Klassikkolumne:Von Händel bis Max Reger

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Die besten CD-Neuerscheinungen der Woche: Von altneapolitanischem Frühbarock bis Yo-Yo Ma.

Von Wolfgang Schreiber

(Foto: N/A)

Zumindest das scharfe fidele Coverbild zum Pentameron passt zum Münchner Fasching, Marke Viktualienmarkt - ebenso all das, was auf der CD raffiniert, lustig, charmant oder derb altneapolitanisch, erzählt, gesungen und gespielt wird: "Legenden, Magie und Liebe" aus der frühen Barockzeit. Volkstradition und Kunstmusik geben sich die Hand. In der grandiosen Märchensammlung des Giambattista Basile von 1634 erzählen zehn Frauen an fünf Tagen jeweils zehn heitere, erotisch aufgeladene, in MeToo-Zeiten durchaus gefährliche Geschichten (Nr.13: "Mündchen wie ein reifer Pfirsisch . . ."). In Musik verwandelt bietet die Textauswahl Lieder melancholischen oder frech-fröhlichen Zuschnitts, dazwischen tönt frisch Instrumentales. Großartig Können und Geist der Banda Oni Wytars: Sechs Musiker teilen sich brüder- und schwesterlich Gesänge und Spiel der Flöten, Harfen, Kastagnetten und Mandolinen (deutsche harmonia mundi)

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Die Sopranistin Simone Kermes, Zauber- und Furiendame der Barockmusik, wagt mit Mio caro Händel einen imposanten Arienritt durch die Landschaften des von ihr verehrten Londoner Komponisten aus Halle. "Fast alle deine Zauberinnen habe ich gesungen . . . ich liebe Dich von Herzen", bekennt die gebürtige Leipzigerin in ihrem flammenden Booklet-Brief an Händel. Und so zielgenau, exzentrisch und furios gestaltet sie 15 Nummern aus Händels Opern und Oratorien. Doch noch stärker als die Koloraturenketten aus "La Resurrezione" oder "Athalia" gelingt Kermes das Lyrische, etwa mit Kleopatras "Piangerò la sorte mia" aus der Cäsar-Oper oder im "Ombra mai fu" des Xerxes. In der Klage der Deidamia oder dem "Lascia ch'io pianga" aus "Rinaldo" erreicht sie eine Tiefendimension tragischen Empfindens, die anrührt. Händels heroische Frauenfiguren in Bestform, diskret oder aufgewühlt pointiert vom Ensemble der "Amici Veneziani". (Sony)

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Geheimer klingt die Welt der griechischen Komponistin Eleni Karaindrou. Ihrer künstlerischen Einfühlung und Musik verdanken die Bilder des 2012 gestorbenen Filmschöpfers Theo Angelopoulos viel an emotionaler Wirkung. Ihre Klänge zu Tous des oiseaux sorgen für poetische Überhöhung des gleichnamigen Theaterstücks von dem kanadisch-libanesischen Autor Wajdi Mouawad, der den Familien- und Identitätskonflikt im israelisch-palästinen-sischen Minenfeld zu seinem Thema machte. Eine Frauenstimme und ein in vielerlei Klangfarben schimmerndes Kammerensemble ziehen in dem bösen "Märchen" ihre ruhig fließenden Bahnen, auf suggestive Weise. Eleni Karaindrou komponierte auch den folgenden, kaleidoskophaften Soundtrack zum Film "Bomb. A Love Story" des iranisch-amerikanischen Autors Payman Maadi. (ECM)

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In den Klassikzirkel des Raren geht's mit dem Pianisten Markus Becker, der sich jahrelang für das integrale Klavierwerk des modernen Spätromantikers Max Reger stark gemacht hat. Erst jetzt aber konnte sich Becker dazu aufraffen, das einzige, beinahe monströse späte f-Moll-Klavierkonzert Regers op. 114 öffentlich zu spielen, es gemeinsam mit der NDR Radiophilharmonie unter Joshua Weilerstein als Aufnahme vorzuzeigen. Becker bewältigt das Abenteuer einer "widerspenstigen Musik", diesen schwer zu erkletternden "Berg von Klängen" (Becker), durch energischen Zugriff, sensiblen Sinn für die unstet wechselnden harmonischen Zustände und sprunghaften Verfahren von Regers Musik. Becker fügt dem noch fünf lohnende Solo-Stücke aus Regers herb reflektierten "Episoden" op. 115 hinzu. (Avi Music)

Komponierender Dirigent oder dirigierender Komponist? Wilhelm Furtwängler konnte die Frage für sich nicht beantworten, durchlitt Widerspruch, Pierre Boulez nicht. Esa-Pekka Salonen wechselt gern, in Maßen, professionell die Identität. Und legt gerade sein dreisätziges, 2017 in Los Angeles uraufgeführtes Cellokonzert vor, mit Yo-Yo Ma als Solisten und dem Los Angeles Philharmonic. Vorherrschender Eindruck: Salonens Musik ist von hoher lyrischer Intensität, er lässt den Cellisten in melodischen Kurven kontrolliert schwelgen, er mobilisiert schöne atmosphärische Klangfarbenreserven - um im Finalsatz die schlummernden dynamischen Kräfte zu entfesseln und den Solisten zu höchster Energie und virtuoser Tatkraft aufzufordern. (Sony)

© SZ vom 05.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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