Mediaplayer:Kunst des Sehens

Ein bayerisches Roadmovie von der B12 bei München, und in rumänischen Gruselklöstern sind vor allem die Radios unheimlich. Die DVD-Tipps.

Von Fritz Göttler

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Marshal Merrick hat Probleme mit den Vätern. Er hat einen alten Mann davor bewahrt, gelyncht zu werden, der soll einen Jungen erschossen haben, den Sohn eines Ranchers. So beginnt "Along the Great Divide/Den Hals in der Schlinge" von Raoul Walsh. Merrick will den Alten in die nächste Stadt bringen, dort soll ihm der Prozess gemacht werden. Merrick hat alle gegen sich, den Rancher mit seinen Cowboys, aber auch die Tochter des alten Mannes, sie will verhindern, dass ihr Vater vor Gericht gestellt wird. Am schlimmsten wird Merrick von den eigenen Erinnerungen gehetzt, die sich in einem Lied zusammenballen. Er wählt den Weg durch die Wüste, und es wird immer einsamer um ihn. Alle warten nur darauf, dass er erschöpft von seinem Pferd gleitet und die Kontrolle verliert. Kirk Douglas ist Merrick, Walter Brennan der boshafte Alte, der ihn mit dem Lied quält. Zum Realismus von Walsh hat Helmut Färber geschrieben: "Walsh verallgemeinert sehr spät. Man sieht etwas, das ist nicht bloß so oder so gemeint. Man sieht, indem man beobachtet, abschätzt, aufpasst, entdeckt, Schlüsse zieht - sich ähnlich verhält wie die Personen in den Filmen selbst. Natürlich ist Sehen auch eine Kunst, wie Zeitunglesen und Leben." (White Pearl)

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Eine amerikanische Kunst ist Geldausgeben. In großem Stil muss Monty Brewster es lernen in "Brewsters Millions/Zum Teufel mit den Kohlen", mehrfach verfilmt, zuletzt 1985 von Walter Hill, mit Richard Pryor. 300 Millionen Dollar wird Brewster, der hartnäckige Baseballspieler aus dem kleinen Hackensack, erben vom Großonkel, den er nie kennenlernte. Aber zuerst muss er beweisen, dass er Geld ausgeben kann, 30 Millionen, aber sinnvoll, nicht verschenkt. Walter Hill, der sonst Western macht in der Tradition von John Ford und Howard Hawks, zeigt, dass er auch Capra kann. So klein ist Hackensack, dass mitten durch sein Spielfeld die Eisenbahn fährt. (Koch Media)

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Ein Roadmovie aus Bayern, von der Bundesstraße 12, 31 Kilometer von München entfernt. Dort befindet sich die Raststätte, von der Christian Lerchs Film "B12 - Gestorben wird im nächsten Leben" erzählt. Dass er sterben will, nörgelt der alte Lenz immer wieder, er ist 89 geworden, man feiert mit Geburtstagskuchen und Schweinekopf. Es steht viel auf dem Kopf in seinem Film, selbst die Fenster werden, als renoviert wird, verkehrt eingesetzt. Nur die Zeugen Jehovas sorgen für einen radikalen Perspektivwechsel im täglich Einerlei. Sie haben, um zu europäischen Fernfahrern Kontakt aufnehmen zu können, gelernt, was "Guten Tag" auf Rumänisch heißt, und erzählen vom Buch Daniel. Wie Gott alle Königreiche zermalmen und ihnen ein Ende bereiten wird. Das ist ja wie Krieg, meint einer der Stammgäste verdutzt. (Good!movies)

Ein Küchengespräch, nachts, damit fängt die Geschichte an in "Zwischen Sommer und Herbst" von Daniel Manns. Ein Crowdfunding-Projekt aus Westfalen, mit viel lokaler Unterstützung realisiert. Eva geht in die Küche, weil sie Durst hat, und kommt ins Gespräch mit Lena, die im Dunkel hockt und den Kühlschrank "bewacht". Eva ist 24, studiert Sozialpädagogik und ist zusammen mit Lenas Bruder. Im Verlauf der Monate wird sich der Film wegbewegen aus der Provinz, bis nach Frankreich, aber er verliert nie die Intimität seines Blicks. Isabel Thierauch als Eva ist unergründlich, zwischen Selbstbewusstsein und Unsicherheit zitternd, und wenn sie zum ersten Kuss ansetzt, wechselt die Kamera radikal die Perspektive. (Edition Salzgeber)

Was ist Zeit, fragt der Filmemacher. Es ist die Frage, die das Kino immerzu beschäftigt. Der Filmemacher ist Wim Wenders, sein Film heißt "Ein Mann seines Wortes" (Universal). Der Mann ist Papst Franziskus, der Wenders eingeladen hat zu diesem Porträt und sich hier, im Erzählen vor der Kamera, als sympathischer Selbstdarsteller erweist, auch an die Helden früherer Wendersfilme erinnert, an den Engel Bruno Ganz im "Himmel über Berlin".

Nochmal Religion und Kino, "The Nun" von Corin Hardy. Der junge Horrormeister James Wan hat den Film produziert, er gehört zu seiner "Conjuring"-Serie. Hier schickt der Vatikan einen Priester und eine Novizin, Demian Bichir und Taissa Farmiga, Anfang der Fünfziger in ein einsames Kloster in Rumänien, das von dem Dämon Valak heimgesucht wird, den die Bomben des Weltkriegs freigesetzt haben. Dieser Valak sorgt für eine konfuse Mischung aus altem atmosphärischem und splatterigem Horror. Die einzige Verbindung zur Realität ist ein altes Radio, aus dem sehnsüchtig der Song "See the pyramids along the Nile ..." erklingt, der unerwartet bedrohlich zum Refrain "You belong to me" führt. (Warner)

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