Nachruf auf I.M. Pei:Meister des Lichts

Nachruf auf I.M. Pei: Architekt I.M. Pei im Jahr 1985 mit seinem Modell der gläsernen Pyramide vor dem Louvre.

Architekt I.M. Pei im Jahr 1985 mit seinem Modell der gläsernen Pyramide vor dem Louvre.

(Foto: AFP)

Kaum jemand verstand es so gut mit Geometrie und Material zu spielen wie Architekt I.M. Pei. In den 70er Jahren ging er fast bankrott - und lieferte dann einige seiner beeindruckendsten Bauten.

Von Peter Richter

Die gläserne Pyramide im Hof des Louvre: Ist das ein typischer I. M. Pei? Oder ist das nur der bekannteste Bau des Mannes, der vor 102 Jahren als Ieoh Ming Pei in Kanton als Sohn eines chinesischen Bankdirektors zur Welt gekommen war, nahezu sein ganzes Leben aber im Westen verbracht hat, vor allem in New York? In demselben Jahr, in dem er mit Glas, Stahl und betont simpler Geometrie dem Pariser Museum einen eleganten neuen Haupteingang verpasst hatte, wurde nämlich in Manhattan auch sein zackig in die Höhen gestufter Neubau für das Regent-Hotel fertig, das heute Four Seasons heißt und reinster Historismus ist, pures Art déco, der eleganteste amerikanische Dreißigerjahrebau des Jahres 1989. War das ein typischer Pei?

Unmittelbar danach war er aus seiner Architekturfirma Pei, Cobb, Freed & Partners eigentlich ausgeschieden und verbat sich weitere Aufträge in der Regel unter Verweis auf sein Alter. Er war damals allerdings erst 73, und das gab ihm noch drei Jahrzehnte für ein veritables Spätwerk, in dem er allerdings nur noch anfasste, wozu er wirklich Lust hatte, wenn er vorher lange genug gebeten wurde.

Christoph Stölzl reiste damals als Direktor des Deutschen Historischen Museums nach New York, 600 Madison Avenue, um den Meister mit Verweisen auf die Nachbarschaft zu Schinkel für Berlin zu gewinnen, als dessen Enkel-Schüler Pei sich fühlte, seit er bei Walter Gropius in Harvard studiert hatte. So bekam Schlüters barockes Zeughaus um die Jahrtausendwende seinen eleganten Anbau mit der charakteristischen Spindel, die sich ursprünglich noch ein paar Windungen weiter schrauben sollte. War das nun ein typischer Pei?

Man erkennt den Architekten eigentlich auch hier sofort. Vielleicht liegt es an den Spielen mit der Geometrie, an der peniblen Materialität, am feinen Umgang mit dem Licht, dem immer viel gerühmten, - oder eben an der Eleganz, die sich aus all dem ergibt, auch wenn das natürlich nur ein Empfinden ist, das sich schwer objektivieren lässt. Allerdings: Wenn einer Eleganz objektivieren konnte, und zwar ganz buchstäblich, dann I. M. Pei.

Am typischsten und wiedererkennbarsten waren seine Bauten am Ende noch zu der Zeit, als er noch gar nicht selbständig war, sondern direkt nach dem Studium für den New Yorker Immobiliengroßentwickler Zeckendorf reihenweise Hochhäuser in Manhattan errichten durfte. Üblicherweise sahen deren Fassaden nämlich aus wie mit dem Waffeleisen in den rauen Beton gepresst. Er selbst sprach von seiner "Beton-Serie", und verglichen mit der grazilen Feinheit seiner späteren Glas-und-Stahl-Bauten überrascht rückwirkend der muskulöse Auftritt in seinem brutalistischen Frühwerk.

Aber je länger man darauf schaut, desto deutlicher entpuppt sich auch hier die Eleganz aus den Proportionen. Und wenn I. M. Peis sogenannte Silver Towers, die seit 1967 die Grenze zwischen SoHo und dem Greenwich Village markieren, eine Zeit lang als Inbegriff der drohenden Stadtzerstörung durch Modernismus galten, dann kann man das heute, wo hier nicht zuletzt der Lehrkörper der New York University letzten halbwegs bezahlbaren Wohnraum gefunden hat, auch deutlich anders sehen.

Aber natürlich wurde Pei erst danach zu dem Pei, den die Welt auch außerhalb von New York kennt und schätzt, erst als er sich selbständig gemacht hatte mit ein paar Kollegen, auch wenn die ihn nachher fast die Karriere kosteten. Dass aus dem Hancock Tower in Boston, der heute ein Wahrzeichen der Stadt ist, anfangs dauernd die Scheiben aus der Glasfassade platzten, war weder Peis Schuld noch die des Kollegen, der ihn entworfen hatte, sondern schlicht ein Materialfehler. Aber die Sache hätte ihn in den Siebzigern fast ruiniert. Umso strahlender daneben der Karrierestrang als Lieblingsarchitekt all derer, die sich eine Spielart dessen errichten lassen wollten, was man einst Musentempel nannte, nur in modern - allerdings auch wiederum nicht zu modernistisch.

Peis Ostflügel der National Gallery in Washington überzeugte dann sofort sowohl die Freunde der Moderne wie Konservative: ein Ausstellungshaus und zugleich ein Ausstellungsstück aus Tennessee-Marmor, Dreiecksformen und Lichteinfall. Auch in Paris durften selbst die bedenkenträgerischsten Hüter der Tradition bald erkennen, dass Pei ihnen eigentlich astreinen französischen Barock in den Louvrehof gesetzt hatte, geometrisch strenge Gartenbaukunst wie von Le Nôtre, nur halt nicht in Buchsbaum, sondern Glas. So entstand ein typischer Pei am Ende vor allem durch die nicht nachlassende Lernbereitschaft des Architekten.

Es muss rührend gewesen sein, als sich der betagte Feingeist Pei vom Chef des Rolling Stone in die ihm vollkommen fremde Welt des Rock 'n' Roll einweisen ließ, bevor er in Cleveland die Rock 'n' Roll Hall of Fame entwarf. Und er war wirklich schon hochbetagt, als er, der mit einem Bein in den Traditionen seiner chinesischen Herkunft stand und mit dem anderen in der Moderne des Westens, noch ausführlich die Kulturen des Mittleren Ostens zu studieren begann, um seine lange, fruchtbare Karriere mit dem Bau des Museums für islamische Kunst in Doha auf denkbar monumentale Weise abzurunden.

An diesem Donnerstag ist Ieoh Ming Pei in New York gestorben.

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