Hohenzollern-Kulturerbe:Der Kaiser und seine Schatzkiste

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Liebte den großen Auftritt - und steuerte Deutschland in den Ersten Weltkrieg: Wilhelm II., hier 1910 zu Pferd in Potsdam. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)
  • Spätestens als Wilhelm II. 1918 vor der Novemberrevolution ins niederländische Exil floh, war der Ruf der deutschen Monarchen ruiniert.
  • In der jungen Weimarer Republik wurden die Exfürsten allerdings nicht entschädigungslos enteignet.
  • Die Folge waren Klagen. Das Land Preußen schloss im Oktober 1926 einen Ausgleich mit den Hohenzollern - mit Folgen bis heute.

Von Joachim Käppner

"Es war einmal ein Kaiser, der über ein unermesslich großes, reiches und schönes Land herrschte. Und er besaß wie jeder andere Kaiser auch eine Schatzkiste, in der inmitten all der glänzenden und glitzernden Juwelen auch eine Flöte lag." Das Märchen, das zu dem traurigen Schluss kommt, dass der Kaiser seine Schätze nicht zu würdigen wisse, stammt von Kurt Tucholsky, ein Frühwerk von 1907, und galt dem damals in Pomp und Reichtum herrschenden deutschen Kaiser Wilhelm II.

Der Hohenzoller verkörperte buchstäblich das Versagen der konservativen Eliten seines Kaiserreichs, das aus Hybris den Griff nach der Weltmacht wagte und ganz wesentliche Mitschuld am Ersten Weltkrieg trug. Als Wilhelm II. dann, Millionen Tote später, 1918 vor der Novemberrevolution ins holländische Exil floh, war der Ruf der deutschen Monarchen ruiniert. Wie "ein plötzlich losbrechender Sturmwind" habe die Revolution "das kaiserliche Regime gestürzt", schrieb der Journalist Theodor Wolff.

Die deutschen Fürsten, ob klein oder groß, sollten niemals mehr an die Macht zurückkommen. Immerhin waren sie mit Leib und Leben davongekommen, im Gegensatz zur russischen Zarenfamilie etwa, welche die Bolschewisten im Vorjahr ermordet hatten. Die unverhoffte Milde lag nicht nur daran, dass die Revolutionsregierung, der Rat der Volksbeauftragten, peinlich auf Legitimität bedacht war, sondern auch an der Friedlichkeit und Zivilität der demokratischen Revolutionäre, der Soldaten und Arbeiter auf den Straßen. Aber die "Abdankung des Hohenzollernhauses" und das Ende des von diesem mitverschuldeten Krieges gehörten zu deren allerersten Forderungen.

14,5 Millionen von 15,6 Millionen stimmten dem Gesetzentwurf zu

Anders aber als in Österreich rang sich die junge Weimarer Republik nicht dazu durch, die Exfürsten schlicht entschädigungslos zu enteignen. Das Land Preußen hatte den Hohenzollernbesitz beschlagnahmt und in Gewahrsam genommen. Und schon bald beschritten die Herrscher von gestern den Klageweg, bei den häufig noch monarchistisch gesinnten Richtern fanden sie meist ein offenes Ohr.

1926 aber setzten die sonst feindlichen Schwestern KPD und SPD einen Volksentscheid zur Fürstenenteignung durch: "Keinen Pfennig den Fürsten! Sie sollen stempeln gehen!" Die Idee war von den Kommunisten ausgegangen, die forderten, Kriegsversehrte in den Schlössern unterzubringen und das Geld der Fürsten in die Sozialkasse zu stecken. Der Volksentscheid endete eindeutig. 14,5 Millionen von 15,6 Millionen, die an der Abstimmung teilnahmen, stimmten dem Gesetzentwurf für die Enteignung zu. "Fürstens" waren unten durch für Millionen Deutsche. Trickreich jedoch umgingen Reichspräsident Paul von Hindenburg und die konservative Regierung den Wählerwillen. Sie erklärten den Gesetzentwurf für verfassungsändernd, womit nicht die einfache Mehrheit der abgegebenen Voten genügte, sondern die absolute aller Wahlberechtigten nötig war. Dafür reichten selbst die 14,5 Millionen Stimmen nicht aus. Das Projekt war gescheitert.

Wenige Wochen später lehnte wiederum die SPD einen Antrag der Regierung ab, die Fürsten materiell abzufinden. Das vor allem betroffene Land Preußen schloss im Oktober 1926 notabene einen Ausgleich mit den Hohenzollern - um dessen Folgen es bis heute geht. Bei dem "Gesetz über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Preußischen Staat und den Mitgliedern des vormals regierenden Preußischen Königshauses" kamen Letztere sehr gut davon. 1918 hatte man sie noch laufen lassen, nun erhielten sie einen Gutteil ihrer Schlösser sowie zahlreiche Landgüter zurück. Darunter war auch der Cecilienhof in Potsdam, wo der frühere Kronprinz Wilhelm sich niederließ und 1945 die Potsdamer Konferenz der Siegermächte abgehalten wurde. Soldaten der Roten Armee legten dort einen roten Stern aus Blumen an, der noch heute zu sehen ist.

1945 lag das Gros der Hohenzollerngüter in der Sowjetischen Besatzungszone, wo die Großgrundbesitzer rigoros enteignet wurden, einschließlich der alten Herrscherdynastie. Im deutschen Einigungsvertrag 1990 wurden dann die Enteignungen von Grund und Boden sowie Häusern anerkannt. Dies gilt aber nicht für das Inventar. Rechtlich steht dies der Familie wohl ebenso zu wie eine Entschädigung.

Es sei denn, die unrühmliche Vergangenheit holt die Hohenzollern doch noch ein. Das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 schließt Entschädigungen aus, wenn der Berechtigte oder seine Erben dem nationalsozialistischen System "erheblichen Vorschub geleistet" haben. Viele Historiker gehen davon aus, dass genau dies der Fall gewesen ist, natürlich nur im Fall der Nazis. Auch wenn der 1951 verstorbene Kronprinz Wilhelm, Sohn Wilhelms II., kein Mitglied der NSDAP gewesen war, hatte er Adolf Hitler auf Schloss Cecilienhof empfangen und schlug ihm eine Machtteilung vor, auch rief er zur Wahl Hitlers auf. 2014 schrieb Stephan Malinowski, im damaligen Entschädigungsverfahren des Hauses Hohenzollern Fachgutachter, in der Zeit: "Das symbolische Kapital des preußischen Königshauses in den entscheidenden Jahren 1932 bis 1934 für den Nationalsozialismus eingesetzt zu haben (...) erhöhte die Respektabilität der NS-Bewegung im konservativen Milieu zweifellos." Man könnte annehmen, damit wäre im Grunde alles gesagt.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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