Süddeutsche Zeitung

60 Jahre Münchner Bücherschau:Lokal global

Die erste Buchausstellung fand 1960 im Stadtmuseum statt - und war beschränkt auf bayerische Verlage. Davon ist heute nicht mehr die Rede: Die Schau, nunmehr im Gasteig, ist überregionales Kulturereignis.

Von Yvonne Poppek

Die erste Münchner Bücherschau war zu kurz. Zunächst zumindest. 84 Münchner Verlage stellten im November 1960 ihre Bücher im Stadtmuseum aus. "Hier haben sie so etwas wie die Frankfurter Buchmesse hingezaubert, freilich in kleinerem Maßstab und nicht auf internationaler, sondern ganz im Gegenteil auf exklusiver lokaler Basis", schrieb damals die Süddeutsche Zeitung. 14 Tage sollte diese Verlagsvorstellung dauern, doch das Interesse der Münchner war so groß, dass sie kurzerhand um eine Woche verlängert wurde. Der Beginn also: ein Erfolg.

In diesem Jahr wird die 60. Ausgabe der Bücherschau eröffnet. Es ist ein runder Geburtstag, den die Veranstalter vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Stadt München genauso unaufgeregt begehen, wie auch schon das Jubiläum zum Fünfzigsten. Letztlich besteht die Bücherschau auch diesmal wieder aus Buchpräsentation und Veranstaltungen im Gasteig. Zudem wird es im zweiten Stock eine Ausstellung geben mit alten Plakaten, Fotos und Programmheften, die die "Entwicklung von einer Leistungsschau der bayerischen Verlage zu einer der größten Buchausstellungen im deutschsprachigem Raum" nachvollziehbar machen soll.

Wie sich daraus schon ablesen lässt: Die Bücherschau hat sich stetig weiter entwickelt und vor allem vergrößert. Kamen im ersten Jahr nach Schätzungen der Veranstalter 20 000 Besucher, so sind es inzwischen jährlich 160 000. Die Anzahl der Verlage ist ebenfalls gestiegen von 84 auf etwa 300, und diese kommen nicht mehr nur aus München. Auch die Öffnungszeit ist mit 15 Stunden an 18 Tagen sehr großzügig bemessen. Und natürlich gibt es die Lesungen, Ausstellungen und Aktionen, die aus einer reinen Bücherschau ein umfangreiches Programm rund um Bücher und Autoren haben werden lassen.

Bevor die Bücherschau die heutigen Ausmaße erreichte, brauchte sie zunächst ein paar Jahre, um sich als beliebte Publikumsveranstaltung zu etablieren. Doch schon 1967 war der Andrang so groß, dass sie ins Haus der Kunst umzog, der Platz im Stadtmuseum reichte nicht mehr aus. Im selben Jahr kamen die Organisatoren auf die Idee, das Programm um einen Vorlesewettbewerb für Frauen im "Großmutter-Alter" anzureichern. 400 Bewerberinnen traten zunächst in regionalen Wettbewerben an, um sich für das Finale in München zu qualifizieren.

1975 wurde wieder ein Besucherrekord registriert: 77 000 Interessierte kamen, die Veranstaltungen waren ausgebucht. "Bei den meistbesuchten Lesungen oder Diskussionen wurden bis zu 800 Interessenten gezählt", schrieb die SZ. Als 1987 die Kinder- und Jugendbuchschau hinzukam und schließlich auch Verlage von außerhalb Bayerns ausstellen durften, schmälerte dies das Interesse naturgemäß nicht, die Besucherzahl stieg. 1990 stand ein weiterer Umzug an, das Haus der Kunst wurde renoviert. Die Stadt München bot die Räume im Gasteig kostenlos an. Sie betrachtete die Bücherschau als eine Bereicherung für die Kulturinteressierten, die am gleichen Ort Philharmonie, Stadtbibliothek und Volkshochschule besuchten. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude befand, dass die Bücherschau nun dort sei, wo sie hingehöre.

Nicht nur die Schau wuchs über die Jahre, auch das Rahmenprogramm wurde umfangreicher. Zum 40. Geburtstag gab es 86 Veranstaltungen, dieses Jahr sind es knapp 60 - Lesungen, Gespräche, Diskussionen, Ausstellungen, Workshops und Aktionen für Kinder und Erwachsene. Seit 20 Jahren sind für dieses Programm Edith Offermann (für Kinder und Jugendliche) und Thomas Kraft zuständig. Sie setzen, wie Kraft es formuliert, auf eine "Balance aus Bewährtem und Weiterentwicklung". So gibt es stets populäre Autoren im Programm, aber auch literarische Neuentdeckungen. Zugleich werden neue Formen der Vermittlung ausprobiert, Schriftsteller lesen längst nicht mehr nur aus ihren Büchern vor und nippen an einem Glas Wasser, oft gibt es ergänzende Elemente wie Musik, Projektionen oder Diskussionen.

Dieses Jahr hat das Programm eine thematische Klammer erhalten - eine Besonderheit, die bisher nur das seit zehn Jahren parallel laufende Kuratorenprogramm "Forum : Autoren" kennzeichnete. "Das schöne Mysterium" - so lautet das Motto. Bislang habe man gedacht, die Welt sei grenzenlos belastbar, erklärt Kraft die Wahl des Themas. "Diesmal, scheint mir jedenfalls, schaut es anders aus." Die eingeladenen Autoren - Physiker Harald Lesch, Schriftsteller wie Sten Nadolny, Raoul Schrott, Matthias Politicky, Meeresbiologin Frauke Bagusche oder Astronautin Samantha Cristoforetti - versuchen, dieses Mysterium aus wissenschaftlicher, politischer oder gesellschaftlicher Sicht zu ergründen. Das Programm klingt spannend - und dürfte die Erfolgsgeschichte der Bücherschau weiterschreiben.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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