Serie zu den Filmkunstwochen:Voller Einsatz für das Viertel

Rottmann

Das "Rotti", wie Thomas Wilhelm sein Kino in der Maxvorstadt nennt, war einst Gastarbeiterkino. 2001 wurde es renoviert, der Charakter blieb.

(Foto: Lukas Barth)

Mainstream mit Anspruch: Thomas Wilhelm und sein "Neues Rottmann"

Von Karen Bauer

Lieber Popcorn als Chips. Süß, nicht salzig. Und dazu einen Bond-Film, einen Thriller oder eine Komödie - Hauptsache, prominent besetzt und gerne mit Happy End. Thomas Wilhelm weiß, was er auf der Leinwand sehen will. Kino ist seine Leidenschaft - aber es ist auch sein Geschäft. Schon als Kind verkaufte er Tickets im Kino seiner Eltern in Solln. Später betrieb er ein Kino in Straubing, kehrte dann in die Großstadt zurück und leitet heute drei Programmkinos in München.

Wie ein Seebär sieht Wilhelm aus: gebräunte Haut, blonder Dreitagebart, blau-weiß geringeltes T-Shirt. Beim Gedanken an früher lächelt er versonnen und erzählt: "Mal ist der Film gerissen, dann wieder hat ein Stück gefehlt, wenn eine Rolle allzu oft repariert wurde." Doch der guten alten Zeit nachzutrauern, ist seine Sache nicht. Thomas Wilhelm schaut nach vorne und macht seine Kinos fit. Längst projiziert er in allen drei Häusern digital: "So hat Kino eine bessere Tonqualität, kann die ganze Dynamik des Mischpults wiedergeben." Alle drei Kinos besetzen Nischen: Das Rex habe in den Siebzigerjahren als einziges von sieben Stadtteilkinos in Laim überlebt, erzählt Wilhelm stolz. Gerade wird es renoviert. Nach dem Umbau kann es mit zwei Kinosälen mit Top-Akustik aufwarten: "Dank all der Bauauflagen habe ich dann eine kleine Elbphilharmonie - oder vielmehr Isar-Philharmonie." Das Cincinnati in Giesing hingegen ist dank seiner Größe mit 400 Plätzen perfekt geeignet für Kinohits und Kassenschlager wie "Herr der Ringe" oder "Harry Potter".

Das Neue Rottmann, das Thomas Wilhelm auf den Ordnern in seinem Büro liebevoll "Rotti" nennt, liegt zentral in der Maxvorstadt, gut erreichbar für Besucher der Filmkunstwochen. Ganz neu ist es nicht mehr, das Neue Rottmann. Wände, Vorhänge, Kinosessel: Der Traum aus rotem Samt ist an der einen oder anderen Stelle ein wenig abgewetzt, was dem Retro-Charme aber nur zuträgt. Nach dem Krieg wurde das Haus in der Rottmannstraße samt Kino neu gebaut. Mitte der Sechziger war es für einige Zeit Gastarbeiterkino: Türkische, italienische und spanische Filme in Originalsprache zogen die Gastarbeiter aus Südosteuropa als Zuschauer an. 2001 übernahm Thomas Wilhelm das Kino und ließ es renovieren, ohne dabei den Charakter zu verändern. So strahlen die goldenen Messinglampen wie eh und je. Und die Atmosphäre im Kinosaal mit 172 Plätzen ist noch immer gemütlich und familiär.

Für die Filmkunstwochen hat Wilhelm zurückgeblickt: Welche Filme haben das Kinojahr geprägt und gehören noch einmal auf die Leinwand? Durch Mainstream-Filme mit Anspruch hebt sich sein Programm von den eher auf Filmkunst gepolten Arthouse-Kinos in der Nachbarschaft ab. So spielt Wilhelm in diesen Sommerwochen etwa die Hitler-Satire "Er ist wieder da", die durch hintersinnigen und bitterbösen Humor auffällt und bei der Wilhelm selbst sich den einen oder anderen Lacher verkneifen musste. Aber auch die politisch ambitionierte Mockumentary "Taxi Teheran" oder die Verfilmung des Bestsellers "Die dunkle Seite des Mondes" stehen auf dem Programm. Mit Filmklassikern hingegen können kleine Kinos wie das Neue Rottmann heute nicht mehr punkten, glaubt er. ",Vom Winde verweht' lief heute schon oft im Fernsehen, oder die Leute haben den Film auf DVD." Sein Credo: "An Schönheit sterben will ich nicht." Wilhelms Kinos müssen rentabel sein. Bei der Programmauswahl setzt er, der selbsternannte "Dino" im Kinogeschäft, deswegen auch auf Rahmenprogramm: "Der Zuschauer will heute ein Event haben." Eine große Leinwand allein reicht da nicht mehr aus. So schleuste Wilhelm mit "Nicht alles schlucken" einen Dokumentarfilm über Psychopharmaka in die Filmkunstwochen. Im Anschluss an die Vorstellung konnten die Besucher mit dem Co-Regisseur Piet Stolz und Stephan Mirisch, dem Leiter einer Tagesklinik für psychisch Kranke, über die Gute-Laune-Pillen diskutieren. So wird aus dem Kinobesuch ein abendfüllendes Event.

Wenn der Saal voll ist und Wilhelm hinterher die glücklichen Gesichter sieht, dann ist er zufrieden. Oft bedankten sich Besucher bei ihm dafür, dass er weitermacht. Aber das funktioniert nur als Symbiose: "Kleine Kinos können nur bestehen, wenn die Leute hingehen."

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