Geburtstag:Lieben, Toben, Werben

Geburtstag: Pressekonferenz mit Peymann (M.) und Peter Stein (l.) 1984.

Pressekonferenz mit Peymann (M.) und Peter Stein (l.) 1984.

(Foto: Ludwig Binder)

Die Werkbiografie "Mord und Totschlag" würdigt Claus Peymanns Lebensgeschichte detailliert auf 536 Seiten als Theaterepoche.

Von Christine Dössel

Er ist das Großmaul des deutschsprachigen Theaters, sturköpfiger Grantler und Grandseigneur, der Intendanten-Patriarch par excellence: Claus Peymann, Altmeister der Regie und lebende Theaterlegende, als solche noch bis zum 2. Juli Chef des Berliner Ensembles (BE), danach Rentner im Unruhestand. 80 Jahre wird er an diesem Mittwoch alt.

Geboren wurde Claus Peymann am 7. Juli 1937 in Bremen. Dass sein Lehrer ihm schon 1947 ins Klassenbuch schrieb "Peymann rülpst - und sieht sich triumphierend um", scheint bezeichnend für einen Mann, der stets auf Wirkung zu setzen wusste und über Jahrzehnte die Theaterlandschaft aufmischte. Wenn es diesen Polterer nicht gäbe und er nicht so ein ausgezeichneter Selbstdarsteller wäre, hätte spätestens Thomas Bernhard ihn erfinden müssen. Zampano Peymann, der große Bernhard-Freund und -Uraufführer, scheint den österreichischen Wut-Dichter ohnehin zu manch einer Figur und Stückidee inspiriert zu haben.

80 Jahre Claus Peymann - das ist ein Leben im Theater und für das Theater, ein permanentes Lieben, Toben und Werben, ein unablässiger Kampf - gegen das feiste rechte Bürgertum, gegen den Mief der Wohlstandsjahre, gegen die Beschränktheit der Mächtigen, gegen all die Ignoranten, "Lebenszwerge" und Zerstörer, die Peymann in der Kulturpolitik ebenso ausmacht wie im Regietheater.

"Mord und Totschlag" lautet entsprechend der Kampf-Titel jener Werkbiografie, die dieses reiche Arbeitsleben auf 536 Seiten so detailliert wie anekdotenreich darstellt: mittels alter Interviews, Polemiken, Reden, Artikel, Briefwechsel mit Freunden und Feinden. Dazu zahlreiche Fotos, die alleine schon Theatergeschichte erzählen. Bilder von legendären Peymann-Inszenierungen wie Kleists "Hermannsschlacht" in Bochum oder Bernhards "Heldenplatz" in Wien. Aber auch viele private Bilder von Weggefährten und Freunden.

Das großartige Buch, in Fleißarbeit erstellt und herausgegeben von BE-Chefdramaturgin Jutta Ferbers zusammen mit Anke Geidel, Miriam Lüttgemann und Sören Schultz (Alexander Verlag Berlin, 26 Euro), ist ein Must-have für alle Theaterliebhaber - für Peymann-Fans wie Peymann-Hasser. Denn es bildet mehr ab als die Summe eines Lebens, es beschreibt eine ganze Theaterepoche, von den Sechzigern bis heute. Dass die Inszenierungen der letzten Jahre nicht mehr die Kraft seiner früheren Arbeiten haben, bleibt allerdings ausgespart.

Der Band folgt chronologisch Peymanns Stationen von seinen Anfängen an der Studiobühne der Universität Hamburg über seine turbulenten Intendanzen am Schauspiel Stuttgart (1974-1979), in Bochum (1979-1986) und am Burgtheater Wien (1986-1999) bis zuletzt am Berliner Ensemble (seit 1999). Eingeschoben sind "Exkurse" zu speziellen Themen wie "Peymanns Klassiker-Inszenierungen" oder zu Peymanns bevorzugten Autoren, als da neben Thomas Bernhard vor allem Peter Handke wäre. Elf Handke-Stücke hat Peymann uraufgeführt, angefangen bei der "Publikumsbeschimpfung" (1966) und "Kaspar" (1968), die am Frankfurter TAT Skandale auslösten.

Überhaupt pflastern Skandale - echte und aufgeblasene - Peymanns Weg. In seiner Stuttgarter Zeit wurde er 1977 wegen der "Zahnspenden-Affäre" als RAF-Sympathisant beschimpft, als Piefke-Burgtheaterdirektor in Wien angefeindet und bespuckt (siehe oben), und in Berlin legte er sich mit dem Ex-Kultursenator Tim Renner an. Wo Claus Peymann Intendant war, war das Theater stets im Gespräch. Für viele Zeitgenossen ist er eine Plage, für das Theater ist er ein Geschenk.

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