Neu im Kino: "Abgedreht":Blockbuster-Striptease

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Wir basteln unser eigenes Hollywood: Nach einem Unfall in einer Videothek müssen Jack Black und Mos Def die klassischen Blockbuster-Filme irgendwie neu beschaffen. Geniale Idee: Sie drehen sie nach.

Doris Kuhn

Er ist der König der Kreativen. Als Kind schon hat er nicht nur mit Autos gespielt, sondern sie sich selber gebaut, und ganze Häuserzeilen aus Pappe und Klebeband dazu. Er war später Kunststudent in Paris, in den Achtzigern begann er dann Musikvideos zu drehen, erst privat, für seine eigene Band Oui Oui, dann für die Bands von anderen und für MTV. In die integrierte er die Pappstädte seiner Kindheit, erzählte Geschichten mit Hilfe mannsgroßer Stofftiere oder Lego-Gitarristen, probierte all das aus, was man mit Handarbeit und Einfallsreichtum beim Filmemachen autonom tun kann, ohne sich dem Räderwerk eines SFX-Studios unterzuordnen.

Die Clips reichten von Björk zu Beck, von den Chemical Brothers zu den White Stripes, und sie brachten ihm den Ruf einer unbekümmerten Authentizität ein. Der trägt bis heute, auch durch die Werbespots, die Gondry zwischendurch dreht. Die gehören zu den meistprämierten, kommerziell erfolgreichsten, darunter sind Klassiker wie "Mermaids" oder "Drugstore" für Levi's. Was jedoch seine Kompatibilität mit dem Hollywood-Mainstream angeht - da gilt er als formal zu eigenwillig, inhaltlich zu kompliziert.

Michel Gondry zeigt auch als Spielfilmregisseur noch immer eine Welt zum Selberbasteln. Das ist am augenfälligsten bei seinen Kulissen und Kostümen, bei seinen Gauklertricks und Spielzeug-Requisiten, aber er will in seinen Filmen nicht nur bei der Ausstattung, sondern auch im Plot darauf hinaus, dass sich, genauso wie ihr Erscheinungsbild, auch die Realität selbst von jedem und für jeden verändern lässt.

Bei seinem Film "Eternal Sunshine of the Spotless Mind", mit Charlie Kaufman geschrieben, war es die Erinnerung an die schmerzhaften Momente im Leben, die sich auslöschen ließ. 2006, in "Science of Sleep", war es dann das Fehlen der oft so hinderlichen Grenze zwischen Schlaf und Wachsein, zwischen Traum und Wirklichkeit, wodurch eine Liebesgeschichte entstand. Zwei Filme sind das, in denen es von befremdlichen, befreienden, betörenden Realitätsverschiebungen nur so explodiert.

Mit Staubsauger und Alufolie

Gondry hat also die Möglichkeiten des Dilettantismus wahrgenommen, die in den frühen Achtzigern gepredigt wurden, und hat eine eigene, erfolgreiche Form daraus entwickelt. Damals war es allerdings einfacher, denn es gab noch die alten Privatfilm-Formate wie Super-8, und vor allem die bahnbrechende Neuerung für Do-it-yourself-Artisten: das Video. Diesen eleganten schwarzen Boxen, in denen die Bilder höchst mysteriös auf einem Magnetband festgehalten wurden, welches man notfalls herausfummeln konnte, widmet Gondry jetzt "Be Kind Rewind". Zeit wurde es, dass jemand das mal übernimmt.

Die Geschichte spielt in der Gegenwart, in irgendeinem Kaff in New Jersey. Dort haben Danny Glover und sein Schützling Mos Def einen Videoverleih, einen alten Laden in einem alten Haus, das die Stadtverwaltung dringend abreißen und neu aufbauen möchte, modern, sicher, benutzerfreundlich. Das gibt den Grundton für den Film an, denn während vordergründig ein Witz den nächsten jagt - und das tun sie in ausnehmend inspirierter Form - geht es dahinter um das ganze traurige, allmählich alles erfassende Verschwinden von Unwägbarkeiten, von Lust, von jenem neugierigen Improvisationstalent, das der Gegenentwurf ist zu benutzerfreundlich.

In diesem Videoladen richtet der Hausfreund Jack Black ein Desaster an, für das der legendäre Dr. Frankenstein genauso verantwortlich ist wie eine Aktion der lokalen Stadtguerilla: Er löscht alle Videobänder. Die Kundschaft reagiert empört, Jack Black und Mos Def reagieren wie Superhelden und beschließen, die Filme nachzudrehen. Sie borgen sich eine Videokamera, viel Alufolie und etwas Zeit, und beginnen mit einem Destillat von "Ghostbusters".

Ohne Zaubermäntelchen

Darsteller sind sie selbst, Protonenwaffe ist ein Staubsauger, die Stimmung ist wie beim Kindergeburtstag. Und es geht weiter, mit allen Blockbustern dieser Welt. Die Kunden sind hingerissen, obwohl die Videos jetzt 20 Dollar kosten - weil sie in Schweden hergestellt werden, einem Land, das weit genug weg und seltsam ist.

Wie echte mad scientists beschwören sie - ein kluges Mädchen kam für die Liebesszenen dazu - herauf, wie man mit sehr armseliger Ausrüstung den ganzen Reichtum des Kinos neu erfinden kann. Gondrys Ziel ist es dabei, das Herz der Kinematographie freizulegen, die ja nichts anderes ist als ein Jahrmarktsbetrug. Er schafft es, eine Mischung aus capraesker Sentimentalität und Euphorie herzustellen, bei der man sich nebenher darüber wundern kann, welche Nostalgie inzwischen mit dem Medium Video einhergeht, das dem Stummfilm näher zu sein scheint als der Gegenwart.

Trotzdem fällt "Be Kind Rewind" aus dem Gondry-Universum heraus. Das Wesen der Wirklichkeit ist weniger rätselhaft, der Humor derber, die Handlung stringent. Dafür macht der Film uns ein anderes Geschenk, er zeigt uns etwas, das wir schon immer sehen wollten: Den Hollywood-Mainstream ohne sein Zaubermäntelchen aus Lichtern und Spezialeffekten. Den Blockbuster, nackt.

BE KIND REWIND, USA/FR/UK 2007 - Regie, Buch: Michel Gondry. Kamera: Ellen Kuras. Art Director: James Donahue. Mit: Jack Black, Danny Glover, Mos Def, Melonie Diaz, Mia Farrow, Sigourney Weaver. Senator, 100 Minuten.

© SZ vom 3.4.2008/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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