Film:Der liederliche Kandidat

Wie wird man Präsident in Bolivien? Sandra Bullock zeigt in "Die Wahlkämpferin", was wirklich schmutzige Politik ist.

Von Susan Vahabzadeh

Wenn Hollywood am Polit-Betrieb herumnörgelt, gibt es da einen ausgemachten Erzfeind: jene Gestalten, die in Wahlkämpfen an den Kandidaten herumschrauben, der Presse die geheimen Verfehlungen des Gegners zuspielen und alle Ideale verscherbeln für einen Prozentpunkt mehr in der nächsten Umfrage. So jemand ist Jane Bodine, die Sandra Bullock in "Die Wahlkämpferin" spielt. Sie ist etwas verschroben, hat sich auf eine Hütte zurückgezogen und töpfert, und es lockt sie nicht einmal das Honorar, als eine alte Weggefährtin auftaucht und ihr einen Präsidentschaftswahlkampf in Bolivien andrehen will - Jane nimmt den Job nur an, weil ihr Washingtoner Lieblingsfeind Pat Candy (Billy Bob Thornton) einen der anderen Kandidaten am Gängelband führt.

Die Ausgangslage ist also von vorneherein grotesk: Was haben ein Haufen Washingtoner Spin-Doctors eigentlich im bolivianischen Wahlkampf verloren? "Die Wahlkämpferin" tritt mit einem erstaunlich heiteren, nachgerade taktlosen Tonfall an, gemessen an dem, um was es geht - Slapstick? Sandra Bullock beerbt hier schließlich zwei andere große Wahlkampf-Filme, Robert De Niro erfand in "Wag the Dog" mal eben einen Krieg, Ryan Gosling ließ in "The Ides of March" eine junge Geliebte über die Klinge springen - aber das, was Regisseur David Gordon Green hier auf die Bolivianer loslässt, ist noch mal zwei Nummern zynischer: Es ist schiere Politikverachtung. Jane Bodine tut sich schwer in den Anden, sie leidet an der Höhenkrankheit, sie pflegt ihre schlechte Laune, nimmt nur ungern ihre riesige Sonnenbrille ab, und sie teilt dem amerikanischen Team, das versucht, diesen komischen Castillo an die Macht zu hieven, unverblümt mit, was sie denkt: Dieser liederliche Unsympath mit seinem Riesenvermögen, der offen zur Schau getragenen Verachtung für die ärmeren zwei Drittel der Bevölkerung und seinen schlechten Manieren - Trump-Alarm! - ist unwählbar. Castillo wird dann auch bald sauer, weil da in seinen Meetings immer diese hoch bezahlte Frau herumsitzt, sich in den Mülleimer übergibt und gelegentlich gelangweilt mit den Achseln zuckt.

Film"Die Wahlkämpferin"

Genervt und gelangweilt: Jane Bodine (Sandra Bullock) betreut eine Präsidentschafts-Kandidatur, die weder dem Land noch ihr guttun kann.

(Foto: Courtesy of Warner Bros Pictures; Verleih)

Sie wacht erst auf, als Pat Candy ihr den Fehdehandschuh hinwirft - an und für sich ein Kompliment, denn sein Kandidat steht blendend da, ihrer wird verlieren. Dann wird der Rüpel Castillo so provoziert, dass er jemanden vor laufenden Kameras schlägt, und in der Ferne sieht Jane Bodine Pat Candy. Und daraufhin hat sie eine Idee: Es wird am nächsten Tag keine unterwürfige Entschuldigung geben. Stattdessen wird sie eine bolivianische Krise erfinden, die nach einem Präsidenten verlangt, der auch mal zuschlägt, wenn es nötig ist: "Our Brand is Crisis" heißt der Film im Original, unsere Marke ist die Krise. Wenn du einen Kandidaten hast, der in diesem Land nicht gewinnen kann - dann verändere eben das Land, bis es passt. Bolivien, wird Castillo nun predigen, steht am wirtschaftlichen Abgrund und muss verteidigt werden. Das wird so weit gehen, dass er öffentlich verspricht, den IWF aus dem Land zu werfen - und eigentlich ist klar, dass er nicht im Traum daran denkt, das zu tun.

Wenn du einen Bewerber hast, der nicht gewinnen kann: Dann verändere das Land

Die Rolle sollte ursprünglich George Clooney spielen, der nun lediglich der Produzent ist - dass ein für einen Mann konzipierter Film auf eine Frauen-Hauptrolle umgedreht wird, kommt nicht alle Tage vor. Das ist einerseits erfrischend, Bullock in der Rolle der genialen Strippenzieherin zu sehen. Andererseits ist das Kränkeln und das Schwächeln an diesem Polit-Superhirn eher weiblich; und dass sie dabei auch noch ein Tollpatsch ist, das ist inzwischen so eine Art Bullock-Effekt. Seit einem Jahrzehnt versucht sie, das Image der eleganten Hollywood-Diva mit komischen Auftritten zu sabotieren. Davon abgesehen wäre es eigentlich schon ganz aufregend gewesen zuzugucken, wie Clooney mit einer Sauerstoffflasche im Schlepptau durch Bolivien stolpert und sich gelegentlich in Papierkörbe erbricht.

David Gordon Green hat das Buch dazu zusammen mit Peter Straughan geschrieben, es basiert auf einem Dokumentarfilm - denn so einen bolivianischen Wahlkampf, an dem die Amerikaner herumgefummelt haben, hat es 2002 tatsächlich gegeben. Diese Fiktionalisierung schlingert nun zwischen Slapstick und Zynismus hin und her, bis sie irgendwann, sehr spät, plötzlich ganz ernst wird; so lange muss man dann durchhalten. Denn letztlich ist David Gordon Green viel radikaler als Clooney es mit seinen "Ides of March" war. Da war der Betrieb noch reformierbar. Castillos Team kann man nur noch den Kampf ansagen.

Our Brand Is Crisis, USA 2015 - Regie: David Gordon Green. Drehbuch: David Gordon Green, Peter Straughan. Kamera: Tim Orr. Mit: Sandra Bullock, Billy Bob Thornton, Anthony Mackie, Ann Dowd, Zoe Kazan. Warner, 107 Minuten.

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