"Das Schicksal ist ein mieser Verräter":Lauras Stern

Laura Dern

Ihre blauen Augen haben schon einiges gesehen: Die meisten Geschichten von Laura Dern beginnen mit ihren Eltern und hören auch mit ihnen auf.

(Foto: dpa)

In Hollywood geboren, die Eltern Stars, da hätte viel schiefgehen können. Laura Dern aber feiert ihre eigenen Erfolge - zum Teil in Filmen, die heute Kult sind. Jetzt ist sie in "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" zu sehen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Das Erste, was einem bei einem Treffen mit Laura Dern auffällt, sind die winzigen Falten um ihre Augen. Wie Sonnenstrahlen sehen sie aus, beim Lächeln kommen noch ein paar hinzu. Natürlich ist das nicht ungewöhnlich für jemanden, der gerade seinen 47. Geburtstag gefeiert hat - an diesem Ort jedoch schon: Laura Dern sitzt in einem Hotelzimmer in Beverly Hills, einer Stadt, in der Faltenfreiheit und Fettlosigkeit beinahe religiös zelebriert werden. In der sich Mädchen zum 16. Geburtstag größere Brüste wünschen, in der Hausfrauen statt Tupperpartys lieber Botoxfeiern abhalten und in der sich zahlreiche Schauspieler spätestens jenseits der 30 ins Ersatzteillager der kosmetischen Chirurgie begeben.

Laura Dern dagegen präsentiert ihre Fältchen wie Trophäen, die verdeutlichen, dass ihre blauen Augen schon einiges gesehen haben. Sie sagt: "Ich würde mich niemals mit meinem Gesicht anlegen." Dern trägt Jeans, die für Menschen entworfen wurde, die auf Laufstegen Designerklamotten präsentieren.

Sie sitzt in diesem Hotelzimmer, um Werbung zu machen für den Film "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", der seit Donnerstag in deutschen Kinos läuft - eine wunderbare Liebesgeschichte nach einem Roman von John Green über zwei krebskranke Teenager. Dern spielt die Mutter der Protagonistin Hazel Grace; sie versucht, ihrem Kind ein relativ normales Leben zu ermöglichen und will ihr den Wunsch erfüllen, den Autor ihres Lieblingsbuches in Amsterdam zu treffen.

"Es gibt diesen Moment im Film, in dem ich in das Zimmer meiner Tochter laufen muss", erzählt Laura Dern: "Sie hat gerade eine E-Mail von diesem Schriftsteller bekommen und ruft aufgeregt nach mir. Ich sollte aus der Küche hinaufgehen und fragen, was denn passiert sei - also irgendwas sagen wie: Was ist denn los? Nur: Wenn dein Kind krank ist, dann gibt es diese Was-ist-denn-los-Situation nicht mehr, jeder Moment ist ein Notfall. Mir wurde klar, dass ich diesen Unterschied nur deshalb kenne, weil ich selbst Mutter bin."

Außerhalb der Filmwelt hat Dern gemeinsam mit dem Musiker Ben Harper die Kinder Ellery (zwölf Jahre) und Java (neun). Während der Ehe - die im September 2013 nach acht Jahren geschieden wurde - war sie auch die Stiefmutter von Harpers Kindern Charles und Harris aus einer früheren Beziehung. Wie das heute eben so ist.

Ein festes Mitglied der Hollywood-Familie

Von einem gewöhnlichen Leben ist Dern dennoch so weit entfernt wie Los Angeles von Amsterdam. Sie ist die Tochter zweier Hollywood-Stars. Sie gilt als Muse des Regisseurs David Lynch (vier gemeinsame Filme), seit Jahren frühstücken sie an ihren jeweiligen Geburtstagen gemeinsam im Beverly Hills Hotel. Sie hat mit Steven Spielberg ("Jurassic Park") gearbeitet, mit Clint Eastwood ("Perfect World"), Robert Altman ("Dr. T & the Women") und Alexander Payne ("Citizen Ruth").

Sie ist einer der Fixsterne im Tinseltown-Universum, ein festes Mitglied der Hollywood-Familie. Wer sich eine Weile mit ihr unterhält, weiß manchmal nicht mehr genau: Geht es nun um ihre Rolle in "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", um ihre Eltern, um ihre Gefühle als Mutter - oder doch um die Beziehung zu Regisseuren und Kollegen? Jedenfalls sagt sie ständig: "Familie".

Man sieht ihren Augen und den Sonnenstrahlenfalten an, dass sie das ernst meint, nicht wie viele andere Schauspieler, die immer von der familiären Atmosphäre am Set schwärmen, ganz egal, wie schrecklich es in Wirklichkeit war.

Sie ist in Santa Monica geboren, und in ihrem Fall verbirgt sich hinter dieser Ortsangabe ein ganzes Paralleluniversum. Denn ihre Eltern sind Bruce Dern und Diane Ladd, prominente Charakterdarsteller. Dern wuchs also nicht einfach im ruhigen Strandstädtchen im Westen von Los Angeles auf, sondern in der Scheinwelt Hollywoods der Sechziger- und Siebzigerjahre.

Einiges erlebt, klar

Weil sie dann selbst vor die Kamera wollte, hat sie schließlich ihr ganzes Leben dort verbracht. Sie ist keines der vielen jungen Mädchen, die irgendwann aus Nebraska oder Ohio oder South Carolina nach Tinseltown kommen und von einer Karriere als Schauspielerin, Musikerin oder wenigstens Gespielin eines Promis träumen. Laura Dern war schon immer da.

Sie kennt Geschichten, die man sich stundenlang anhören könnte - weil sie einerseits tatsächlich interessant sind, vor allem aber deshalb, weil Dern sie mit einer herrlichen Beiläufigkeit ins Gespräch einfließen lässt. Die Botschaft dabei lautet stets: Wer tolle Geschichten erzählen will, der muss sie erst einmal erleben. Dern hat einiges erlebt, klar. Und sie weiß auch, dass das zu einem gewissen Teil mit ihrer privilegierten Herkunft zu tun hat.

Die meisten Geschichten von Laura Dern beginnen mit ihren Eltern und hören auch mit ihnen auf. Etwa jene, wie sie im Alter von fünf Jahren ins Bett ihrer Mutter gekrochen kam, weil sie zuvor den Film "Hush, Hush, Sweet Charlotte" gesehen hatte: "Ich sah, wie der abgetrennte Kopf meines Vaters eine Treppe hinunterrollt. Ich war fünf! Meine Mutter hat mich beruhigt und meinen Vater angerufen. Der sagte nur: 'Ja, Kleine, der Kopf ist noch drauf - alles in Ordnung.' Ich habe mir nur gedacht: Okaaaaaay! Ich bin mir sicher, dass das heute einen großen Teil meiner Rechnungen für therapeutische Sitzungen ausmacht."

Dann lacht sie, laut und fröhlich genug, um zu vermitteln, dass das nun ein Scherz war - aber dann zieht sie die Augenbrauen hoch und neigt den Kopf zur Seite. Das mit der Therapie war wohl durchaus ernst gemeint.

Sie erzählt, wie sie in der fünften Klasse vom Vater eines Spielkameraden beschimpft wurde: "Er sagte zu mir: 'Als ich hörte, dass mein Sohn dich mitbringt, da war ich nicht gerade begeistert. Dein Vater ist ein Hurensohn!'"

"Ich habe 19 Waffeln mit Bananeneis gegessen"

Der Grund für die Ablehnung: Bruce Dern ist einer der ganz wenigen Darsteller, die John Wayne auf der Leinwand erschossen haben - und das auch noch als Viehdieb. Eiskalt von hinten! In "The Cowboys" (1972) war das: "Da habe ich gemerkt, wie gut mein Vater sein muss, wenn die Menschen ihn derart mit den Figuren assoziieren, die er spielt", sagt Dern.

Und natürlich gibt es die Geschichte, wie Martin Scorsese ihr Talent entdeckt hat. Das war 1974, Scorsese drehte mit Derns Mutter den Film "Alice Doesn't Live Here Anymore". Dern war sieben Jahre alt und lungerte ohnehin andauernd am Set herum - da konnte sie auch gleich ein Mädchen spielen, das im Hintergrund Eiscreme isst. "Ich habe 19 Waffeln mit Bananeneis gegessen", sagt Dern. Scorsese sagte zu ihrer Mutter: "Wenn sie sich jetzt nicht übergibt, dann ist sie bereit, Schauspielerin zu werden." Und genauso kam es dann auch.

Sie wollte unbedingt Schauspielerin werden , ihre Mutter wollte genau das verhindern: "Sie wollte mich beschützen, weil sie wusste, wie schwierig es gerade für eine junge Frau ist, die Teenagerjahre als Schauspielerin zu verbringen."

Dern jedoch blieb stur, und sie verklagte ihre Eltern sogar, um im Alter von 13 Jahren im Punkband-Film "Ladies and Gentlemen, The Fabulous Stains" mitspielen zu dürfen. Wer glaubt, dass diese Klage - oder die Scheidung ihrer Eltern im Jahr 1969 - die Beziehung zu Mutter und Vater verschlechtert hätte, der täuscht sich. Am 1. November 2010 bekamen die drei jeweils einen Stern auf dem Walk of Fame, direkt nebeneinander.

Eine lange Pause

Dern arbeitete mit ihrer Mutter an zahlreichen Projekten, zuletzt an der Fernsehserie "Enlightened". "Mein Vater hat nach jeder einzelnen Folge angerufen und mir gesagt, wie es ihm gefallen hat", erzählt sie.

Man muss sich ein Treffen von Vater, Mutter und Tochter tatsächlich so vorstellen: Jeder gratuliert dem anderen zur Leistung im aktuellen Film. "Es ist doch phantastisch, wenn man weiß, was seine Eltern machen - und dass ich stolz sagen kann, dass ihre beste Arbeit genau jene ist, die sie zuletzt gemacht haben."

Viele Kinder wissen heutzutage nicht, was ihre Eltern genau treiben, wenn sie morgens das Haus verlassen und am Abend heimkommen: "Ich aber kann sie beobachten und stolz sein - und sie können meine Arbeit sehen."

In "Enlightened" spielt Dern eine Frau, die nach einem Nervenzusammenbruch zum Whistleblower gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber wird. Erwartungsgemäß war Bruce Dern stinksauer, als seine Tochter bei den Emmy-Awards 2013 dafür nicht als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. "Das war doch sehr süß von ihm", sagt Dern. "Unsere Beziehung ist in den vergangenen Jahren noch viel herzlicher geworden. Er zitiert heute noch ständig eine Passage aus 'Enlightened', in der ich sage: 'I'm just a girl who's over it.'" Sie grinst. "Ich finde es ziemlich lustig, wenn ein 77 Jahre alter Mann auf die Frage, wie es ihm geht, einfach nur sagt: Ich bin bloß ein Mädchen - und ich bin drüber weg."

Wer sich die Liste der Auszeichnungen (vier Golden Globes) und Nominierungen (einmal für den Oscar und fünfmal für einen Emmy) ansieht, dem dürfte eine lange Pause auffallen: Dern war in den Achtzigern und Neunzigern einer der heißesten Stars in Hollywood; seit einigen Jahren gehört sie wieder zu den Stammgästen auf den Listen der Preisverleihungen.

Was aber ist in der Zeit dazwischen passiert, die wirkt wie ein Bruch in einer makellosen Karriere, wie das zeitweilige Abkühlen eines Sterns? Die Erklärung: Sie hat zwei Kinder bekommen - und sie wollte nicht, dass die an Filmsets aufwachsen wie sie selbst.

Ein paar gescheiterte Beziehungen, das war's

Ein bisschen Normalität in dieser verrückten Stadt. "Wir sind gesegnet, in dieser Zeit Eltern sein zu dürfen", sagt sie: "Bei unseren Eltern hieß es noch: 'Du bist doch nur ein Kind, du weißt nichts! Aber Mami hat dich lieb.' Wir jedoch haben gelernt, dass unsere Kinder gleichberechtigt sind, dass wir ihnen das wahre Leben zeigen müssen. Wenn du mit deinem Partner streitest, dann darf dein Kind das ruhig sehen - und auch die Versöhnung . Vor 40 Jahren hätte es geheißen: Wie, du hast vor deinem Kind mit deinem Partner gestritten? Was, ihr habt euch vor den Augen eurer Kinder geküsst?"

Die Kinder ermöglichten ein wenig Gewöhnlichkeit im Hollywood-Leben von Laura Dern, in deren Biografie man keine Eskapaden oder Skandale findet. Ein paar gescheiterte Beziehungen mit anderen Schauspielern, mit Nicolas Cage etwa oder mit Jeff Goldblum, das war's.

Und natürlich die Trennung von Billy Bob Thornton: Mit dem war sie verlobt, ehe sich Thornton in Angelina Jolie verliebte und einfach abhaute. Dern hat das einmal so geschildert: "Ich habe das Haus verlassen, um einen Film zu drehen. Während ich weg war, hat mein Freund geheiratet, und ich habe nie wieder von ihm gehört." So geht das eben manchmal zu in dieser verrückten Stadt, in der Laura Dern geboren und aufgewachsen ist - und deren Teil sie noch immer ist.

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