TV-Kritik: Meine Heimat Afrika:Verstörend niveaulos

An einem Film über Afrika zeigt sich die Sinnlosigkeit von Degeto-Produktionen für die ARD: "Meine Heimat Afrika" mit Christine Neubauer ist ein Albtraum.

Michael Bitala

Als deutscher Fernsehzuschauer muss man über Afrika nicht allzu viel wissen. Außer vielleicht, dass der Kontinent kein Land ist (George W. Bush: "Africa is a beautiful country"), sondern aus 53 sehr unterschiedlichen Staaten besteht. Man sollte sich auch keine allzu großen Sorgen machen, von München, Berlin oder Stuttgart aus werden die Probleme, die der Erdteil hat, auch nicht gelöst.

TV-Kritik: Meine Heimat Afrika: Schlechter als Privatfernsehen: Christine Neubauer und Chris April in "Meine Heimat Afrika".

Schlechter als Privatfernsehen: Christine Neubauer und Chris April in "Meine Heimat Afrika".

(Foto: Foto: ARD/Degeto/Peter Evers)

Sorgen sollte man sich eher um das deutsche Fernsehen machen, genauer gesagt um die Filmschaffenden in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Seit geraumer Zeit fallen diese nämlich über den Kontinent her. Ob Iris Berben, Jutta Speidel oder Christine Neubauer, ob Afrika, mon amour, Für immer Afrika oder Mein Traum von Afrika - der Kontinent ist für das deutsche Fernsehen zur Sehnsuchtslandschaft geworden. Statt Schwarzwald gibt's nun Schwarzafrika, wobei zumindest im Schwarzwald einst noch Einheimische zu Wort kamen.

Wenn nun an diesem Dienstag Christine Neubauer erneut für die ARD in Namibia aufschlägt, um gleich mal den ganzen Kontinent in Beschlag zu nehmen (der Film heißt Meine Heimat Afrika), dann muss man das Offensichtliche gar nicht mehr kritisieren. Das andere ist nämlich noch viel schlimmer: Afrika dient nur als Kulisse für weiße Schmonzetten? Geschenkt. Afrikaner sind nur Staffage? Ebenso geschenkt. In Namibia gibt es gefährliche Schlangen? Ist so. Taxifenster lassen sich nicht schließen, weil sie kaputt sind? Kommt vor. Ein Weißer setzt sich zeitlebens für die Rechte der Ureinwohner ein, weil sie sich selbst nicht helfen können? Soll es schon gegeben haben.

Nein, es geht nicht darum, dass Afrika als Projektionsfläche für Sehnsüchte hergenommen wird, dagegen ist nichts zu sagen, die ganze Tourismusindustrie des Kontinents lebt davon. Und keiner erwartet auch im Unterhaltungsprogramm ein Dokudrama über den Genozid in Ruanda oder über den ewigen Krieg im Ostkongo. Wer so gegen Afrika-Unterhaltungsfilme argumentiert, versteht das Fernsehgeschäft nicht.

Es geht um etwas anderes. Es geht darum, wie schlecht diese und viele andere Degeto-Produktionen sind. Würde man das Niveau als unterirdisch bezeichnen, wäre das zu hoch gegriffen. Das lässt sich allein schon an "Meine Heimat Afrika" belegen - wenn man diesen Film mit der RTL-Produktion "Ausgerechnet Afrika" vergleicht, die am 4. Januar zu sehen und hiermit ausdrücklich als gute Unterhaltung empfohlen ist.

Auch in "Ausgerechnet Afrika" werden viele Stereotypen des Kontinents bedient. Weiße leiten eine Buschklinik, in der viele, viele arme Afrikaner notdürftig versorgt werden. Es ist das einzige Hospital weit und breit, und Medikamente sind Mangelware. Eine deutsche Ärztin hat sich vor sechs Monaten dazu entschieden, in dieses Krankenhaus zu gehen, um endlich eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Ihr Ehemann, der Chefarzt ist, bleibt zurück und bereut dies schließlich bitterlich. Also fliegt er auch in die Savanne, um seine verlassene Gattin am Hochzeitstag zu überraschen. Die aber hat schon längst einen anderen Buscharzt (Holländer) als Liebhaber, und schon nimmt das Drama seinen Lauf.

Das ist sicherlich kein besonders ausgeklügelter Plot, aber die Schauspieler können schauspielen, die Dialoge sind teils intelligent, teils witzig, und außerdem kennt sich der Autor Jens-Frederik Otto zumindest auf dem Kontinent aus.

Das zeigt sich schon an winzigen Szenen. Zum Beispiel, wenn der Ehemann den Champagner durchs Zimmer spritzt, und seine Ehefrau sich nicht darüber freuen kann - weil sie weiß, dass ihr Bett dann am nächsten Morgen voller riesiger Ameisen sein wird.

Aber, und das ist das Überraschende: Der Film hat nicht nur grandiose Landschafts- und Tieraufnahmen, er ist auch unterhaltsam und spannend. Und es kommen echte Einheimische vor, die Kisuaheli oder andere afrikanische Sprachen sprechen. Sie treten als Ärzte, Helfer, Taxifahrer und natürlich auch als Kranke auf. Aids ist hier zwar ein Problem, aber auch Diabetes, und das ist viel näher an der Realität, als man es von einem Unterhaltungsfilm erwarten kann. So muss dann der deutsche Chefarzt ("Ich hasse Afrika!") mit einer rostigen Säge gleich zwei Mal Beine amputieren.

Wie gesagt, es ist Unterhaltung, die mit Afrika-Bildern spielt. Aber zumindest muss man sein Gehirn nicht schon vorab ins Nachtkästchen legen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Afrika nicht an Christine Neubauer zugrunde gehen wird.

Schwarzafrika statt Schwarzwald

Die Degeto-Produktion "Meine Heimat Afrika" ist so ziemlich das Gegenteil. Oder deutlicher: Sie ist ein Albtraum. Da landet Christine Neubauer, die erfahren hat, dass ihr Vater viel länger in Namibia lebte, als es ihr die Mutter gesagt hat, auf einem verstaubten Flughafen. Sie blickt auf die Landebahn und sagt: Hier hat mein Vater gelebt. Ob er glücklich war? Ob ihr Vater hier, auf dem Asphalt, glücklich war? Wer lebt schon gerne auf einer heißen Flughafenpiste?

Schon da fragt man sich, ob es bei der Degeto irgendjemanden gibt, der den Film ansieht, bevor er in der ARD ausgestrahlt wird (es soll ja der Degeto-Chef persönlich sein, Wolfgang Jurgan, ein vollbärtiger Mann, der sich gefällt mit dem Satz: "Wir verkaufen Träume und Märchen").

Aber es bleibt ja nicht bei diesem Ausrutscher. Der ganze Film - das Drehbuch schrieben Susanne Beck und Thomas Eifler - ist voller grausamer Dialoge und grausamer Handlungsstränge. "Seit du in Afrika bist, bist du völlig verändert", sagt mehrmals Christine Neubauers Filmgatte. Und als Zuschauer nimmt man das durchaus mit Sorge zur Kenntnis - auch wenn die Schauspielerin genauso matronenhaft durchs Bild wackelt wie zuvor in München.

Da fehlt nur noch das Baströckchen

Wie die bayerische Mama Afrika stapft sie mit einem Ureinwohner, der perfekt Deutsch spricht, über die Dünen, und nachdem sie immer wieder voller Freude festgestellt hat, dass Afrika in ihr Kräfte freilegt, die sie in Deutschland nicht verspürte - aus welchen Gründen auch immer -, sieht man sie schon breitbeinig auf dem Dünenkamm stehen und "Ich bin Mutter Erde" in die leere Namib-Wüste schreien. Das, zum Glück, haben sich die Drehbuchautoren verkniffen. Dafür wird ihr dann das Gesicht von echten Afrikanern bunt bemalt, und sie darf an einer traditionellen Zeremonie teilnehmen, bei der ebenfalls perfekt Deutsch gesprochen wird. Da fehlt dann nur noch das Baströckchen.

Am Ende der RTL-Produktion "Ausgerechnet Afrika" freut man sich, dass man für deutsche Fernsehverhältnisse einen recht kurzweiligen Film gesehen hat, am Ende von "Meine Heimat Afrika" weiß man nicht, worüber man mehr unglücklich sein sollte. Darüber, dass man für dieses sinn- und verstandfreie Werk mit seinen GEZ-Gebühren beigetragen hat, oder darüber, dass man 90 Minuten Lebenszeit vergeudet hat.

Die größte Frage aber ist: Warum traut sich RTL, einen Film zu zeigen, auch wenn er voller Stereotype ist, in dem Afrikaner afrikanische Sprachen sprechen, in dem Bilder von Erkrankungen zu sehen sind und in dem man wirklich merkt, dass der Autor, der Regisseur und der Produzent den Zuschauern etwas zumuten wollen - und wenn es intelligente Dialoge sind?

Und warum bieten ARD und Degeto Filme an, die so verstörend schlecht sind - auch wenn sie Milliarden an Gebühren zur Verfügung haben? Als der duale Rundfunk einst eingeführt wurde, gab es die Befürchtung, dass das werbefinanzierte Privatfernsehen die Menschen verblödet. Heute muss man sich vor allem vor der ARD und der Degeto fürchten.

Aber zumindest ein Trost bleibt: Afrika ist groß und geduldig. Es hat schon viele Rufmorde, Angriffe und anderen Unsinn ertragen. Auch an Meine Heimat Afrika wird der Kontinent nicht zugrunde gehen.

Meine Heimat Afrika, ARD, 20.15 Uhr.

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