Geschlechterdebatte:Eine Welt der Vollzeitmütter

Hausfrau in der Kueche, 1933

Eine Mutter und ihre Tochter beim Kuchenbacken. Archivbild aufgenommen 1933.

(Foto: SZ Photo)

Das Familienbild der rechten Parteien in Europa steckt voller Fallen für Frauen und die Gleichberechtigung.

Von Susan Vahabzadeh

Frauenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus scheinen einfach hervorragend zusammenzupassen. Den Beweis hat gerade erst eine WhatsApp-Gruppe am Juridicum der Wiener Universität geliefert. Da haben sich Studenten zu etwas zusammengefunden, was sie "Männerkollektiv" nannten, ein Ort im Netz, an dem sie ihren gemeinsamen Sinn für Humor ausleben konnten, mit unfassbarem antisemitischen Spott, Hetze gegen Behinderte - und natürlich mit Fotos ihrer Kommilitoninnen und den dazugehörigen sexistischen Witzeleien. Bis jemand dem Magazin Falter Protokolle zuspielte. Die Jugendorganisation der ÖVP, der die Aktionsgemeinschaft an der Uni nahesteht, hat die Studenten ausgeschlossen.

Immerhin. Allerdings ist die ÖVP ja einstweilen auch eine Partei im bürgerlichen Spektrum, die weder als antisemitisch noch als frauenfeindlich gelten will. Die europäischen Parteien am rechten Rand aber haben zwar häufig Frontfrauen, aber mit Gleichberechtigung haben sie nicht viel am Hut. Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National, betont schon seit ein paar Jahren gerne, sie sei Feministin. Welche ihrer Überzeugungen, welches Abstimmungsverhalten im Europaparlament, dem sie angehört, das belegen soll - weiß nur sie allein. Ihre Parlamentskollegen können es jedenfalls nicht erkennen. Und es ist immer noch wichtig, was sie denkt: Die Präsidentenwahl mag sie gegen Emmanuel Macron verloren haben, aber sie ist immer noch die Vorsitzende des Front National, und am 11. Juni wird in Frankreich ein neues Parlament gewählt.

Wirft man die Prinzipien der Aufklärung über Bord, stellt sich Frauenfeindlichkeit von selbst ein

In der Nationalversammlung saß bis zur vergangenen Woche Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen. Die hat sich nun überraschend aus der Politik zurückgezogen. Wer immer nun auf der nationalen Ebene das Gesicht des Front National wird: Marine Le Pen gibt die Richtung vor. Und was wird aus Brüssel berichtet? Im Juni 2015 hat die Europäische Union über das Strategiepapier zur Gleichstellung abgestimmt, das noch bis 2019 gilt, ein wenig skandalträchtiges Dokument, in dem es um ökonomische Unabhängigkeit, gleiche Bezahlung, Gleichstellung bei der Entscheidungsfindung, das Beenden geschlechtsspezifischer Gewalt und das Hinaustragen einer frauenfreundlichen Gesamthaltung von Europa aus in den Rest der Welt geht.

So richtig festgelegt wird in diesem Papier wenig. Man müsse bei fortgesetzter Ungleichbehandlung "Sanktionierung in Betracht ziehen", ist da etwa so eine Formulierung, und man wolle weiter fleißig Daten sammeln. Die EU-Abgeordnete Pervenche Berès hat in mehreren französischen Zeitungen beklagt, dass Marine Le Pen auch dagegen gestimmt habe. Die ganze rechte EU-Fraktion, der Le Pen angehört, ist sowieso gegen eine EU-Richtlinie zum Mutterschutz. Und wer von Marine Le Pen eine klare Haltung zum Abtreibungsrecht erwartet, wird nichts hören außer schwammigen Antworten. Auf die Frage nach gleicher Bezahlung antwortet Marine Le Pen zwar, das verstehe sich von selbst. Und leitet dann reflexartig zum Islam um, der, sagt sie, die wahre Bedrohung der Gleichberechtigung sei. Das ist eine Politikerin, die sich nicht für gleiche Bezahlung einsetzt, dafür aber gegen Mutterschutzregelungen stimmt, allerdings auch.

Der Etikettenschwindel ist kein Versehen. Er ist absichtsvoll. Der Front National und die AfD in Deutschland setzen auf eine öffentliche Inszenierung, die dann durchs Parteiprogramm nicht gedeckt ist. Die AfD hat sich ins neue Parteiprogramm geschrieben, man wolle das "Gendermainstreaming" loswerden. Es gebe, steht im Programm, eine "Stigmatisierung traditioneller Geschlechterrollen". Nun hat sich diese Partei gerade eine Frau an die Spitze gewählt, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft Kinder hat. Das traditionelle Rollenbild, das sich die AfD vorstellt, gilt vielleicht einfach nur fürs gemeine Volk.

Frauen, die nicht weglaufen, weil sie es sich gar nicht leisten können

Das ganze Programm ist voller Fallen für Frauen. Die AfD würde das Abtreibungsrecht verschärfen. Es liege, steht im Programm, "nur bei drei bis vier Prozent" der Abbrüche "eine medizinische oder kriminologische Indikation vor, in allen anderen Fällen wird der Schwangeren nach einer Beratung eine Bescheinigung ausgestellt, die ihr eine straffreie Abtreibung aus 'sozialen Gründen' ermöglicht". Im Klartext heißt das: Dass es so etwas wie eine soziale Indikation gibt, will die AfD nicht anerkennen, und das mit der Straffreiheit ist ihr auch ein Dorn im Auge.

Die Rechte und die Misogynie finden so leicht zusammen, weil sich Frauenfeindlichkeit fast von selbst einstellt, wenn man erst einmal die Prinzipien der Aufklärung, die ganze Vorstellung, alle Menschen hätten so ungefähr das gleiche Anrecht auf die Welt, über Bord geworfen hat.

Man kann für oder gegen Quoten sein. Es gibt ja vernünftige Argumente auf beiden Seiten. Wer aber in sein Parteiprogramm schreibt, es dürfe keine Quoten geben, um die Chancengleichheit wieder herzustellen - dem ist zu entnehmen, dass Männer benachteiligt werden -, der negiert die Realität: Frauen werden nicht genauso bezahlt wie Männer. Man kann das nachweisen. Und es gibt zwar bestimmt Väter, die gerne das Sorgerecht für ihre Kinder hätten, es aber nicht bekommen. Nur sind das lange nicht so viele, wie es alleinerziehende Mütter gibt, die alles alleine auf die Reihe bekommen müssen, während sie sich an die Aussicht auf Altersarmut gewöhnen. Und dann auch noch den feindseligen Unterton des AfD-Programms aushalten müssen, in dem fantasiert wird, ihr Lebensmodell werde von Politik und Medien bevorzugt.

Aber, auch das steht im Programm: "Eine Gleichstellungspolitik im Sinne von Ergebnisgleichheit lehnt die AfD hingegen ab." Das soll wohl heißen, dass auch so eine Art gefühlte Gleichstellung im nicht messbaren Bereich existiert. Und dann ist da ja noch die "Diskriminierung der Vollzeitmütter", die es zwar so, wie sich die AfD das vorstellt, gar nicht gibt, die aber dringend aufhören muss. Alleinerziehende Frauen, das ist der Gedanke, sind sicher selbst schuld an ihrer Misere. Und wenn man sich das im Programm dargelegte Weltbild der AfD dann genauer anschaut, wird klar: Hier soll ein Zustand wiederhergestellt werden, in dem Frauen nicht weglaufen, weil sie es sich gar nicht leisten können.

Ist die Berufstätigkeit von Frauen nun Selbstverwirklichung? Oder wirtschaftliche Notwendigkeit?

Wie das mit der traditionellen Familie funktionieren soll, die sich die neue alte Rechte vorstellt? Die AfD hat da durchaus Vorschläge im Programm: Eltern müssten "stärkere Anerkennung" bekommen im Steuer-, Sozialversicherungs- und Rentenrecht. Das nützt einer Mutter - nach AfD-Wunsch Vollzeitmutter - rein gar nichts, wird sie im Alter von, sagen wir mal fünfzig Jahren, verlassen. Frauen haben nicht angefangen, ökonomisch auf eigenen Füßen stehen zu wollen, weil sie vor Tatendrang nicht wissen, wohin mit sich, sondern weil sie im Patriarchat meistens die Verlierer sind. Man sollte aufhören, sich die Berufstätigkeit von Frauen als Selbstverwirklichung vorzustellen statt als wirtschaftliche Notwendigkeit.

Was man in der Traditionswelt der Rechten dann auch nicht mehr brauchen kann, das ist die Genderforschung. Die soll in ihrer Gesamtheit aus deutschen Universitäten verschwinden. Für die AfD ist sie ein Umerziehungsprogramm, mit dem Menschen die Identität ausgetrieben wird, ihre "naturgegebene" Rolle. Wie man herausfinden soll, so ganz ohne Genderforschung, wie viel Natur und wie viel Erziehung in dieser Rolle steckt? Am besten gar nicht. Ohne Genderforschung bekommt man allerdings auch nicht heraus, wer wie bezahlt wird und ob es geschlechtsspezifische Symptome beim Herzinfarkt gibt (gibt es).

Logisch ist vieles davon nicht. Mal ganz im Ernst: Wenn die AfD glaubt, jeder Kindergärtner könnte einem Kind seine geschlechtsspezifische Identität wegerziehen - wie viel von dieser Identität kann dann eigentlich wirklich von der Natur gegeben sein?

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