Süddeutsche Zeitung

3D-Technik im Kino:Mehr Licht

Keine Woche, in der die Studios nicht neue 3D-Großprojekte ankündigen. Die Besucherzahlen sind dagegen eher rückläufig - weil die Projektoren die Filme im wahrsten Sinne blass aussehen lassen.

Fritz Göttler

Schöne Aussichten für New Yorker Kinogeher - an diesem Donnerstag können sie Rita Hayworth als Miss Sadie Thompson sehen, in dem gleichnamigen Film von Curtis Bernhardt nach W. Somerset Maugham. Rita als Tingeltangelgirl auf einer kleinen Südseeinsel, sie singt "Blue Pacific Blues" und verdreht einem fanatischen Missionar und einem US-Sergeant den Kopf, in glorreichem Technicolor und in 3D. Der Film beschließt eine Reihe im "Film Forum", die einige leuchtende Beispiele des ersten großen 3D-Booms präsentiert. Und, anders als dies gewöhnlich dargestellt wurde in der 3D-Hysterie der letzten Monate, lassen diese Filme viele neuen Produkte blass aussehen.

Die Studios predigen derzeit weiter die überirdischen Wonnen des 3D und prophezeien uns eine reine 3D-Kinozukunft - und eine TV-Zukunft gleich dazu. Keine Woche, in der nicht neue 3D-Großprojekte angekündigt werden. Die Besucherzahlen sind dagegen eher rückläufig - immer weniger Zuschauer entscheiden sich, vor die Wahl gestellt, für die 3D-Version eines Films (71 Prozent waren es bei "Avatar", 56 nun bei der "Legende von Aang"), und das liegt nicht nur am saftigen Preisaufschlag. Sie wollen einfach, vor allem, mehr Licht im Kino.

3D bringt doch gar nichts, hatte schon im Frühjahr Roger Ebert in Newsweek geklagt, eine Instanz der US- Filmkritik. Und Christopher Nolan, der durch seine Erfolgsfilme "The Dark Knight" und "Inception" eine ähnlich unabhängige Filmemacher-Instanz in Hollywood ist, hat im Juni auf dem "Hero Complex Festival" in Los Angeles gestanden: "Ich bin kein gewaltiger Fan von 3D ... Auf der Ebene der Technik ist es faszinierend, aber auf der Ebene des Kinoerlebnisses finde ich die Düsternis des Bildes extrem verstörend." Das Angebot, "Inception" nachträglich auf 3D umarbeiten zu lassen, hat er höflich abgelehnt - das hätte, um es wirklich befriedigend zu gestalten, zu lange gedauert. Und außerdem findet er den Namen 3D schlicht irreführend: "All die Bilder des Kinos sind doch prinzipiell dreidimensional, räumlich ..."

Mit halber Kraft

Die Trübnis beruht auf einem simplen technischen Effekt, von dem die großen Kino-Ausrüstungsfirmen durchaus wissen: Ein moderner 3D-Projektor liefert jeweils zwei Bilder zugleich, für jedes Auge eins, die dann durch die Brille optisch kombiniert werden zu einem dreidimensionalen Bild. Für jedes Auge bleibt also nur die halbe Menge Licht - und das wird beim Brilleneffekt natürlich nicht addiert. 16 Foot-Lamberts (fL, die Einheit, mit der das auf der Leinwand reflektierte Licht gemessen wird) sollte ein guter Projektor schaffen, ohne Film, legt man einen 2D-Filmstreifen ein, reduziert es sich auf 14 fL, das ist ein sehr gutes Lichtergebnis. Im 3D-Kino heute werden erheblich weniger fL angesetzt - Pixar gibt etwa in seinen Vorführbestimmungen für "Toy Story 3" 4,5 fL als Wert an, mit einer erlaubten Spannbreite zwischen 3,5 und 5,5 fL. Mehr ist mit den Projektoren heute nicht möglich, die Techniker arbeiten an neuen Lösungen, RealD- oder IMAX-Verfahren oder mit Laserlicht, das zum Teil für militärische Zwecke entwickelt wurde.

Wenn das die Zukunft des Kinos wird, bedeutet es eine erneute kräftige Investition für die Kinos, die eben erst mühevoll auf Digitalprojektion umrüsteten. James Cameron hat für seinen "Avatar" mit speziell entwickelter Technik den 4,5-Standard gehalten. Und er hat begriffen, dass 3D nicht unbedingt eine wirre Folge von Tricks und Gags, ein atemloses Crescendo von Spezialeffekten bedeutet, sondern eine Rückkehr zum großen Geheimnis des Kinos, zum Urspektakel, zum Abenteuer des Lichts - die allerschönsten "Avatar"-Momente sind reine Spiele des Lichts, die Fluoreszenz des Planeten Pandora.

Die Fans von Sadie Thompson werden übrigens den vollen Lichteffekt erleben - im "Film Forum" wird wie in den Fünfzigern mit zwei Projektoren parallel gearbeitet, ein höllischer Job für den Vorführer, aber volle Leuchtkraft für Rita. Als der Film damals in die Kinos kommen sollte, war das 3D-Fieber schon wieder vorbei, CinemaScope war da. "Sadie Thompson" kam nur noch zweidimensional heraus.

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SZ vom 24.08.2010/kar
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