Kino:Zombies statt Streichelzoo

Film "I AM A HERO"

Hideo (Yô Ôizumi, hinten) ist von der Zombieapokalypse überfordert.

(Foto: Verleih)

Die japanische Horrorkomödie "I Am a Hero" erzählt von einem Antihelden, der etwas überfordert durch die Apokalypse torkelt, weil er nicht auf Untote schießen will.

Von Anna Fastabend

Auf den Straßen von Tokio ist Panik ausgebrochen. Alle wollen nur noch raus aus der Stadt. Autos rasen ineinander, Zombies fallen über Flüchtende her und infizieren sie mit einem Virus, das die Opfer zu Untoten mutieren lässt. Mittendrin steht Hideo, die Hauptfigur des japanischen Horrorfilms "I Am a Hero". Ein untoter Schlipsträger rennt auf ihn zu, Hideo hält seine Schrotflinte auf ihn gerichtet. Und bestimmt wird er ihm jetzt den Kopf wegschießen, denkt man. Doch er drückt nicht ab. Schlimmer, wo eben noch ein Gewehr war, sind jetzt bloß seine Arme, mit denen er die Bedienung der Waffe nachahmt, die Flinte steckt er zurück in die geschulterte Tasche. Dabei wünscht sich Hideo doch nichts sehnlicher, als ein Held zu sein. Klappt aber nicht, weil er scheinbar lieber sterben würde, als zu schießen. Dagegen kann auch die schlimmste Zombieapokalypse nichts ausrichten.

Der japanische Regisseur Shinsuke Satō hat sich mit der Verfilmung des gleichnamigen Mangas von Kengo Hanazawa für eine Geschichte entschieden, deren Hauptfigur man eher im Streichelzoo vermuten würde als inmitten eines derartigen Horrorszenarios. Hideos Wehrlosigkeit macht den Zuschauer wahnsinnig, lässt einen aber auch bis zum Schluss mitfiebern. Wird er wenigstens einen Zombie töten, zumindest einen winzig kleinen? Seine mutierte Freundin, die bei einer Rangelei versehentlich aufgespießt wird, zählt irgendwie nicht.

Die Probleme dieses Antihelden sind ein sehr verbreitetes Phänomen. Ihm wurde das Streben nach Außergewöhnlichkeit bereits in die Wiege gelegt, seine Eltern gaben ihm einen Namen, der so viel bedeutet wie "ausgezeichneter Mann". Doch der Glaube, alles erreichen zu können, ist für den 35-jährigen Mangazeichner zur Sackgasse geworden, das sieht man schon zu Beginn. Ein Lektor bezeichnet seine Story als viel zu gewöhnlich und lehnt eine Veröffentlichung ab, die Freundin setzt ihn wegen seiner Erfolglosigkeit vor die Tür. Das alles wirkt sich natürlich auf sein Auftreten aus. Der Geplagte mit Baseballcap und Kapuzenjacke, der von Yō Ōizumi perfekt schluffig verkörpert wird, schlurft und rennt mit ungläubigem Blick und offenem Mund durch die Gegend und nervt seine Umwelt mit seiner unterwürfigen Höflichkeit.

Bei einer so unbefriedigenden Realität ist es kein Wunder, dass sich der Mann in eine Fantasiewelt flüchtet. Die Zombieinvasion scheint nämlich nur ein Traum von ihm zu sein. Eine schöne Idee, die erklärt, warum er für seine Zeichnungen keine interessanten Figuren erfinden kann. Wie sollen seine Kreationen heldenhaft rüberkommen, wenn er sich das einfach nicht vorstellen kann?

Wobei das nicht ganz stimmt. Denn in seinem Traum tauchen zwei Frauen auf, die alles andere als wehrlos sind. Die Schülerin Hiromi, gespielt von Kasumi Arimura, und die Krankenschwester Yabu, gespielt von Masami Nagasawa, halten Hideo über weite Strecken die Zombies vom Leib, und verhelfen ihm, indem sie an ihn glauben, schlussendlich doch noch zum Heldentum. Das klingt jetzt kitschiger als es ist, und dankenswerter Weise wird am Ende nicht geknutscht.

Statt romantisch wird es eher lustig. So erliegt Hideo, der sich eigentlich schon auf dem Weg in die Sicherheit befindet, den Verlockungen eines Einkaufszentrums, und panzert sich seine Arme zum Schutz vor Zombiebissen mit Luxusuhren. Aber die klassischen Horror-Tugenden des Genres, die der erst kürzlich verstorbene Zombie-Großmeister George A. Romero einst so ironisch vorgegeben hat, bedient sein japanischer Kollege Sato natürlich auch: Das Blut spritzt, die Gliedmaßen fliegen durch die Gegend, es ist der reinste Slapstick.

Und irgendwann in diesem Gemetzel drückt Hideo dann doch noch ab, und das gleich mehr als 90 Mal - da hat sich was aufgestaut. Die Erleichterung eines Antihelden ist im Kino jedenfalls lang nicht mehr so groß gewesen wie in diesem Moment.

I Am a Hero, Japan 2016 - Regie: Shinsuke Satō. Buch: Akiko Nogi. Kamera: Tarō Kawazu. Schnitt: Tsuyoshi Imai. Musik: Nima Fakhrara. Mit Yō Ōizumi, Kasumi Arimura und Masami Nagasawa. AV Visionen, 127 Minuten.

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