Thomas Gottschalk zum Gala-Eklat:"Gewisse Logik"

Thomas Gottschalk im SZ-Gespräch über sein gelungenes Krisenmanagement bei der Gala des Deutschen Fernsehpreises und warum er Verständnis für Marcel Reich-Ranickis Wut hat.

Christopher Keil

SZ: Herr Gottschalk, noch in der Nacht der Fernsehpreis-Verleihung entschied ZDF-Intendant Markus Schächter, die Samstagabend aufgezeichnete Zeremonie Sonntagabend so auszustrahlen, wie sie sich entwickelt hat - mit und nach der Brandrede von Marcel Reich-Ranicki. Sie werden als Gewinner des Deutschen Fernsehpreises gehandelt mit Ihrem Krisenmanagement.

Thomas Gottschalk zum Gala-Eklat: Gelungenes Krisenmanagement: Thomas Gottschalk versteht Marcel Reich-Ranickis Reaktion, bringt den richtigen Vorschlag - und am Ende umarmt ihn der Literaturpapst.

Gelungenes Krisenmanagement: Thomas Gottschalk versteht Marcel Reich-Ranickis Reaktion, bringt den richtigen Vorschlag - und am Ende umarmt ihn der Literaturpapst.

(Foto: Foto: AP)

Thomas Gottschalk: Ja? Das ist schön. Die Veranstaltung hätte zusammengeschnitten nicht mehr so funktioniert.

SZ: Reich-Ranicki sollte als Ehrenpreisträger am Ende dran sein, doch mittendrin drohte er, den Saal zu verlassen. ZDF-Chef-Schächter eilte hilfesuchend hinter die Bühne: zu Ihnen.

Gottschalk: Ich habe sofort entschieden, wir stellen um. Wäre der Ehrenpreisträger stiften gegangen, hätten wir einen echten Skandal gehabt. Dass Reich-Ranicki es aber ablehnen würde, den Ehrenpreis anzunehmen, damit hatte ich allerdings keine Sekunde gerechnet. Andererseits steckt in der Ablehnung eine gewisse Logik: Wenn er eine halbe Stunde lang eine wild gewordene Horde Teenager sieht, Atze Schröder in einer weißen Paradeuniform, Richterin Salesch und zwei Köche mit idiotischen Texten erleben muss, ist es für ihn in der Tat konsequent zu entscheiden: Ich habe hier nichts verloren.

SZ: Sie wurden immer ruhiger, je stärker sich der 88-jährige Literaturkritiker wegen des Mangels an Qualitätsfernsehen in Rage redete. Mancher dachte anfänglich an einen inszenierten Gag.

Gottschalk: Meine Frau zum Beispiel, die inzwischen an die amerikanischen Comedy gewöhnt ist. Sie wartete darauf, dass er irgendwann die Kurve kriegen würde.

SZ: Stattdessen schimpfte er geradeaus. Kurioserweise applaudierten alle Senderchefs in diesen Minuten. Was brachte Sie auf den rettenden Einfall, ein Spezial im ZDF auszuloben, in dem Sie mit Reich-Ranicki über Literatur und Bildung sprechen?

Gottschalk: Ich wurde hinterher gefragt, ob man mir das über den Knopf im Ohr zugerufen habe. Eines dieser Dinger, mit denen man von der Regie ferngelenkt wird, habe ich noch nie getragen. Als mir klar wurde, dass es keine Preisverleihung, sondern eine Preisablehnung werden würde, schlug ich ihm vor, sich als Fernsehpreisträger umgehend an dem System zu rächen, an dem er so verzweifelt. Er hat auch schon zugesagt. Wir wollen das Gespräch so schnell wie möglich aufzeichnen und noch in dieser Woche senden.

SZ: Die versammelte Branche hat Sie plötzlich wieder entdeckt als schlagfertigen, gegenwärtigen, witzigen Entertainer. Warum fällt das bei 'Wetten, dass ...?' nicht häufiger auf?

Gottschalk: Ich kann mir doch solche Momente nicht schnitzen. Natürlich könnte das ZDF sagen, wir lassen den Gottschalk unvorbereitet auf Gäste und Wetten los. Es würde lustiger werden, aber am Ende stünde doch nur: Gottschalk war nicht vorbereitet. Wir haben heute ein anderes Fernsehverständnis. Die produzierte Reality ist erfolgreicher als die Wirklichkeit. Daran kann ich nichts ändern, wenn aber wirklich mal etwas Unvorhergesehenes passiert, laufe ich zu Hochform auf.

SZ: Viele wissen das nicht mehr, sind Sie besorgt?

Gottschalk: Ich werde mittlerweile sehr unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt da eine Internetbande, die in Jubel ausbricht, wenn Stefan Raab rülpst und das für eine große Unterhaltungsleistung hält. Wenn ich aber Rilke zitiere, wird das immer noch als anzüglicher Herrenwitz interpretiert. So ist das halt, ich kann damit leben.

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