Schweden:Schuldfrage

Eine tote Schauspielerin und der Selbstmord eines Theaterdirektors: Schweden diskutiert zwei Tote im Umfeld der "MeToo"-Debatte.

Von Thomas Steinfeld

Am vergangenen Freitag strahlte der staatliche schwedische Fernsehsender eine Dokumentation zu Leben und Sterben der Schlagersängerin Josefin Nilsson (1969 bis 2016) aus. Diese hatte es in den Neunzigern als Mitglied des Gesangsquartetts "Ainbusk" (zuerst "Ainbusk Singers") und später auch als Solistin zu nationaler Berühmtheit gebracht. Wenn nun diese Sendung seitdem die schwedischen Zeitung bewegt, liegt das weniger an der Schilderung einer Karriere, zu der vor allem Benny Andersson (Abba) beitrug, sondern an der intimen Beschreibung eines physischen und psychischen Missbrauchs, dem Josefin Nilsson durch ihren Liebhaber ausgesetzt war. Dieser Missbrauch, suggeriert die Dokumentation, habe zum frühen Tod der Sängerin geführt. Der Liebhaber, ein ebenfalls national bekannter Schauspieler, wurde 1998 wegen Misshandlung zu drei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Seit Ausstrahlung des Films wird in Schweden eine heftige Debatte darum geführt, wie mit dem Mann heute umzugehen sei. Bislang wird sein Name in den Medien nicht genannt. Doch brach das Königliche Theater ("Dramaten") schon alle Verbindungen zu dem Schauspieler ab. Zwei Vorstellungen wurden abgesagt. Die Kulturministerin wird mit der Direktion des Theaters ein Gespräch über den Umgang mit potenziell gewalttätigen Mitarbeitern führen. Vor "Dramaten" kam es zu einer Demonstration. In den sozialen Medien wird unterdessen, unterstützt durch lange Unterschriftenlisten, gefordert, den Namen des Mannes zu nennen. Eine solche Veröffentlichung würde vermutlich auf ein Ende seiner beruflichen Existenz hinauslaufen - was von vielen Unterstützern der Kampagne offenbar als willkommene Korrektur eines allzu schwachen Urteils empfunden würde. Noch wehren sich die schwedischen Zeitungen, und sie tun es umso mehr, als die Boulevardzeitung Aftonbladet vor zwei Wochen eine schwere Rüge des schwedischen Presserats erhielt: Nach falschen Anschuldigungen der Zeitung im November 2017, der Intendant des Stadttheaters Stockholm habe eine Schauspielerin zu einer Abtreibung gezwungen, war dieser von seinen Ämtern zurückgetreten und hatte im März 2018 Suizid begangen. Indessen wird die Zurückhaltung der Zeitungen wohl in dem Maße überflüssig werden, wie der Name über das Internet verbreitet wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: