Klassik:Im Diktatorenmantel

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Dem Teufel verschrieben: Seymur Karimov mimt den gefährlichen, augenklappe-bewehrten Kaspar. (Foto: Juliane Zitzlsperger)

Am Theater Regensburg wird die Handlung von Webers Oper "Freischütz" in ein düsteres Weltkriegsszenario transferiert

Von Andreas Pernpeintner, Regensburg

Der neue "Freischütz", der im Theater Regensburg Premiere feiert, hätte reichlich Zutaten für einen eindrucksvollen Opernabend. Das Philharmonische Orchester findet sich unter der Leitung seines Chefs Chin-Chao Lin in Carl Maria von Webers Partitur hervorragend zurecht und lässt gerade die abgründige Dunkelheit, die hier vielerorts komponiert ist, gut zur Wirkung kommen. Zur Inszenierung von Matthias Reichwald passt das vorzüglich: Reichwald hat die Handlung, die Weber und Librettist Johann Friedrich Kind in Böhmen nach dem Dreißigjährigen Krieg ansiedeln, in ein düsteres Weltkriegsszenario transferiert: auf Leinwand projizierte Bombenflugzeuge, Trümmerlandschaften, Panzersperren, ein Bauwerk, das Jägerstand und Wachturm zugleich ist (Bühnenbild von Alexandre Corazzola).

So gelingt es, ausdrucksstarke Bilder zu erschaffen - oft gerade dann, wenn der Chor intelligent inszeniert ins Geschehen eingebunden wird. Der beschwörende Menschenkreis, der sich zum nächtlichen Glockenschlag um den Wachturm sammelt, ist ein solcher Moment. Die kreischende Farbenpracht, die einem aus der Wohnstube von Agathe und Ännchen entgegenleuchtet, ist in ihrer Kontrastwirkung zur schwarzblauen Umgebung ein starker visueller Effekt. Besonders aber beeindruckt die Wolfsschlucht: Aus dem Bühnenboden erwächst ein Kerker, in dem Kaspar, der Jäger, der sich dem Teufel verschrieben hat, auf Max wartet, dem er dasselbe Schicksal bescheren möchte. Über dem Kerker wird die Bühne durch ein mondbeschienenes Waldpanorama verengt. All dies wird beherrscht von einer grandiosen Andine Pfrepper als schwarzer Jäger Samiel im Diktatorenmantel.

Wie Pfrepper in ihrer Sprechrolle diese Aufführung beherrscht, ist bemerkenswert. Sie ist Samiel, sie ist verführend teuflischer Engel, sie ist Kommentatorin jenseits des Librettos, herausgehoben aus dem Geschehen. Reichwald hat sich das wunderbar ausgedacht. Die schauspielerische und rhetorische Qualität, die Pfrepper hierbei einbringt, hat aber auch einen Nachteil; sie zeigt umso deutlicher, was dieser Aufführung fehlt: genügend Akteure, die es Pfrepper gleichtun. Sicherlich, Adam Krużel beweist gegen Ende als Fürst Ottokar wieder einmal sein sängerisches Vermögen und verspeist den ihm auf der Bühne vorgesetzten Fasan sehr würdevoll. Auch Seymur Karimov schafft es, die Rolle des gefährlichen, augenklappebewehrten Kaspar recht kraftvoll zu zeichnen. Die Sparsamkeit, mit der sich Deniz Yilmaz in der Hauptrolle des Jägers Max auf die Bühne stellt und bestaunt, wie ihm die Handlung widerfährt, ist jedoch kein Vergnügen. Sicherlich, er singt im Verlauf des Abends besser, als sein Erklettern von höher gelegenen Tönen zunächst vermuten ließ. Und letztlich weiß er sich in seiner darstellerischen Langsamkeit auch mit seiner Geliebten, Theodora Vargas Agathe, einig; insofern besteht paarinterner Konsens.

Es bleibt anderen Sängerinnen vorbehalten, zu zeigen, was die Personenregie bieten kann: Der Auftritt der vier Brautjungfern Maria-Magdalena Fleck, Elena Lin, Selena Öztaner und Katrin Poemmerl ist einfach hinreißend, witzig jauchzend überzeichnet und mit Lust auf die Bühne gebracht. Ganz besonders aber ist Sara-Maria Saalmann als Ännchen hervorzuheben. Die musikalische Anmut und die lebendig ausgestaltete Präsenz, mit der sie den Bühnenraum bespielt, zeigen, was man aus diesem "Freischütz" machen kann. Könnte.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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