenz läuft zum Beispiel der neue Film des 103-jährigen Manoel de Oliveira mit Claudia Cardinale sowie Robert Redfords Thriller um einen Umweltaktivisten, für den der 76-Jährige Susan Sarandon und Nick Nolte gewann.

Auch im Rennen um den Goldenen Löwen sind nach wie vor ältere Regisseure vertreten: Der 71-jährige Brian De Palma ("Mission: Impossible", "Scarface") vereint in seiner französisch-deutschen Produktion "Passion" Karoline Herfurth mit "Millennium"-Star Noomi Rapace und Rachel McAdams. Der Österreicher Ulrich Seidl (59) wiederum stellt in dem aus Deutschland mitfinanzierten "Paradies: Glaube" ebenfalls eine Frau ins Zentrum, die religiös-missionarisch getrieben ist. Seidl war in diesem Jahr bereit in Cannes mit "Paradies: Liebe" vertreten.

Gewinner der letzten Jahre waren im Jahr 2011 die freie Adaption von Goethes "Faust" von dem Russen Aleksander Sokurow und im Jahr 2010 "Somewhere" von der US-Regisseurin Sofia Coppola. Der Film erzählt von einem Hollywoodstar, der auf seine elfjährige Tochter aufpassen muss und durch sie erkennt er, wie leer sein Leben ist. Weiter Gewinner der Vorjahre sind Samuel Maoz aus Israel, der Amerikaner Darren Aronofsky und der taiwanesich-amerikanische Regisseur Ang Lee.

Dieses Jahr werden mit Spannung Paul Thomas Andersons "The Master" um einen selbsternannten Guru (mit Philip Seymour Hoffman) sowie Terrence Malicks "To the Wonder" mit Javier Bardem und Ben Affleck erwartet. Das Werk erscheint zwar schon ein Jahr nach dem in Cannes mit dem Hauptpreis ausgezeichneten "The Tree of Life", ist aber der erst sechste Spielfilm seiner fast 40-jährigen Karriere. Der US-Amerikaner gilt als äußerst scheu und taucht fast nie in der Öffentlichkeit auf. Wahrscheinlich lässt sich das Regiephantom auch in Venedig nicht blicken - es sei denn, es stehen auch bei ihm mit 68 Jahren tiefgreifende Veränderungen an.

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