Porträt:Es gärt in der Wohlfühlblase

Im vergangenen Jahr stieg der Gitarrist Nick McCarthy bei "Franz Ferdinand" aus. Zusammen mit seiner Frau hat er jetzt die Band "Manuela" gegründet und ein Album aufgenommen, das in der Roten Sonne vorgestellt wird

Von Michael Zirnstein

Wenn es nun heißt, Manuela sei für Nick McCarthy die nächste große musikalische Liebe nach Franz Ferdinand, muss man dies relativieren. Es gab Manuela schon vor Franz Ferdinand. Der Engländer Nick McCarthy und die Österreicherin Manuela Gernedel wuchsen im Chiemgau auf, wo sie sich irgendwann auf einer Party kennen und lieben lernten. Zur Jahrtausendwende schlossen Gernedel die Schule und McCarthy das Konservatorium fast gleichzeitig ab. Sie zog es zum Kunststudium an der Glasgow School of Art, und nachdem er ein Projekt mit seiner Münchner Band Kamerakino beendet hatte, zog es ihn zu ihr. Die britische Kreativszene brodelte damals in Glasgow, nur McCarthy fand keinen rechten Anschluss. Seine Freundin fasste den Plan, dies zu ändern, sprach mit einer Kommilitonin, und die sagte: "Kommt nächste Woche zu dieser Party . . ." Dort lernte McCarthy seine künftigen Band-Partner kennen - der Rest ist Indierock-Geschichte. Fest steht: Ohne Manuela hätte es Franz Ferdinand nie gegeben.

Und jetzt, ohne Franz Ferdinand, gibt es Manuela. Nach 15-jährigem Touren und Welthits wie "Take Me Out" stieg der Gitarrist 2016 aus seiner Erfolgsgruppe aus, vorerst, um mehr Zeit mit seiner Frau und den Kindern zu verbringen. Und um all die künstlerischen Ideen anzupacken, die im Band-Apparat unter die Räder gekommen waren. Auf einmal war Zeit, ein paar Stücke aufzunehmen, an denen er zusammen mit seiner Frau schon länger herumbastelte. "Wir hatten das vor Jahren schon mal probiert", erinnert sich Gernedel, "waren uns aber immer wieder in die Haare geraten: Der eine wollte so, der andere so."

Bei Box Codax, McCarthys bisher erfolgreichstem Nebenprojekt, hatten sie noch einen ausgleichenden Dritten dabei. Aber nun, im neuen Anlauf und mit mehr Ruhe, "funktionierte es plötzlich", sagt die Sängerin. Die Vertrautheit der beiden, auch die Freiheit, "kein Blatt vor den Mund" nehmen zu müssen, führt zur einer nahezu sinnlichen musikalischen Harmonie in den Stücken, die immer mehr wurden, die sie zum Teil auf ihrem Hof in Bad Endorf entwickelten, die sie dann in McCarthys Studio in London schliffen, und die nun ein ganzes Album füllen (erschienen beim Münchner Label Schamoni Musik). Musikalisch könnte man das wie in den Siebzigern Easy Listening nennen, oder wie heutzutage Dreampop mit etwas Jazz, Funk und Blues. Ihre Stimme fiept einem verliebt und verträumt ins Ohr, ganz nah, er streichelt mit der Stromgitarre zurück, kratzt auch mal neckend, doch alles ist auf Daunen gebettet, manchmal kristallklar, manchmal wabernd wie durch ein Aquarium betrachtet. Dann, etwa in "Silent Dome", treiben die Wände der Wohlfühlblase die Harmonien zurück, diese durchkreuzen sich, verzerren, knisternde Spannung baut sich auf, bis die Wellen wieder einheitlich schwingen. "Ich finde es schön, dass man gemeinschaftlich eine Person sein kann", sagt die Band-Namensgeberin Manuela. Muss Liebe schön sein.

Nick & Manuela

Nick McCarthy (2. v. r.) zog seinerzeit mit Manuela Gernedel (Mitte) nach Glasgow. Heute ist sie seine Frau und Namengeberin ihrer gemeinsamen Band.

(Foto: oh)

Doch man spürt eine Spannung, nicht zwischen den beiden, sondern zwischen dem Duo und dem Tumult in der Welt draußen. Sie waren in den vergangenen Jahren, gerade wenn sie in London lebten, wieder viel auf Demonstrationen, sagt Gernedel, gegen Studiengebühren etwa, und als österreichisch-britisches Paar freilich gegen den Brexit. Noch habe sie keine Angst vor der Ausweisung, sagt die Sängerin mit österreichischem Pass. Aber sie kam eben immer gerne zu ihrem zweiten Wohnsitz nach London, "weil dort alle willkommen sind und miteinander leben können. Das ist immer noch so. Aber sollte ich spüren, dass ich da nicht mehr gewollt bin, will ich da auch nicht sein." Es gärt im Wohlgefühl, das spürt man auf dem Album.

Es sind Protestlieder. Der Titel "Cracks in the concrete" spielt auf den Slogan der situationistischen Kunst- und Studentenrevolte der Achtundsechziger an: "Unter dem Pflaster der Strand." Ihre träumerischen Texte transportieren Melancholie, Tristesse und Kulturpessimismus, wie in "Supermarket", in dessen Video Geisterkleider durch ein Second-Hand-Geschäft schweben. Eigentlich hätte sie sich auch ein musikalisch noch mehr als ohnehin schon reduziertes Album vorstellen können, "fast schon eine Spoken-Word-Platte", sagt die Schauspielerin, Malerin, Sängerin. Aber dann sah sie ein, dass diese sanfte Musik des Gatten helfen würde, die Botschaften in die Welt zu bringen.

So schrieb Nick McCarthy etwa "March Against It", ein swingendes Instrumental gegen alles, angelehnt an die Jazz-Protestmärsche der Schwarzen im Süden der USA vor gut 40 Jahren. Das Saxophon darauf - für Gernedel eigentlich "das unerträglichste Instrument der Welt, aber in seiner Aufdringlichkeit eben auch interessant" - spielt ein abgewrackter Freejazzer, den sie zufällig von ihrem Londoner Apartment aus durch dessen offenes Fenster hatten proben hören.

Aus dem Duo Manuela wurde Schritt für Schritt ein Studio-Kollektiv (etwa mit McCarthys langjährigem Produzentenpartner Sebastian Kellig oder dem Franz-Ferdinand-Drummer Paul Thomson) und schließlich eine Live-Truppe. Beim Heimspiel in der Münchner Roten Sonne trommelt Kellig, die indisch-guyana-stämmige Londonerin Sarah Gonputh alias Sarah Bavaria spielt Keyboard, und Polina Lapkovskaja von Pollyester treibt alles gewohnt cool-lüstern mit dem Bass an. Nach dem Konzert legen der Dub-verliebte Seb-I (Kellig) und Ras Hank auf. Beide waren Partner bei McCarthys bisherigem Herzensprojekt Lunsentrio. Dies hat jetzt mächtig Konkurrenz bekommen.

Manuela, Donnerstag, 13. Aprril, 22 Uhr, Rote Sonne, Maximiliansplatz 5

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