"David wants to fly" in der SZ Cinemathek:Fliegen lernen

David wants to fly, Verleih

David Lynch lernt von Maharishi Mahesh Yogi innere Erleuchtung. Filmemacher David Sieveking (l.) will auch inspiriert werden und heftet sich an die Fersen des Gurus.

(Foto: Foto: Verleih)

Was Scientology für Tom Cruise ist, ist für David Lynch die Transzendentale Meditation: Ein Dokumentarfilm zeigt den Unfug, zu dem sich erwachsene Menschen verführen lassen.

D. Kuhn

Vor Jahren hat man ihn noch öfter auf Plakaten gesehen. Einen Mann mit weißem Haar und Kulleraugen. Er versprach Besserung - Besserung in jeder Hinsicht: Erleuchtung, Durchblick, innere Ruhe. So fand er Maharishi Mahesh Yogi, der Erfinder der sogenannten "Transzendentalen Meditation", seine Anhänger. Vom Weltfrieden war damals noch nicht so viel die Rede, aber auch der war sicher in den Zielen schon inbegriffen. Die Beatles vertrauten ihm. Ihre Musik hat zwar angeblich nicht davon profitiert, aber sie infizierten die ganze Hippiebewegung mit Indien, mit der Suche nach dem Heil aus dem Osten, mit Interesse an dem Mann selbst.

Dunkel schillernde Fixpunkte

Mittlerweile ist er weniger präsent, in Deutschland jedenfalls. Wenn man hier etwas von diversen Heilslehren hört, dann über Hollywoodschauspieler. Richard Gere und Buddhismus, Tom Cruise und Scientology, aber auch, und das ist jedes Mal auffällig, David Lynch und die Transzendentale Meditation. David Lynch, den Künstler und Filmemacher, kann man sich kaum als schlichtes Gemüt vorstellen - nicht nach seinen Filmen, die bis heute dunkel schillernde Fixpunkte für Cinephile sind, und natürlich für so manchen Jungregisseur.

David Sieveking, Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, hat Plakate von Lynchs "Eraserhead" und "Blue Velvet" in der Wohnung hängen. Nach dem Abschluss seines Studiums ist er auf der Suche nach Inspiration - und vermisst im trödeligen Berliner Jungfilmerdasein die Abgründe, die David Lynch im selben Alter offenbar schon durchmessen hatte.

Das Interesse am Vorbild führt Sieveking zur ersten Begegnung mit der Transzendentalen Meditation - und weil er von Anfang an einen Kameramann dabei hat, beginnt hier sein eigener Film: "David Wants to Fly". Von Lynch ermutigt, die Unschuld des wahrhaft Suchenden ins Gesicht geschrieben, lässt Sieveking sich in die Meditation einweisen. 2008 fliegt er nach Indien zum Begräbnis des Maharishi, nimmt an Versammlungen der Anhängerschar in Deutschland und Amerika teil. Es fällt kein hämisches Wort, aber man sieht zahllose dicke Männer mit goldenen Krönchen auf goldenen Mützen, goldene Wandbehänge, goldene Mercedes-Limousinen, alles bewacht von aufmerksamen Sicherheitsleuten. Jede dieser Veranstaltungen wirkt wie absurdes Theater im Großformat.

Geschäft, Indoktrination, Machtfantasien

Obwohl er vom Glauben allmählich abfällt, stöbert Sieveking weiterhin mit naseweiser Neugier in den Lehren und in den Organisationen des Gurus herum, was keine Begeisterung bei dessen Anhängern auslöst. In bester Nervensägen-Manier à la Michael Moore schaut er sich alles an, was der Maharishi seit den sechziger Jahren geschaffen hat - aber angenehm anders als Moore ist er mit dem Charme einer sanften Selbstironie gesegnet. Allmählich deckt er auf, was man immer aufdeckt hinter dergleichen Organisationen - Geschäft, Indoktrination, Machtfantasien. Mit dem Versprechen von Weltfrieden oder persönlicher Freiheit geht auch hier eine Abzocke finanzieller und emotionaler Art einher.

Sieveking besucht interessante Parallelwelten, beängstigend sind sie gelegentlich auch: "Yogisches Fliegen" wird trainiert, vornehmlich auf Matten in Schulturnhallen. Ziel ist die Beherrschung des Fliegens durch Meditation, vorerst sieht es aus wie Hüpfen im Lotussitz, ein bisschen hilflos, vermutlich schmerzhaft. Kinder werden streng nach Maharishis Lehren erzogen, Inder müssen in eingezäunten Zentren zwangsweise meditieren, hierarchisch hochstehende Mitglieder sorgen sich neben dem Weltfrieden um ihre "Unbesiegbarkeit". Es gibt einen Moment, da steht Sieveking im ländlichen Amerika neben einem Bahngleis, während ein Zug vorbeirattert, und eine Assoziation von Ungebundenheit taucht unvermittelt auf - größer könnte der Kontrast zur erdrückenden Enge der Sektenwelt da kaum sein.

Genregerecht werden dann Abtrünnige befragt, Sieveking deckt dabei drei wesentliche Bereiche ab: Wissenschaft, Sex und Geld. Er spricht mit einem Neurologen, der ihm grundsätzliche Sekten-Mechanismen erklärt, so klar und einleuchtend, dass man sich seine Worte dringend für den Kontakt mit jeder Religion merken sollte. Bis hoch in den Himalaya zu den Quellen des Ganges führt Sieveking dann seine Investigation fort, und weil er so unermüdlich weitermacht, glaubt man ihm auch ein genuines Interesse an spiritueller Erkenntnis. Das weist den gelegentlich aufflackernden Verdacht zurück, seine Unschuld sei nur Pose, er könnte von Anfang an ein Spiel mit dem Zuschauer getrieben haben.

Weltfrieden und Weltverschwörung

Der Versicherung der Glaubwürdigkeit dient auch das Private, das hier vor die Kamera getragen wird: Es gibt Liebes-Intermezzi und Trennungs-Intermezzi zwischen Sieveking und einer befreundeten Dame, und dabei geht es keineswegs um den Weltfrieden oder um eine Weltverschwörung, sondern ausschließlich um das Glück der Selbstinszenierung. Das nimmt dem Thema die Schwere und lässt den sowieso schon mit leichter Hand gedrehten Film noch spielerischer aussehen. Was nichts daran ändert, dass man sich in "David Wants to Fly" ausführlich wundern kann. Denn gerade durch das Gegenüber von Jungfilmer-Alltag und Transzendentaler Meditation wird deutlich, zu welchem Unfug sich erwachsene Menschen doch immer noch verführen lassen.

DAVID WANTS TO FLY, D 2010 - Buch und Regie: David Sieveking. Kamera: Adrian Stähli. Mit David Sieveking, Marie Pohl, David Lynch. 96 Minuten. Verleih: Neue Visionen, 96 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: