Im Kino: "Der Knochenmann":Am zärtlichsten ist das Monster

Viele Leute machen furchtbare Sachen, aber sie tun es aus Liebe: Sepp Bierbichler mit Josef Hader im Fleischerhaken-Horror der österreichischen Provinz.

F. Göttler

Wie Männer das anstellen, völlig zu verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, wie sie radikal ihr Leben zerhäckseln, bis nichts mehr übrig ist, keine Vergangenheit und keine Identität, dafür liefert dieser Film ein paar starke Beispiele. So stark, dass man mit den üblichen Begriffen Ausstieg oder Neubeginn das gar nicht mehr richtig fassen kann.

Im Kino: "Der Knochenmann": Zwischen Tiermehl und Panade: Josef Hader als Brenner in "Der Knochenmann".

Zwischen Tiermehl und Panade: Josef Hader als Brenner in "Der Knochenmann".

(Foto: Foto: ddp)

Der Horvath ist verschwunden, und man muss schleunigst rauskriegen, wo er steckt - sein Wagen besser gesagt, denn die Leasingraten sind nicht bezahlt. Also schickt der Berti (Simon Schwarz, der bewährte Brenner-Sidekick, der nun sein Chef geworden ist) den Brenner (Josef Hader) los. Der landet bei seiner Recherche schnell beim Löschenkohl - so heißt ein Restaurationsbetrieb in Niederösterreich, eine Abfüllstation, deren Kundschaft ganz verrückt ist nach den Backhendln, die einem da vorgesetzt werden. Im Keller steht die Knochenmehlmaschine, die die Reste dem natürlichen Kreislauf wieder zuführen wird, als Hühnerfutter.

Brenner in der Provinz also, nach den ersten beiden Wolf-Haas-Verfilmungen "Komm, süßer Tod" und "Silentium", die in Wien und Salzburg spielten - da spürt man die Reserve, das Fremdeln. Wenn Brenner erstmals die Gaststube im Löschenkohl betritt, das ist wie der "stranger with a gun", der in den Saloon in einer Westernstadt kommt. Eine natürliche Aversion muss er da ertragen, in der auch eine gewisse Anmache enthalten ist. Die Frauen, die ihn da bedienen, wissen, was der Brenner will, auch wenn der sich erst mal sträubt. Aber bald hat auch er sein Hendl vor sich stehen. Später ist er dann im Bett mit der Juniorchefin (gespielt von der gerade mit einem Silbernen Bären für "Alle anderen" ausgezeichneten Birgit Minichmayr). Nicht mal Brenner kommt ungeschoren davon.

Die Birgit ist eine Juniorchefin ohne Chef, denn den Laden schmeißt immer noch der alte Löschenkohl, ihr Schwiegervater. Der Sohn ist leider eher verlottert (Christoph Luser) und macht sich nicht nur dadurch lächerlich, dass er den Vater zu erpressen versucht, sondern dass er mit seinem Sportwagen über die verschneiten Bergstraßen rast - weshalb er nur als Porsche Pauli figuriert. Er ist der wirkliche loser am Ende, das heulende Elend, nachdem alles zusammengekracht ist.

Sepp Bierbichler ist der Vater, der Hendlkönig, der Löschenkohl. Den urwüchsigen Gastwirt Bierbichler aus Ambach einen Massenabfütterer spielen zu lassen, mag ein wenig hinterfotzig sein. Aber Bierbichler macht auch hier alles selber, und man nimmt ihm alles ab, wie er mit den Messern hantiert und das Fleisch traktiert - da ist eine Bedrohlichkeit, die nicht gespielt und markiert wird, eine Selbstverständlichkeit, mit der auch der menschliche Körper vor allem fleischliche Existenz bleibt. Bierbichler bringt eine bodenständige Professionalität in den Fleischerhaken-Horror, mit dem der Film liebäugelt, eine Dialektik des Rohen und des Gebackenen. Man ist beinah erleichtert, wenn einem ein nackter bleicher Körper präsentiert wird, nach über einer Stunde glitschiger Panade. Noch glibberiger ist dann erst wieder das Maskentreiben zum Finale.

Es wird halt auch gevögelt

Der sehr komplexe, sehr komplizierte Roman von Wolf Haas ist für den Film angenehm vereinfacht worden - das haben Wolf Haas, Regisseur Wolfgang Murnberger und Josef Hader wieder gemeinsam besorgt, und Bierbichler hat dann nochmal kräftig nachreduziert, durch die Weigerung, bestimmte Sachen zu machen.

Der Krimi als minimalistische Kunst, so haben es einst Chandler und Bogart und Hawks gelehrt. Viele Leute machen viele furchtbare Sachen, das ist die Formel, aber sie tun es immer aus Liebe. "Ab einem bestimmten Punkt haben wir gesagt: Das wird ein Liebesfilm." Da muss dann auch der Brenner Schlittschuhe anschnallen und aufs Eis. Die Geschichte spielt im Grenzland, und auf der anderen Seite lockt Bratislava, da gibt es die Lust, die Befriedigung, aber auch, mitten im Sextourismus, eine Aussicht auf Liebe und Erlösung.

Die Liebe kommt ziemlich unaufgeregt daher, mit schöner Gleichgültigkeit, die mehr aufs Mechanische baut als aufs Exaltierte. Es wird halt auch gevögelt. Und die Kälte, die hier oft zu spüren ist, kommt nicht vom Schnee und vom Eis, sondern von innen. Am zärtlichsten ist, wie in jedem großen Horrorfilm, das Monster, der Löschenkohl. Man hat fast Mitleid mit ihm, wie ihn alle durch ihr dummes Verhalten zum Massakrieren und zum Leichenbeseitigen zwingen.

Das schafft so lakonisch wohl nur ein Bayer, dem die Wiener Lust am Aktionismus völlig fehlt. Ein Mädchen, dem er mit dem Rover nachsetzte, hat Löschenkohl von der nächtlichen Straße gedrängt. Bierbichler spielt das mit Ruhe und Andacht, er hält Zwiesprache mit dem Opfer. Als wäre das wirklich eine Liebesszene.

DER KNOCHENMANN, A 2008 - Regie: Wolfgang Murnberger. Buch: W. Murnberger, Josef Hader, Wolf Haas, nach Haas' Roman. Kamera: Peter von Haller. Mit: Josef Hader, Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr, Simon Schwarz, Pia Hierzegger. Majestic, 120 Min.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: