Mediaplayer:Der Komiker im Komiker

Eine Dokumentation zeigt, wie sehr sich Jim Carrey bei den Dreharbeiten zu "Der Mondmann" in sein Vorbild Andy Kaufman verwandeln will und kann.

Von Anna Fastabend

Wenn ein Komiker erzählt, wie er einen anderen Komiker glaubhaft imitieren konnte, ist keine ernste Antwort zu erwarten. Vor allem nicht bei Jim Carrey in der Dokumentation "Jim und Andy" über die Dreharbeiten der Andy-Kaufman-Biografie "Der Mondmann" von 1999, die nun als Eigenproduktion bei Netflix zu sehen ist. Da fabuliert Carrey, Jahrgang 1962, mit guruhaftem Vollbart nach Herzenslust vor sich hin. Hätte er dabei nicht dieses ironische Funkeln in den Augen, müsste man sich sorgen. Denn als Grund für die gelungene Darstellung Kaufmans erfindet er eine Geisterheimsuchung, die sich am Strand von Malibu im Beisein von 30 Delfinen zugetragen haben soll: "Das war der Moment, in dem Andy Kaufman auftauchte, mir auf die Schulter klopfte und sagte: 'Setz dich. Ich übernehme meinen Film.'"

Diese Fantasiestory wird nach dem Geschmack des 1984 verstorbenen Kaufman gewesen sein, der ausgelutschte Witze und billige Pointen hasste und bei dessen Auftritten man oft nicht wusste, ob das echt oder ausgedacht war. Er erfand das gemischtgeschlechtliche Wrestling, bei dem er Frauen so lange mit blöden Sprüchen attackierte, bis eine freiwillig in den Ring stieg, um ihm die Beleidigungen heimzuzahlen. Später beschimpfte er Südstaatler als dumme, stinkende Bauern, und der Profi-Wrestler Jerry Lawler aus Memphis forderte ihn heraus.

Jim & Andy

Der Komiker als rauschebärtiger Guru: Jim Carrey.

(Foto: Netflix)

Für die einen waren Kaufmans Auftritte schreckliche Provokationen, für die anderen eine intelligente Art, auf verdeckte Vorurteile hinzuweisen. Bekannt wurde er zum eigenen Bedauern durch einen tölpelhaften Automechaniker in der Sitcom "Taxi", die er selbst niveaulos fand. Dann gab es da noch den cholerischen Nachtclubsänger Tony Clifton, den erst viele für real hielten, den er aber abwechselnd mit seinem Freund Bob Zmuda verkörperte.

Die Doku, in der es auch Originalaufnahmen von Kaufmans Auftritten gibt, zeigt, dass Kaufman und Carrey viel gemeinsam haben. Beide sind auf intelligente Weise komisch und geben sich bedingungslos ihren Figuren hin. Carrey, der für seine Darstellung den Golden Globe Award erhielt, verkörpert Kaufman oder Clifton nicht nur nahezu perfekt, er legt die Rolle während der gesamten Drehzeit nicht mehr ab. Dies behaupten zumindest die Setaufnahmen von Bob Zmuda und Kaufmans Freundin Lynne Margulies. Beim Dreh will Carrey als Andy oder Tony angesprochen werden und hat totale Narrenfreiheit. Er rennt mit weit aufgerissenen Augen, Sonnenbrille, Schnauzer oder einer Papiertüte über dem Kopf herum, spielt Playboy Hugh Hefner einen Streich und macht Kaufmans Familie mit seiner Darstellung sehr glücklich. Bis heute glauben viele, Kaufman würde noch leben, denn Carrey sei in Wahrheit Kaufman. Carrey brauchte Zeit, bis er nach den Dreharbeiten wieder zu sich selbst fand.

Für das Filmteam ist das exzessive Spiel oft schwer auszuhalten. Während Danny DeVito meist darüber grinst, bringt Carrey Regisseur Miloš Forman immer wieder an den Rand der Verzweiflung. Zum Beispiel, als er hinter der Kamera erstmals auf den Wrestler Jerry Lawler trifft, mit dem er jenen Kampf nachstellen soll, den es Anfang der Achtziger zwischen Lawler und Kaufman gegeben hat. Ganz in der Rolle rennt Carrey schimpansenartig auf Lawler zu und beschüttet ihn mit Saft, bis der Regisseur ihn anfleht, dass er ihm die Chance lassen soll, den Film zu machen. Das ist auch in Carreys Sinn. Er ist ein großer Kaufman-Verehrer, der dessen berührende Lebensgeschichte - Kaufman starb mit 35 Jahren an Lungenkrebs - derart in sich aufgenommen hat, dass er am Ende des Drehs, zusammengesunken im Rollstuhl sitzend, todkrank zu sein scheint. Hier wirkt das Method-Acting rund um die Uhr dann doch anmaßend.

In anderthalb Stunden (Netflix produziert neben Spielfilmen und Serien auch viele Dokumentationen) werden auch Ausschnitte von Carreys früheren TV-Auftritten gezeigt. Er erzählt von seinem comedybegabten Vater, der sein Talent nie ausleben konnte. Manchmal, wenn das ironische Funkeln in Carreys Augen erlischt und die Lebensweisheiten überwiegen, wird es nervig: "Irgendwann muss man sein wahres Selbst leben ..." Doch solche Momente muss man ebenso ignorieren wie Carreys platschbunte Malerei. Denn gleich, das ist gewiss, sieht man ihn wieder spielen.

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