50 Jahre Raumfahrt: Kunstausstellung Wien:Die Barbie im Mond

Während um uns die Welt zusammenkracht, flieht man in Wien ins Weltall: Zum 50. Jubiläum des ersten Menschen im All zeigt die Kunsthalle intergalaktische Spielereien.

Almuth Spiegler

12 Bilder

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Vladimir Dubossarsky & Alexander Vinogradov: Cosmonaut No. 1

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Das Weltall ruft: Weil am 12. April vor 50 Jahren der erste Mensch, Jurij Gagarin, die Erde von ganz weit oben sah, klaubte Kuratorin Cathérine Hug zusammen, was Künstlern zum Thema Weltraum so einfiel.  Die Bilder.

Sinnlos, den Großen Wagen, das Kreuz des Südens oder die Kassiopeia erkennen zu wollen. Angela Bullochs "Night Sky" ist nicht der unsere. Es ist die LED-Konstruktion des Nachthimmels, wie man ihn von Gliese 581C.12 bewundern könnte, wäre der Planet im Sternzeichen Waage nicht unbewohnbar und nicht 20 Lichtjahre entfernt. Auch das Firmament, das Judith Hopf mit russischen Lampen, also simplen Glühbirnen, erzeugt, ist ein erfundenes. Und die poetischen Sternenschwaden, die der blutjunge dänische Künstler Eric Andersen in Linoleumschnitt druckte, entstammen ebenfalls den unendlichen Weiten der Phantasie, nicht der neuesten Hightech-Möglichkeiten. Während rund um uns die Welt zusammenkracht, übt man sich in der Wiener Kunsthalle im Eskapismus.

Text: Almuth Spiegler/ SZ vom 12.4.2011/sueddeutsche.de/dato

Alle Bilder: "Weltraum. Die Kunst und ein Traum". Bis zum 15. August, Kunsthalle Wien (www.kunsthallewien.at)

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Jen Liu, Still aus: Soldiers of Light, 2005

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Weil am 12. April vor 50 Jahren der erste Mensch, Jurij Gagarin, die Erde von ganz weit oben sah, klaubte Kuratorin Cathérine Hug im Auftrag von Kunsthallen-Direktor Gerald Matt (fast) alles zusammen, was Künstlern vorwiegend in den vergangenen zehn Jahren zum Thema Weltraum so eingefallen ist. Das ist überraschenderweise gar nicht wenig, die Fleißaufgabe ist gelungen - rund 50 Künstler, unter ihnen auffallend viele Künstlerinnen, aus 18 Nationen kamen zusammen und wurden in neun thematische Kapitel eingeteilt, ...

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Andy Warhol: Moonwalk. The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts Inc./VBK, Wien 2011

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Andy Warhols "Moonwalk"-Siebdrucke...

Weltraum Kunstaustellung Wien

Quelle: Thomas Ruff. VBK, Wien 2011

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... und Thomas Ruffs Sternen-Fotos sind das Pflichtprogramm, ...

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Pipilotti Rist, Still aus: À la belle étoile (Under The Sky), 2007

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... die Kür ist eine Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum, die eine charmante Spielerei wie die Live-Schaltung von Nives Widauers Globen-Installation in den Meteoriten-Saal des NHM erlaubt. Oder die Gegenüberstellung eines "echten" Eisenmeteoriten, gefunden 1899 in Namibia, mit dem "Ältesten Stück Ding" der Welt, das die deutsch-österreichische Künstlergruppe Mahony nach einem unscharfen, illegal aufgenommenen Meteoriten-Foto aus dem National Maritime Museum in Greenwich aus Ton und Schuhcreme formte. So weit, so originell.

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Andrei Sokolov: Power Station on the Moon, 1967

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Nur scheint das Weltraum-Thema gerade im Jahre 2011 unserer Zeitrechnung, zwischen Atomkatastrophe und Revolutionen, ebenso wenig unwiderstehlich anziehend zu sein wie das "Schwarze Loch" des Münchner Künstlers Björn Dahlem, das im Zentrum der Ausstellung schwebt, zusammengezimmert aus rohem Holz, Glühbirnen, Neon- und Badezimmerlampen. Ein "mentales Habitat", eine "Gedankenarchitektur" wie aus einem schicken Ikea-Katalog der Postpostmoderne.

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Keith Tyson: "Somewhere Near the Edge of the Visible Universe..."

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Ähnlich angestrengt wirkt die Installation der jungen Norwegerin Toril Johannessen: Mit ihrer Installation aus Kristallen, Fotografien und Teleskopen erinnert sie an die vergessenen wissenschaftlichen Leistungen der "Harvard Computers", der weiblichen Hilfskräfte, die Anfang des 20. Jahrhunderts zur Kartografierung der neu entdeckten Sterne eingesetzt wurden. Sehr brav recherchiert, sehr fad umgesetzt.

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Mariko Mori: Genesis (Soap Bubbles), 1996. VBK, Wien 2011

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Wobei man zur Ehrenrettung sagen muss, dass sich viele Künstler und Künstlerinnen dem Weltraum eher ironisch nähern. Die Wiener Extrem-Künstlergruppe Monochrom etwa mit dem eindeutig gefälschten Dokumentarfilm einer Marsexpedition, William Kentridge mit einer animierten Espressokannen-Rakete, die russischen Maler Dubossarsky und Vinogradov mit einem Fußballmatch gegen Aliens, Aleksandra Mir mit dem Video der ersten Landung einer Frau auf dem Mond, der sich schnell als sehr weltlicher Sandstrand herausstellt.

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Simon Patterson: Manned Flight, 1999-2001. Courtesy der Künstler und Haunch of Venison, London

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Es ist wohl diese kauzige Kosmonauten-Nostalgie, die Verwirrung stiftet, bei einigen den Schelm, bei anderen eine seltsame Ehrfurcht auslöst: So sind gleich zwei detailgetreue Repliken von Zimmern aus Jurij Gagarins Wohnung im Sternenstädtchen bei Moskau in der Ausstellung zu finden. Eve Sussman und ihre Rufus-Künstlergruppe haben 2009 das nach seinem frühen Unfalltod pseudo-sakralisierte Büro des dauerlächelnden kommunistischen Popstars rekonstruiert. Das Faszinierendste darin sind die beiden Telefone, eines schwarz, eines grün, warum auch immer. Ein schwarzes, angeblich direkt mit dem Kreml verbundenes, hatte er auch im Schlafzimmer stehen, glaubt man jedenfalls der Re-Inszenierung desselben von Lena Lapschina. Die in Wien lebende Künstlerin aus Sibirien hat sich biografisch bedingt am wildesten an dem Thema abgearbeitet: Eine ihrer wuchernden Wandzeichnungen etwa zeigt Kunsthallendirektor Matt, auch ein Initiator der Berliner Kunsthalle, bei der Überlegung, diese auf den Saturn auszulagern.

Weltraum Kunstaustellung Wien

Quelle: Christian Pußwald: "DEPRIVAT"/Satellit, 2004

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Österreich scheint überhaupt ein bisher weitgehend unbekanntes Zentrum der Weltraum-Sentimentalität zu sein, nicht umsonst ließ Stanley Kubrick am Beginn seiner "Odyssee 2001" die Raumstation zum Donauwalzer tanzen, und nicht zufällig fand hier, in Graz, 1991 der erste direkte künstlerische Kontakt mit einer bemannten sowjetischen Raumfähre statt (arrangiert von Richard Kriesche). In Wien residiert aber auch die Bewegung KOCMOC/Gruppe Gagarin, geleitet von Walter Famler, der auch als Ideengeber der Ausstellung angeführt wird und die Gagarin-Devotionalien spendete.

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Estate of Robert Rauschenberg/United Press Inc./VBK, Wien 2011

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Mit einem Leihgeber aber hätte man nicht gerechnet: Die Farblithografie "Spacelab 1" stammt aus dem Besitz des österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer. Ähnlich starr wie diese Raumfahrts-Propagandakunst, der ein eigenes Kapitel gewidmet ist, weht am anderen Ende der Ausstellung eine Replik der US-Fahne auf dem Mond, dem Siegeszeichen im "Space Race" zwischen USA und UdSSR. Der italienische Künstler Gianni Motti hat das Teil hier eins zu eins aufgepflanzt und erinnert damit an die verschiedenen Verschwörungstheorien rund um die erste Mondlandung - war alles nur eine Inszenierung? Alles nur eine Hollywood-Show?

Weltraum Kunstausstellung Wien

Quelle: Daniel & Geo Fuchs: TOYGIANTS - Portraits, 2004

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Heute interessiert das alles nur noch ein skurril anmutendes Nischenpublikum. Die Utopie von Freiheit, von einem besseren, einem friedlicheren, einem gerechteren Leben, die der Weltraum in den 60er und 70er Jahren, in den Zeiten des Kalten Krieges einmal in sich trug, wurde längst abgelöst von einer anderen virtuellen Versprechung, vom World Wide Web. "Alien-frequency is open, Sir", haucht Lieutnant Uhura immer und immer wieder auf der Brücke des Raumschiffs Enterprise, gefangen in einer Sechs-Sekunden-Dauerschleife der US-Künstlerin Simone Leigh. Aber Captain Kirk ist schon lange tot, sorry.

© sueddeutsche.de/dato
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