Film "Grace of Monaco":Fremde Fürstin

Nicole Kidman in "Grace of Monaco"

Nicole Kidman in einer Szene von "Grace of Monaco" von Olivier Dahan.

(Foto: dpa)

Die Menschen bewundern Grace Kelly für ihre Anmut und die stilprägende Eleganz. Doch war die Amerikanerin wirklich glücklich im Palast der Grimaldis? Der Film "Grace of Monaco" mit Nicole Kidman will diese Frage beim Festival in Cannes endlich klären.

Von Anne Goebel

Als Grace Kelly am 12. April 1956 nach achttägiger Atlantik-Überfahrt auf der SS Constitution in der Bucht von Monte Carlo landet, um in einem kleinen Fürstentum Ehefrau des Regenten Rainier III. zu werden, warten an Land 50 000 Menschen auf ihre Ankunft. Die Schauspielerin ist Aufruhr um ihre Person gewöhnt, nach ihren letzten Filmen strahlt im amerikanischen Kino kein Stern heller als ihrer. Miss Kelly weiß, was von ihr erwartet wird. In kurzen Handschuhen zum perfekt sitzenden Mantel geht sie von Bord und sieht aus, wie keine normal Sterbliche nach 192 Stunden Schiffspassage aussehen würde.

Was sie nicht weiß: Dass das von nun an das Mindeste ist. Monaco ist winzig, aber kein Filmset, sondern der permanente Ernstfall. Kellys grandioser Hut, ein wagenradgroßer Schattenwerfer aus Organza, verdeckt auf der Gangway immer wieder Teile ihres Gesichts. Sollte die Amerikanerin der Überzeugung gewesen sein, öffentlicher als ein Hollywoodstar könne man nicht mehr werden - that hat wird Lektion Nummer eins: Du gehörst ihnen vollständig. Die künftigen Untertanen und 1600 angereiste Journalisten sind empört über die Kopfbedeckung. Man fordert freie Sicht auf das makellose Antlitz. Zwei Tage später trägt die Braut beim Empfang zur Entgegennahme von Hochzeitspräsenten etwas kleines Blaues, das die Bezeichnung Hut gerade noch zulässt.

Vom Leinwandidol zur Landesfürstin: Die Geschichte von Grace Kelly gleicht in vielem dem, was gern als modernes Märchen bezeichnet wird. Märchenhaft im Sinne von sorglos ist ihr Leben in Europa zwar keineswegs gewesen. Aber das macht ja gerade die Faszination dieser utopischen Existenzen aus: Hinter jedem Prinzessinnenschloss lauert irgendwo doch das Gemeine, Böse. Und wenn nun im Mai bei den Festspielen von Cannes die Legende der blonden Princess Grace aus Philadelphia im Delaware Valley wieder einmal wachgeküsst wird, kann man davon ausgehen, dass die alten Mechanismen funktionieren: Erst das Dunkle macht das Schöne interessant.

Der ideale Filmstoff, auch heute noch

Der Film über ihr Leben, "Grace of Monaco", soll am 14. Mai das Festival an der Croisette eröffnen, eine Stunde Fahrt entfernt vom Palast der Grimaldis, in dem sie residierte. Viele Menschen bewundern Grace Kelly noch immer für ihre Anmut, ihr schauspielerisches Können, die stilprägende Eleganz. Aber ein Biopic über eine Ikone der Fünfzigerjahre, die zur "Serene Highness" der Riviera wurde, Nicole Kidman in der Titelrolle - die Produzenten müssen mehr Potenzial in der Geschichte gewittert haben. Ziehen Wolken auf am Himmel über der Côte d'Azur, legt sich etwas Halbdunkles auf Grace Kellys schneewittchenreine Gestalt? Das waren, schon bald nach der Traumhochzeit, die spannenderen Fragen, und sie haben ihren Reiz kaum verloren.

Regisseur Olivier Dahan legt den Schwerpunkt auf die Krisenmomente: Die Kämpfe der jungen Ehefrau mit einem rigiden Protokoll, von Kleiderfragen bis zur Kindererziehung, die Probleme mit dem cholerischen Rainier - das Filmplakat, ein tränennasses Auge in Großaufnahme, sagt schon ziemlich viel. Im Zentrum das annus horribilis 1962, als ein politischer Konflikt mit de Gaulles Frankreich das Fürstentum ernsthaft erschüttert, Gracia Patricia sich zu fügen hat. Eine Rückkehr auf die Leinwand wird es nicht geben - und über allem schwebt natürlich ihr tragischer Unfalltod zwei Jahrzehnte später, mit 52 Jahren.

Als das Märchen begann, im Hollywood der Fünfzigerjahre, hätte keine außer ihr nach einer echten Krone greifen können. Nach ihrem Auftritt im Film "High Noon", in dem sie 1952 als Gary Coopers liebende Gattin mit Quäkerhäubchen einen Banditen zur Strecke bringt, werden die großen Studios aufmerksam auf das Mädchen aus Philadelphia. In wenigen Jahren schafft es die Tochter eines millionenschweren Bauunternehmers zum Superstar. Hochgewachsen, blond und diese Spur Arroganz im Blick: Grace Kelly wird zum Inbegriff der höheren Ostküsten-Tochter.

Vor allem ihre Rollen unter der Regie von Alfred Hitchcock, in "Das Fenster zum Hof" (1954) und "Über den Dächern von Nizza" (1955), festigen für alle Zeit das Bild von der kühlen Schönheit mit subtilem Sexappeal. Ihre Filmkostüme schreiben Geschichte, von dem Kleid mit schneeweiß aufgefächertem Tüll in "Rear Window" bis zur eisblauen Vestalinnen-Robe, vor der Cary Grant als pensionierter Juwelendieb die Waffen streckt. Was immer sie trägt, es ist "das absolute Ende der Eleganz", wie eine Kolumnistin betört notierte.

"Who made Grace Kelly", wer erschuf Grace Kelly? Ihre Produzenten, Regisseure, Kostümbildner haben übersehen, dass sie wenig dem Zufall überließ. Unsereins strebt stets nach Höherem, das hatten die ambitionierten Kelly-Eltern allen vier Kindern mitgegeben. Die Drittjüngste verstand früh, dass es im Filmgeschäft darauf ankommt, ein Bild von sich zu erschaffen, eine Illusion. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere hat sie das Image der Unfassbaren perfekt austariert. Grace umgibt sich mit distinguierten, oft älteren Begleitern, während Gerüchte die Runde machen, sie sei alles andere als zimperlich bei ihren Affären. Sie liebt Luxusmarken wie Hermès - und pflegt dann wieder den Collegemädchen-Stil mit ärmellosem Sweater und Sonnenbrille, der ihr so gut steht, dass man versucht ist, darin ihr wahres Ich zu sehen.

Wer, wenn nicht sie?

1955 nimmt Grace Kelly ihren Oscar für "The Country Girl" jedenfalls angemessen aristokratisch in den unvermeidlichen Handschuhen entgegen. Sie ist 25 Jahre alt, und die Welt, so musste es für sie aussehen, liegt ihr zu Füßen. Viel Platz nach oben, für noch mehr Glamour, war da nicht mehr. Die "Hochzeit des Jahrhunderts" zwischen Amerikas Augenstern und dem europäischen Staatsmann Rainier Grimaldi findet in der Kathedrale mit dem schönen Namen Notre-Dame-Immaculée statt. Grace Patricia Kelly wird in einem hochgeschlossenen Kleid aus Spitze, einen Maiglöckchenstrauß samt zierlicher Bibel in der Hand, zur Gemahlin eines wahrhaftigen Fürsten. Wer, scheint es aus jedem einzelnen der tausendfach verbreiteten Fotos zu seufzen, wer, wenn nicht sie?

Ein überschaubares Reich, halb so groß wie der Central Park

Hinter den Kulissen kam die Verbindung dem nahe, was man eine arrangierte Partie nennt. Rainier Grimaldi ist zwar Spross eines stolzen Geschlechts, doch sein Reich ist halb so groß wie der Central Park, muss sich der Monegasse in Amerika öfters sagen lassen. Mitte der Fünfzigerjahre ist er über 30 und unverheiratet, das Volk in dem 202-Hektar-Ländchen drängt auf einen Thronfolger. Andernfalls gehe das Gebiet an Frankreich. Rainier III., mit dunklem Teint und Schnurrbartstrich, gilt als einer der begehrtesten Junggesellen Europas, allein: Es fehlt die passende "fiancée". Als Grace Kelly 1955 bei den Festspielen von Cannes einschwebt, eine Frau mit Format und der richtigen Religion, stimmt der katholische Fürst unter dem linden Druck seines Hofkaplans einer von der Presse eingefädelten Begegnung zu.

In den Aufsätzen der Klatschreporter über das Rendezvous werden gern schicksalhafte Hindernisse beschworen, eine Autopanne, Verspätungen - dabei ist das Bizarre an dem Treffen die Vorstellung, welche Typen im Hintergrund auf ein Gelingen warten. Der irisch-amerikanische Pater Francis Tucker, engster Berater des Fürsten, die Journalisten von Paris Match, die auf einen Scoop hoffen. "Der Prinz war charmant", ließ die Umworbene nach dem Rundgang im Schlossgarten knapp verlauten. Doch das Paar fand durchaus Gefallen aneinander, daran scheint es trotz aller späteren Krisen keinen Zweifel zu geben. Während Rainiers Aufwartung bei den Eltern der Braut wird zu guter Letzt auch Vater John gewonnen, ein überzeugter Demokrat, der dem Besuch mitteilte, er halte nicht übermäßig viel von Prinzen.

Opening Film - Cannes Film Festival 2014

Nicole Kidman in einer Szene von "Grace of Monaco".

(Foto: Gaumont/dpa)

Dass das Märchen von Grace Kelly schrittweise zur Legende erstarrt, ist nicht erstaunlich. Sie verschwindet hinter den Mauern eines Palastes und reift in Grazie zur zeitlos schönen Landesmutter. Wohltätigkeiten, der Rosenball, Gestecke aus Trockenblumen, für die sie eine seltsame Leidenschaft entwickelt haben soll - das ist am Ende alles dürftig im Vergleich zu ihrer Karriere davor, und weil die Zukunft so absehbar erscheint, wird das Vergangene wieder und wieder bemüht, als wären "High Society" und "Das Fenster zum Hof" erst gestern gewesen. Für das Fürstentum Monaco erweist sich die Partie als wunschgemäß gelungen, der Jetset kehrt zurück in die Glitzerwelt, das Casino nimmt neuen Aufschwung. Grace Kelly bekommt drei Kinder, Caroline, Albert und Stéphanie, und zur Geburt des Stammhalters 1958 gibt Rainier, der sich am liebsten mit Autos, Tieren und Sport beschäftigt, bei Cartier eine Brosche in Auftrag nach dem Modell ihres Lieblingspudels Oliver.

Die Monegassen schließen ihre Fürstin ins Herz, weil sie großzügig und niemals außer Kontrolle ist; der französische Hersteller Hermès benennt eine bis heute ikonenhaft bewunderte Handtasche nach ihr, die "Kelly Bag". Doch der Bruch in ihrer Biografie ist überdeutlich. Oft wird in Büchern das Bild einer heilen Welt entworfen, als habe sie hinter trutzigen Pforten tatsächlich das Paradies vorgefunden. Oder man überhäuft die Leser mit Details zu ihrer krisengebeutelten Ehe mit einem dominanten Partner, der Einsamkeit in der geregelten Ereignislosigkeit des Hofs, den Gerüchten über Affären und Alkoholprobleme.

Am 14. September 1982 stirbt Gracia Patricia im Alter von 52 Jahren nach einem Autounfall auf der kurvigen Straße La Turbie, bei dem ihre Tochter Stéphanie schwer verletzt wird. Die Ärzte vermuten, dass ein Schlaganfall am Steuer ihre Fahrtüchtigkeit einschränkte. Ganz in der Nähe hatte sie die Szene einer rasanten Coupéfahrt mit Cary Grant gedreht in "Über den Dächern von Nizza", einem ihrer besten Filme. Im Herbst 1982 trifft Monaco noch einmal die ganze Wucht einer außer Rand und Band geratenen Presse, von Mafia bis Suizid wird vor keiner Spekulation Halt gemacht.

Genau zwanzig Jahre zuvor hatte sich Grace Kelly mit dem Verzicht auf die Hauptrolle in "Marnie", die Alfred Hitchcock ihr anbot, endgültig verabschieden müssen von der Vorstellung, ins Filmgeschäft zurückzukehren. Im Palast wurde entschieden, das gehöre sich nicht in ihrer Stellung. "Es bricht mir das Herz", schrieb sie dem Regisseur. Spätestens damals muss ihr bewusst geworden sein, dass ihr Plan vom beneidenswerten Leben einer echten Prinzessin, ob er nun kühl berechnet war oder furchtbar naiv, nicht aufgehen würde.

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