"Männlich" von Samy Deluxe:"Ich bin sehr froh, ein Mann zu sein"

Wozu werden Männer noch gebraucht? In seinem Album "Männlich" geht Rapper Samy Deluxe der Identität seines Geschlechts nach. Ein Gespräch über deutschen Rap, die Fantastischen Vier und darüber, was einen Mann zum Mann macht.

Von Toni Lukic

Als Samy Deluxe 1995 noch als Teil der Band "No Nonsens" im Hamburger Hafen auftrat, konntne die Zuschauer bestenfalls ahnen, dass sie einen der besten Rapper dieses Landes bestaunen dürfen. Über 18 Jahre später hat der MC aus Eimsbüttel diesen Status in zahlreichen Alben, Mixtapes und Kollaborationen (stets kommerziell erfolgreich) manifestiert. Nun erscheint mit "Männlich" sein sechstes Album.

SZ.de: Wären Sie gerne mal eine Frau?

Samy Deluxe: Nein, eigentlich nicht. Ich bin zwar lieber mit Frauen zusammen, weil ich mit Frauen aufgewachsen bin und weibliche Präsenz mag. Aber ich bin sehr froh, ein Mann zu sein.

Warum wollten Sie sich auf Ihrem neuen Album mit dem Thema Männlichkeit befassen?

Ich stehe seit 18 Jahren auf der Bühne, lebe meinen Traum und fühle mich als Rapper erwachsen. Ich habe in diesem Job so viel gelernt, aber meine Leidenschaft nie verloren. Viele Typen, die jetzt rauskommen und auf dicke Hose machen, haben noch keine Erfahrung in diesem Geschäft. Die haben dicke Muskeln oder Tattoos, aber daran bemisst sich Männlichkeit nicht.

Männlich zu sein bedeutet für Sie, erwachsen zu sein?

Ja. Seit 18 Jahren ernähre ich mich selbst und einen Großteil meines Umfelds, indem ich jeden Tag Musik mache. Ich bin der Mann, der alles regeln muss. Für mich ist männlich aber auch ein Superlativ im Sinne von derbe oder krass. Das ist das Rapper-Denken. Es muss nicht alles tiefsinnig sein, wenn der Beat hart aus den Boxen scheppert, dann ist das nicht filigran oder schön, sondern gewaltig und männlich.

Haben Sie den Eindruck, dass der Männlichkeitsbegriff in unserer Gesellschaft negativ behaftet ist?

Es gibt so viele Unterteilungen in unserer Gesellschaft, da spielen Dinge wie der Bildungsstand mit rein und die Qualität der Kanäle, in der so ein Begriff kommuniziert wird. Männlich zu sein bedeutet auch, schwul zu sein. Homosexuelle schaffen sich immer mehr Kanäle, um ihre Sexualität in der Öffentlichkeit ausleben zu können. Das ist männlich.

Laut Michael Moore sind Männer nur noch zur Reproduktion da und um den Frauen wegen ihrer Größe das Gurkenglas aus dem Schrank zu holen. Sind wir Männer in der Krise?

Die Krise hängt auch damit zusammen, dass Männer es sich mit der "Alles hängt von mir ab"-Rolle sehr leicht gemacht haben. Männer hätten Frauen schon zutrauen können, dass sie die gleiche intellektuelle Kapazität haben und eine emotionale Intelligenz besitzen, die wir so nicht haben. Vieles hat aber auch mit der Reizüberflutung und den vielen Möglichkeiten zu tun, es heutzutage gibt. Du kannst dir als 15-Jähriger die Gangsta-Rap-Schiene geben oder zum Poetry-Slam gehen. Zum Glück gibt es noch beides, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass der plumpe Gangsta-Rap mehr Aufmerksamkeit als die niveauvollen Ressorts bekommt.

"Straßen-Rap ist auch deutsche Kultur"

Sie haben zwar nie Gangsta-Rap gemacht, dennoch war die Musik des jungen Samy Deluxe deutlich härter als auf dem neuen Album. Sind Sie als erwachsener Rapper musikalisch offener?

Ich mache immer noch viele Sachen, die teilweise härter klingen als früher, weil man es heutzutage einfach lauter hinbekommt. Es war aber eine bewusste Entscheidung, dass auf dem Album eine kontinuierlich musikalische Ebene den harten Rap begleitet.

Die Dualität, die den Männlichkeits-Begriff Ihrer Meinung nach ausmacht?

Genau. Xavier Naidoo ist ja nicht weniger ein Mann, nur weil er singt. Es ist sehr männlich, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, egal ob es Aggression oder Herzschmerz ist.

Sie haben auf Ihrem Album einen Song mit den Fantastischen Vier gemacht. In der Rap-Szene galt die Band früher als kommerzielles Feindbild. Waren Sie der gleichen Meinung?

Das erste Album der Fantastischen Vier "Jetzt geht's ab" war das erste deutsche Rap-Album, dass ich gehört und richtig gefeiert habe. Als 1992 "Die da" rauskam, war ich auf meiner ersten HipHop-Jam, auf der das Publikum gegen die Fantas skandierte, ohne dass sie da gewesen wären oder ein Song von ihnen gespielt wurde. Man war damals dagegen, weil sie der Anti-Christ waren und der Gedanke herrschte, dass die Fantas unsere Kunstform ausverkaufen würden. Aber die Jungs haben über die Jahre bewiesen, dass sie eine geile Instanz für Musik sind und viel mehr für Rap getan haben, als die meisten es sich auf die Fahne schreiben können.

Die "Sell-Out Samy"-Vorwürfe, bei denen Ihnen der künstlerische Ausverkauf attestiert wurde, haben Sie ja auch zu Anfang ihrer Karriere begleitet.

2001 kam mein Debütalbum bei einem Major Label raus und weil es so erfolgreich war, gab es, ohne dass sich die Musik verändert hätte, den Sell-Out Vorwurf. Weil die Leute mich so bewerteten, habe ich schnell gelernt, dass ich andere nicht nach diesen Maßstäben beurteilen sollte. Ich versuche, Musik immer nach persönlichem Geschmack zu bewerten. Wenn sie mir nicht gefällt, dann höre ich sie mir eben nicht an. Als Beobachter konnte ich mich bei den Fantas erfreuen, weil sie immer erfrischend waren und geile Moves gebracht haben, wie mit dem Video zu "Troy".

Sie waren einer der ersten kommerziell erfolgreichen Deutschrapper. Heute stürmen Rap-Alben am laufenden Band die Charts. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Alles entwickelt sich in Zyklen. Seit 2011 geht gefühlt jedes Album auf Platz Eins der Charts. Das hat natürlich zur Folge, dass viele Künstler unter Vertrag genommen werden, die dann zwar hoch charten, aber doch nicht so viel verkaufen. Es ist schwer zu beurteilen, weil die HipHop-Szene kein in sich geschlossener Markt ist.

Stichwort Straßen-Rap: Wird Deutschrap mittlerweile vom Mainstream akzeptiert?

Wenn jemand in einer Woche 100.000 Platten verkauft, dann kann niemand verleugnen, dass das nicht Teil von deutscher Musikkultur ist. Straßen-Rap ist auch deutsche Kultur. Man kann inhaltlich und musikalisch davon halten, was man will, aber ich finde es gut, dass weniger privilegierte Schichten auch ein Sprachrohr haben. Man kann nur glücklich sein, dass Rap uns diese Möglichkeiten bietet.

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