65. Filmfestival Cannes:Unter dem Motto Verjüngung

Abgesehen von den alten Regie-Hasen Michael Haneke und Ken Loach zeichnete die Jury in Cannes vorwiegend junge Talente aus: Matteo Garrone, Thomas Vinterberg, Cristian Mungiu. Die Methode hat Tradition, ist aber noch lange keine Ruhmesgarantie.

Susan Vahabzadeh

Das Durchschnittsalter im Wettbewerb von Cannes war ziemlich hoch, aber eines muss man der Jury lassen, deren Präsident in diesem Jahr der italienische Regisseur Nanni Moretti war: Sie hat sich unter den alten Herren just jene zwei herausgepickt, die nicht die Sorte Film abgeliefert haben, die man seit Jahrzehnten von ihnen erwartet hätte.

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Matteo Garrone gewann den Grand Prix du Jury für "Reality". Das Motto der diesjährigen Jury-Entscheidungen lautet: Verjüngung.

(Foto: AFP)

Michael Haneke hat die Goldene Palme bekommen für "Amour", einen Film über ein altes Paar, das sterben wird - und einerseits ist er sich, in der sehr zurückgenommenen, leisen Inszenierung seiner beiden Hauptdarsteller Emmanuelle Riva und Jean-Louis Trintignant sehr treu geblieben, aber andererseits erzählt er einmal nicht von menschlichem Fehlverhalten, sondern von einem Mann und einer Frau, denen es nichts nützt, dass sie ihr Leben auf die richtige Art gelebt haben.

Und Ken Loach erfindet sich mit über siebzig noch einmal neu als Komödienregisseur, zeigt große Lust, einen Whisky-Raubzug in Szene zu setzen, bei dem etwas gestohlen wird, was keiner vermissen wird - ein warmherziges, witziges Heist-Movie, "The Angels' Share" mit dem Prix du Jury bedacht.

Keiner, der nicht schon mal gewonnen hat

Matteo Garrone, dessen eher leichtgewichtige Big-Brother-Comedy "Reality" den Grand Prix du Jury bekommen hat, hat 2008 exakt den gleichen Preis für "Gomorrah" bekommen.

Es würde einen erwischen, der in Cannes schon ausgezeichnet worden ist, soviel war klar - denn es gab ja im Wettbewerb kaum Regisseure, die nicht vorher schon einmal etwas gewonnen hatten. Haneke hat erst vor drei Jahren die Goldene Palme bekommen, für "Das weiße Band", vorher schon den Regiepreis für "Cache" (2005) und den Grand Prix du Jury für "Die Klavierspielerin" (2001). Ken Loach hat den Hauptpreis 2006 mit "The Wind That Shakes The Barley" gewonnen.

Zur Auswahl hätten noch Cristian Mungiu (Goldene Palme 2007 für 24 Monate, 3 Wochen und 2 Tage") mit "Beyond the Hills" gestanden - seine beiden Hauptdarstellerinnen wurden stattdessen diesmal ausgezeichnet - oder Thomas Vinterberg (Spezialpreis für "Das Fest", 1998), für dessen Film "Jagten" Mads Mikkelsen den Darstellerpreis bekommen hat.

Man kann den Entscheidungen insgesamt entnehmen: Auch wenn man um Haneke und Loach nicht herumkam, sollten hier vor allem die Filme der jüngeren Regisseure zum Zug kommen, Garrone, Vinterberg, Mungiu, der auch fürs Drehbuch prämiert wurde, der Mexikaner Carlos Reygadas, der für sein Bilderrätsel "Post Tenebras Lux" den Regiepreis bekam. Das ist eine Art, an die Sache heranzugehen - ob Filme wie "Beyond the Hills" und "Post Tenebras Lux" jemals ein Publikum finden, dass darf man sich allerdings fragen.

Auch bei den jüngeren Regisseuren hat es bei den Filmfestspielen in Cannes Methode, sie an sich zu binden, wer einmal aufgenommen wurde in den Club, kann drehen was er will, es wird hier für die Goldene Palme nominiert. Ein Starregisseur ist aber nicht automatisch jeder, der in Cannes dazugehört - es ist einer, dessen Filme auch tatsächlich jemand sehen will.

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