Das Jahr 1972 sollte für Böll noch in anderer Hinsicht ereignisreich sein. Inmitten des RAF-Konflikts veröffentlicht der Spiegel am 10. Januar einen Artikel des Schriftstellers, der unter dem Titel Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? die Berichterstattung der Bild im Zusammenhang mit der Terrorismusdebatte kritisiert. Die Publikation entfacht eine beispiellose Polemik, während der sich Böll mit heftigen Angriffen sowohl von Seiten der Springer-Presse als auch von der restlichen Öffentlichkeit konfrontiert sieht. So nennt ihn Gerhard Löwenthal, Moderator des ZDF-Magazins, beispielsweise "einen Sympathisanten dieses Linksfaschismus", der "nicht ein Deut besser [ist] als die geistigen Schrittmacher der Nazis".
In der Süddeutschen Zeitung nimmt Böll zu den Anschuldigungen Stellung: "Die Wirkung meines Artikels entspricht nicht andeutungsweise dem, was mir vorschwebte: eine Art Entspannung herbeizuführen und die Gruppe, wenn auch versteckt, zur Aufgabe aufzufordern. Ich gebe zu, dass ich das Ausmaß an Demagogie, die ich heraufbeschwören würde, nicht ermessen habe."
Damit war der Höhepunkt der Aufregung allerdings noch nicht erreicht: Am 1. Juni 1972 - am gleichen Tag, an dem in einer Großfahndung die RAF-Mitglieder Baader, Raspe und Meins verhaftet wurden - durchsuchen Polizisten Bölls Haus in der Eifel nach Terroristen.
Fahndungsbilder der Polizei von Ulrike Meinhof.