Graffiti-Kunst bei Sotheby's:Guerilla im Sprühnebel

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Michael Jackson im Knusperhaus und bemalte Elefanten: Der Graffiti-Künstler Banksy sorgt mit subversiver Aktionskunst für Furore. Mit einer Galerie seiner besten Bilder.

Alexander Menden

Ist er da? Steht der bestbezahlte Sprayer der Welt hier irgendwo und schaut dabei zu, wie seine eigenen Werke unter den Hammer kommen? Vielleicht der sportliche Herr da hinten an einer der kahlen Wände? Oder der Typ mit der Kappe hinten links?

Banks. Robert Banks. Der Name ist so ziemlich alles, was man über den Künstler weiß, dessen Werke heute in der kargen Sotheby's-Dependance im West-Londoner Stadtteil Hammersmith, unter den Hammer kommen. Der Name. Und nicht mal der ist sicher. Robert Banks? Robin Banks? Er soll aus der Nähe von Bristol stammen und ungefähr 32 Jahre alt sein. Und seine Eltern denken, ihr Sohn arbeite als Maler und Anstreicher. Berühmt aber wurde er als Banksy.

Seit er zu Beginn des Jahrzehnts anfing, den öffentlichen Raum mit seinen mehr oder minder politisch aufgeladenen Schablonen-Graffiti zu bestücken, hat Banksy Anonymität gewahrt. Mit seinen Guerillamethoden hat er sich den Status eines urbanen Mythos erarbeitet.

Der Idyll-Killer

Er hat das Pinguin-Gehege im Londoner Zoo mit dem Slogan "Wir haben keine Lust mehr auf Fisch" beschriftet. Er hat die israelische Grenzmauer in der West Bank mit Bildern von Kindern verziert, die Löcher in den Beton hacken. Vor allem aber hat er mit spektakulären Schmuggelaktionen von sich reden gemacht: Seine Smiley-Mona-Lisa hängte er unbemerkt im Louvre auf.

In die Tate schmuggelte er ein Landschaftsbild im Stil John Constables, das er durch eine Polizeiabsperrung ergänzt hatte, so dass aus einem pastoralen Idyll die Stätte eines Verbrechens wurde. Im Britischen Museum hinterließ er eine Höhlenmalerei, die einen erlegten Büffel zeigt sowie einen Mann, der einen Einkaufswagen schiebt.

Das Werk hing mehr als eine Woche unbemerkt zwischen den echten Felsmalereien, bis der Schabernack aufflog. Es spricht sowohl für den Humor des Britischen Museums als auch für Banksys Marktwert, dass die Fälschung in die ständige Sammlung überführt wurde.

Auf dem Kunstmarkt sind Banksys Werke inzwischen gesucht wie kaum etwas anderes. Nicht umsonst hat Sotheby's, ein Haus, das sonst eher zur Untertreibung neigt, die heutige Auktion zur "Banksy Bonanza" erklärt, zu einer Art Goldrausch also. Schon im Oktober, als erstmals einige Banksys versteigert wurden, erreichten die Gebote erstaunliche Höhen: Für eine Banksy-Mona-Lisa mit Smiley-Gesicht wurden da 87 000 Euro gezahlt.

Ein Luftballon für 37 000 Pfund

Mit kaum gedämpfter Ungeduld verfolgen Galeristen und Sammler bei Sotheby's die Versteigerung der ersten Posten. An der linken Wand, hinter einem Hellholz-Paneel, sitzt ein gutes Dutzend Telefonisten, die Ferngebote an den Auktionator Harry Dalmeny weitergeben. Dalmeny rauscht elegant durch die Gebote - "Letzte faire Warnung, bietet jemand mehr?" - und nähert sich rasch dem Posten Nr. 527, Banksys "Balloon Girl".

Jahrelang haben Tausende Londoner im Vorbeihuschen dieses Graffito eines Mädchens, das einem davonschwebenden Ballon nachschaut, täglich an einem Brückenpfeiler in Shoreditch gesehen. Keiner der Pendler dürfte allerdings erwartet haben, dass es irgendwann auf einer Leinwand bei Sotheby's landen würde.

Bei Sotheby's kündigt Auktionator Harry Dalmeny jetzt fast entschuldigend an, die Gebote für das "Balloon Girl" starteten nicht, wie im Katalog ausgeschrieben, mit 7000, sondern "leider bereits mit 14000" Pfund. Es wird hektisch im Raum. Ein Telefonbieter und ein Galerist liefern sich eine kleine Schlacht; die Gebote folgen in Tausenderschritten dicht aufeinander: "28000, 29000, höre ich 30000?"

Pop und Profit

Die Frau, die für den Fernkunden bietet, fragt, ob ein Gebot von 29500 Pfund akzeptabel wäre? "Ich nehme lieber 30000 und zahle die Differenz selbst", erwidert Dalmeny ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich geht die 40 mal 40 Zentimeter große Leinwand für 37200 Pfund weg, inklusive Kaufprämie. Das sind umgerechnet rund 55700 Euro, mehr als das Vierfache des Schätzwertes.

Als Banksy im vergangenen Jahr erstmals signierte Leinwände seiner Graffiti in die Auktion gab, wurden reflexartige "Kommerz"-Vorwürfe laut. Dabei ist die Domestizierung seiner Bilder nur konsequent: Man hatte nie den Eindruck, Banksy sei dem Handel mit seinen Arbeiten besonders abgeneigt. Er hat vielmehr von Anfang an einen gesunden Geschäftssinn an den Tag gelegt.

2003 designte er das Cover des Blur-Albums "Think Tank". Im Internet kann man Poster eines Banksy-Pastiche der berühmten Warhol-Suppendosen erstehen, auf dem die Campbell-Dosen durch solche der Supermarktkette Tesco ersetzt wurden. Das Original schmuggelte er übrigens 2005 ins New Yorker Museum of Modern Art. Hollywood-Stars sammeln Banksy, und Damien Hirst hält ihn für "einen richtigen Künstler". Das ist ein doppelter Ritterschlag, denn ein Geschäftsmann wie Hirst lobt damit nicht nur Banksys Arbeiten, sondern ebenso sehr seine Fähigkeit, ein Maximum an Profit aus deren Vermarktung und Verkauf herauszuholen.

"Ihr Trottel! Kauft diesen Scheiß!"

Was ist dieser Banksy nun? Ein idealer Künstler, nur in seinem Werk anwesend, eine Art körperloser Schöpfer? Oder einer, der davon zehrt, dass "sein Werk auf Idioten schwindelerregend clever wirkt", wie der Guardian-Kolumnist Charlie Brooker einmal bemerkte. Auf jeden Fall ist er eine der heißesten Kapitalanlagen auf dem Kunstmarkt.

Inzwischen ist die Auktion bei "Bombing Middle England" angekommen, der Darstellung einiger älterer Damen, die Bomben mit brennender Zündschnur als Bowlingkugeln verwenden. Das Mindestgebot liegt bei 30 000 Pfund. Nach einem zähen Wettstreit, der am Ende in Dreitausenderschritten vonstatten geht, ist ein Telefonbieter siegreich.

Er zahlt rund 153000 Euro für die kegelnden Omas. Das ist Preisrekord für einen Banksy - bis auf Weiteres. Nachdem der letzte Banksy für heute unter den Hammer gekommen ist, leert sich der Saal merklich. Wieder lässt man den Blick über die Menschen schweifen, die dem Ausgang zustreben: Ist Mr. Banks dabei?

Seinen Erfolg bei Sotheby's kommentiert Banksy mit dem gewohnten Revoluzzer-Gestus. Auf seiner Website ist am Tag nach der Auktion die Schwarzweißzeichnung einer Versteigerung zu sehen. Im Rahmen, der auf einer Staffelei neben dem Auktionator steht, ist nur ein Satz zu lesen: "Ich kann nicht glauben, dass ihr Trottel diesen Scheiß wirklich kauft."

© SZ vom 14.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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