Zum Tode von Terry Callier:Candyman des Folk

Erst 30 Jahre nach seinem ersten Album wurde er so berühmt, wie man es von Anfang an erwartet hätte: Der Folkjazzsänger Terry Callier tingelte zu Beginn der Sechzigerjahre durch die Jazzclubs Chicagos, nach 1991 nahm er Platten mit Massive Attack auf.

Andrian Kreye

Es gibt Stimmen, die erst viel später den Nerv der Allgemeingültigkeit treffen. Das erklärt auch, warum der am vergangenen Sonntag in Chicago verstorbene Folkjazzsänger Terry Callier erst dreißig Jahre nach seinem ersten Album so weltberühmt wurde, wie man das eigentlich schon zu Beginn seiner Karriere von ihm erwartet hätte. Nun war er als schwarzer Folksänger im Amerika der Sechzigerjahre zwar ein Außenseiter, der nicht in die gängigen Formate passte. Seine ganze Biografie gehört eigentlich in die Tradition der "Race Music". Seine Kindheitsfreunde Curtis Mayfield und Jerry Butler hatten es da leichter. Die wurden Stars im Soul.

Aufgewachsen war Callier in den Cabrini Green Housing Projects von Chicago, einer der berüchtigten Sozialbauanlagen Amerikas. In diese Welt passte kein sensibler Knabe mit akustischer Gitarre, Jazztimbre in der Stimme und Liedern, die so melancholisch waren, dass sie sensiblen Menschen die Tränen in die Augen treiben.

Angefangen hatte er mit Doo Wop und Blues. Mit 17 machte er erste Probeaufnahmen, sollte mit Muddy Waters und Etta Jamesa auf Tour. Sein Mutter schickte ihn stattdessen aufs College. Dort entdeckte er Folk und Jazz. Zu Beginn der Sechzigerjahre tingelte er dann durch die Coffee Houses und Jazzclubs von Chicago. 1968 erschien "The New Folk Sound of Terry Callier" auf dem Jazzlabel Prestige.

Während der nächsten zehn Jahre nahm er noch fünf weitere Alben auf, die sich mal sparsam instrumentiert, mal üppig mit Orchestern arrangiert irgendwo zwischen Jazz, Soul und Folk bewegten. Doch die Instrumentierung war eigentlich egal. Seine Stimme, seine Melodieführung, seine Songs wie "Ordinary Joe" oder "You're Gonna Miss Your Candyman" waren einzigartig. Da vermischte sich die Aufbruchsstimmung, die der Folk in der Schlichtheit alter Gassenhauer fand, mit der brüchigen Melancholie von Soulballaden und der samtigen Phrasierung des Modern Jazz.

Vom Musiker zum Techniker und zurück

Es kam alles anders. Callier verlor seinen Plattenvertrag. Gleichzeitig bekam er das Sorgerecht für seine Tochter. Er lernte, Computer zu programmieren und heuerte bei der University of Chicago als Techniker an. Über zehn Jahre lang spielte er kaum Musik. Dann: 1991 ein Anruf aus London. Die DJs hatten ihn entdeckt. In seinen Songs und seiner Stimme fanden sie genau jene distanzierte Melancholie, welche gut zu der britischen Club-Elektronik passte, die sich gerade von den harten amerikanischen Vorbildern emanzipierte.

In den nächsten Jahren tourte Terry Callier wieder. Er nahm Platten mit Beth Orton und Massive Attack auf. Als die Universität sein Doppelleben entdeckte, wurde er gefeuert. Danach lebte er erstmals nur und gut von seiner Musik.

Er wurde 67 Jahre alt.

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