Kunst:Die "Trostfrau" soll brennen

Kunst: Weil die „Trostfrau“ Japaner beleidige, wurde eine Schau geschlossen.

Weil die „Trostfrau“ Japaner beleidige, wurde eine Schau geschlossen.

(Foto: Satoshi Oga/AP)

Eine Ausstellung in Japan muss schließen, weil sie die Geschichte der koreanischen Sexsklavinnen in japanischen Feldbordellen thematisiert.

Von Christoph Neidhart

Die Ausstellung "Nach der Meinungsfreiheit" in Nagoya hat dramatisch gezeigt, wie wenig Meinungsfreiheit die japanische Gesellschaft zur Zeit duldet. Die kleine Nebenschau der Kunst-Triennale von Aichi musste bereits nach zwei Tagen wegen Terrordrohungen geschlossen werden.

Sie sollte bis Mitte Oktober dauern. Die Aichi-Triennale umfasst Dutzende Ausstellungen, Happenings, Konzerte und Filmvorführungen. Dazu gibt es Lernstudios und auch Veranstaltungen für Kinder. Vieles ist avantgardistisch, interaktiv und bezieht das Internet mit ein. Ein Projekt von Gabin Ito, einem Game-Entwickler und Komponisten, nennt sich "Modern Fart", "moderner Furz".

"Nach der Meinungsfreiheit" war als "kleine Ausstellung in der Ausstellung" geplant, so die Ankündigung. Sie zeigte etwa zwanzig Objekte, die "aus diesen oder jenen Gründen, wegen Zensur oder Selbstzensur, in Japan bisher nicht gezeigt werden konnten". Oder nicht mehr. Dazu gehörte Filmmaterial über Kaiser Hirohito und ein Gedicht, das den Friedensparagrafen der japanischen Verfassung hochhält. Er verbietet es Japan, eine Armee zu unterhalten. Die Regierung hat diesen Paragrafen jedoch so oft uminterpretiert, dass er inzwischen Kriegseinsätze an der Seite der USA erlaubt. Zu jedem Exponat wurde erklärt, warum es zensiert oder zurückgezogen wurde.

Geschlossen werden musste die Ausstellung wegen der Statue eines jungen Mädchens, das barfuß wartend auf einem Stuhl sitzt. Auf seiner linken Schulter sitzt ein kleiner Vogel. Rechts neben ihr steht ein leerer Stuhl. "Statue eines Friedensmädchens" nennt das koreanische Bilderhauerpaar Kim Eun-sung und Kim Seo-kyung das Werk. In Bronze gegossen steht die Skulptur für die sogenannten Trostfrauen, die Koreanerinnen, die während des Zweiten Weltkriegs als Sexsklavinnen in japanische Feldbordelle verschleppt wurden. In Aichi wurde eine farbige Version gezeigt, mit langem schwarzem Rock und beiger Bluse.

Vor der japanischen Botschaft in Seoul hatten Aktivisten schon vor Jahren eine solche Statue in Bronze aufgestellt, eine zweite steht vor Nippons Konsulat in Busan. Die japanische Regierung hat immer wieder dagegen protestiert; vor zwei Jahren zog Premier Shinzo Abe deswegen sogar den Botschafter ab. Abe hatte, bevor er Regierungschef wurde, stets behauptet, die "Trostfrauen" seien gewöhnliche Prostituierte gewesen, die sich freiwillig - und wegen des Geldes - in Japans Feldbordellen verdingt hätten.

Die Aichi-Triennale wurde am Donnerstag eröffnet. Auf seinem Rundgang blieb der Bürgermeister von Nagoya, Takashi Kawamura, vor der jungen friedlichen Frauenstatue stehen und sagte, sie verletze die Gefühle der Japaner. Am Freitag verlangte der Rechtspopulist, sie müsse entfernt werden. Damit gab er sie gleichsam zur Hexenjagd frei. Einige Medien in Japan hetzen derzeit gegen Südkorea, als wollten sie den Handelskrieg der Regierung gegen Seoul rechtfertigen. Am Samstag stülpte ein Mann der Statue eine Tüte über den Kopf. Die Triennale-Leitung erhielt zahllose Anrufe und Mails, einige mit Terrordrohungen. Jemand warnte, er würde einen Benzinkanister in die Ausstellung schmuggeln und die Statue anzünden.

Damit traf er einen empfindlichen Nerv. Vor knapp drei Wochen legte ein Brandstifter mit mehreren Benzinkanistern in einem Trickfilmstudio in Kyoto Feuer. 35 Menschen kamen um, unter ihnen die Autoren populärer Filme. Die Triennale entschied sich deshalb am Samstag, dem Druck des nationalistischen Mobs nachzugeben und die kleine Ausstellung "aus Sicherheitsgründen" zu schließen. Der künstlerische Leiter Daisuke Tsuda entschuldigte sich für das "schlechte Beispiel", das er damit gebe. Die Reaktionen seien viel schlimmer, als er sich habe vorstellen können. Zusammen mit dem Gouverneur von Aichi, Hideaki Omura, habe er überlegt, ob man die Schau für einige Zeit unterbreche. "Aber die Telefone hätten nicht aufgehört zu klingeln."

Koji Tonami, ein emeritierter Professor für Verfassungsrecht der Waseda-Uni, attackierte die Triennale-Leitung in der Zeitung Asahi Shimbun. Sie habe einen Präzedenzfall geschaffen. "Die Schließung ist genau das, was die Gegner wollten." Die Meinungsfreiheit dürfe niemals eingeschränkt werden, "nur weil manche Leute etwas nicht mögen"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: