Spurensuche:Wetter von gestern

Spurensuche: Was, wenn diese Wälder abgeholzt werden? Eine bukolische Landschaft aus dem 18. Jahrhundert.

Was, wenn diese Wälder abgeholzt werden? Eine bukolische Landschaft aus dem 18. Jahrhundert.

(Foto: Imago/Leemage)

Die Einsicht, dass die Handlungen der Menschen das Klima verändern, hatte schon das 18. Jahrhundert.

Von Gustav Seibt

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen nach wieder- kehrenden Motiven. Die Einsicht, dass die Handlungen der Menschen das Klima verändern, hatte schon das 18. Jahrhundert.

Gibt es von Menschen verursachten Klimawandel? Oder gehören Heiß- und Eiszeiten, Dürren und Fluten zum Naturschicksal des Planeten, dem vorzubeugen gar nicht lohnt? Wie der Mensch von Klima abhänge, das hatten schon antike Wissenschaftler wie Hippokrates analysiert. Die Aufklärung machte eine Staatstheorie daraus: Hitze und einförmige Wüsten seien günstig für Despotien, gemäßigte Klimata und gegliederte Landschaften dagegen für freie Verfassungen: Orient - Okzident!

Dass der Ursachenzusammenhang auch umgekehrt sein könne, wurde eine Überlegung vor allem im deutschen Geschichtsdenken des späten 18. Jahrhunderts. Der Göttinger Universalhistoriker August Ludwig von Schlözer schrieb in seiner "Vorbereitung zur Weltgeschichte für Kinder" 1779: "Da wo viele Wälder sind, ist der Boden immer feucht, denn die trocknende Sonne kann nicht durch die dichten Bäume dringen. Und wo immer feuchter Boden ist, da ist auch die Luft nass, kalt und nebelig. Werden aber die großen Waldungen ausgehauen, so kann die Sonne auf den Boden scheinen, folglich wird dieser trocken. Das Ausdünsten hört nunmehr auf, die Luft wird warm und die Sommer immer länger. Folglich werden alsdann auch die Flüsse nicht mehr, oder doch nicht so lange mehr, zufrieren." Schlözer nannte dafür historische Daten: Noch zu Vergils Zeiten sei in Italien der Wein im Fasse gefroren!

Auf Schlözers Spuren widmete Johann Gottfried Herder 1785 ein ganzes Buch seiner "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" der Wechselwirkung zwischen Mensch und Klima. "Nun ist keine Frage", heißt es da, "daß, wie das Klima ein Inbegriff von Kräften und Einflüssen ist, zu dem die Pflanze wie das Tier beiträgt und der allen Lebendigen in einem wechselseitigen Zusammenhange dienet, der Mensch auch darin zum Herrn der Erde gesetzt sei, daß er es durch Kunst ändre." Am Ende der zivilisatorischen Entwicklung sah Herder die vollständige Unterjochung des Klimas unter den Menschen voraus: "Wir können also das Menschengeschlecht als eine Schar kühner, obwohl kleiner Riesen betrachten, die allmählich von den Bergen herabstiegen, die Erde zu unterjochen und das Klima mit ihrer schwachen Faust zu verändern." Begonnen habe alles mit dem Feuer. "Wie weit sie" - also wir Menschen - "es darin gebracht haben mögen, wird uns die Zukunft lehren." Diese Zukunft ist inzwischen da.

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