Wettbewerb:Zukunftsmusik

Wettbewerb: Nonlineare Selbstsuche: Robson Tavares in "Short-lived".

Nonlineare Selbstsuche: Robson Tavares in "Short-lived".

(Foto: Johannes Seyerlein)

Der Giesinger Kulturpreis prämiert neue Ideen für Musical und Oper

Von Rita Argauer

Es ist schon schwierig, zwei Pianisten zu vergleichen und zu bewerten; auch, wenn sie kurz nacheinander das gleiche Stück spielen. Zum Giesinger Kulturpreis hatte nun das Kulturzentrum Giesinger Bahnhof in Kooperation mit der Kulturstiftung der Versicherungskammer Bayern aber einen Wettbewerb ausgerufen, der ganz andere Hürden parat hielt. Das Thema der diesjährigen Ausschreibung: "Mjunik Mini Musical". Die Aufgabe: Ein 15-minütiger Vorschlag zur Zukunft des Musicals und/ oder der Oper, unter der Voraussetzung des Pop-Art-Begriffs "Trash". Hohe Kunst in Miniaturform, die sich gleichzeitig auf Andy Warhols berühmte "15 Minutes of Fame" bezieht. Oder Musiktheater, das seinen Unterhaltungswert in Form und Ausdruck spiegelt. Fünf Produktionen schafften es ins Finale, das im Foyer der Versicherungskammer in Giesing ausgetragen wurde. Fünf Produktionen, die aber so unterschiedlich, eigen, witzig und abstrus sind, dass sie kaum zu vergleichen sind.

Da gibt es zum Beispiel die Punk-Oper "Inside Out". Ein junges Produktionsteam um drei Sänger aus Mexiko, die an der Münchner Musikhochschule studieren und den Komponisten Alexander Mathewson, der, unterstützt von Schlagzeug und Bass, auch noch Klavier spielt. Protagonistin Wendy wacht eines Morgens als Punk Wanda auf, und dann rumpelt es irgendwo zwischen Kafkas "Verwandlung" und "Freaky Friday" mit hysterischem Sopran, Metal-Riffs und Lounge-Jazz-Klavierparts los. Anstrengend, aber auch erfrischend, in dem Versuch mit Anarcho-Spirit E- und U-Musik zu vereinen.

Der Münchner Komponist Johannes X. Schachtner hingegen suhlt sich zusammen mit dem Bariton Peter Schöne in musikalischer Bildungsbürgerlichkeit, in dem die beiden das deutsche Volkslied "Kommt ein Vogel geflogen" vom romantischen Sehnen über den Schlager der Zwanzigerjahre zum Minimalismus der Post-Weltkriegs-Moderne ziehen, um schließlich bei Helene Fischer anzukommen. Ein etwas gelackter Blick auf den Trash der Jahrhunderte. Anschließend gibt es die beiden Kunstfiguren "Jacqui und Chrizy", famos in Szene gesetzt von Johanna Gagern und Antje Lea Schmidt, als bildungstechnisch eher beschränkte, aber hoch ambitionierte Freundinnen auf der Suche nach Bühneneuphorie. Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis, verdientermaßen, auch wenn die Comedy-Performance mit der Form der Oper oder des Musicals am wenigsten gemein hat.

Die Vergabe der zwei Jury-Preise hingegen ist ein Kompromiss zwischen persönlich-berückender Theater-Erfahrung und den Genre-Vorgabe der Ausschreibung: Den zweiten Preis bekommt Caitlin van der Maas' intime Alzheimer-Sprach-Sanges-Studie "Short-lived". In reduzierter Regie gewährt Sänger Robson Tavares zu Loops und Geräuschen seiner eigenen Stimme vom Band (komponiert von Tom Smith) Einblick in die erschreckende Anschlusslosigkeit der Gedanken eines erkrankten Gehirns. Ausgezeichnet ist das, aber trashig in keiner Weise. Der erste Preis würdigt dann genau dieses Genre: "Sauer Kraut Ehre Ruhm" von Olaf Becker mit dem britischen Countertenor Christopher Robson und der Pianistin Masako Ohta ist eine überdrehte "Iron Sky"-Abwandlung, in der anstatt der Nazis hinterm Mond, Magda Goebbels auf dem Mars ihre Nachkommen ausbrütet, aus denen dann, zurück auf der Erde, die Popstars des 20. Jahrhunderts werden.

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