Elektronische Musik:Das Geschäft hinter den Decks

Auf der Messe "Mixcon" informiert sich die Elektro-Szene über Neuheiten und tauscht Erfahrungen aus. Während sich die Branche optimistisch präsentiert, kritisieren DJ-Größen auch die Fokussierung auf den wirtschaftlichen Erfolg

Von FLORIAN HOLLER

Es gibt da diese neue Erfindung, das Internet - ist ganz toll. Kennt das hier jemand?", fragt Westbam, als er gemeinsam mit anderen Stars wie Da Tweekaz und Riva Starr auf dem Podium der Mixcon sitzt und dem Publikum erklären soll, wie man eine erfolgreiche DJ-Karriere aufbaut. Ausgelassenes Gelächter ist ihm sicher, denn natürlich kennen nicht nur alle Anwesenden im Raum diese tolle Erfindung, sie dürfte auch ein gewichtiger Grund dafür sein, dass es der Branche gerade so gut geht. Zum dritten Mal fand am Freitag und Samstag die Mixcon, eine Messe für elektronische Musik statt. Das erste Mal trauten sich die Veranstalter in die große und renommierte BMW-Welt. Nicht nur dies ein Ausdruck dafür, dass die Zeiten für elektronische Musik schon einmal schlechter waren. Auf der Ausstellerfläche präsentierten alle großen Marken der Branche, von Poineer bis Akai, ihre neuen Turntables, Synthesizer und Mixer, die von den Gästen der Messe ausprobiert werden konnten. Über die Treppe erreichte man die zwei Konferenzsäle. Dort versammelten sich DJs, Manager und Labelchefs, um über die Lage der Branche zu diskutieren. Im Anschluss an die Gespräche verlagerte sich das Geschehen in die Klubs der Stadt. Lange beschränkte sich der Einfluss elektronischer Musik auf Nachtklubs und kleine, eingeschworene Subkulturen. Heutzutage finden sich DJs wie Calvin Harris oder Robin Schulz in den Bestenlisten der Charts wieder. David Guetta, Speerspitze kommerziell erfolgreicher, elektronischer Musik, arbeitet auf seinen Alben mit Popstars wie Rihanna oder Justin Bieber zusammen. Viele der heutigen Stars begannen ihre Karriere im Internet. Entsprechend optimistisch präsentierte sich die Branche auf der Messe. Joeysuki, lange selbst erfolgreicher DJ und mittlerweile als Artist Coach unterwegs, erklärte, warum es nie bessere Zeiten gab, um als DJ erfolgreich zu sein: "Heute hat man einfach viel mehr Möglichkeiten. Vor zwanzig Jahren gab es Leute, die für dich entscheiden haben, ob deine Musik gut genug ist, um veröffentlicht zu werden. Jetzt ist niemand da, der dich stoppen kann. Wenn sie dir heute erzählen, du bist scheiße, kannst du deine Musik im Internet auf unzähligen Plattformen veröffentlichen."

Bei der großen Beliebtheit, der sich elektronische Musik momentan erfreut, war es kein Wunder, dass das Publikum der Mixcon zu großen Teilen aus jungen Nachwuchsmusikern bestand, die ihren Idolen nacheifern wollen. Bei diesen kam das Konzept der Messe gut an. Gerade der direkte Austausch mit den DJs wurde positiv bewertet: "Ich war schon letztes Jahr hier und bin begeistert gewesen. Man erhält viele Insights von den großen Namen; wie sie arbeiten und wie sie ticken. Da kann man schon eine Menge mitnehmen", erzählt Lorenz Wendlinger (19). So wie Joeysuki nehmen sich die Redner viel Zeit, um auf die Fragen des Publikums einzugehen. Zusätzlich gab es sogenannte Auditions in den Autos der BMW-Welt, bei denen Nachwuchsmusiker ihren Idolen die eigene Musik präsentieren konnten und direktes Livefeedback erhielten. Parzival Hacker (20) zeigte sich von dieser Möglichkeit begeistert: "Ich produziere daheim selber Musik, habe aber bisher noch nichts veröffentlicht. Da ist so eine Audition schon eine schöne Möglichkeit, um herauszufinden, wo man steht", erzählte er.

Doch es gab auch kritischere Stimmen, die vor allem die auf Karriere und kommerziellen Erfolg ausgerichteten Diskussionsformate kritisierten. Lillemore (Künstlername), selbst DJane, sagte: "Zwar will ich natürlich auch Geld verdienen, aber dieses komplett durchkommerzialisierte ist gar nicht meine Welt." Auch der geringe Frauenanteil stoße ihr sauer auf. Zwar gab es eine Diskussionsrunde, bei der Frauen über das Musikbusiness diskutierten, ansonsten waren die Panels aber stark von Männern dominiert. "Frauen sind immer mehr Teil der Szene und das spiegelt sich hier nicht ganz wieder. Gerade die Mixcon als große Konferenz hätte die Chance nutzen können, um das mehr zu würdigen", findet sie. Auch Westbam, einer der bekanntesten Namen, der auf der Mixcon sprach, äußerte im Anschluss an seinen Vortrag gemischte Gefühle: "Natürlich kriegt man hier einen guten Einblick in die Arbeit der Kollegen. Aber vieles, wovon da gesprochen wird, ist genau das Gegenteil, woran ich glaube: Dieses Denken vom Künstler als Baustein innerhalb eines Markenprodukts." Tatsächlich gab es zwar Panels, die auf künstlerische Aspekte eingingen, die wirtschaftliche Seite dominierte die Diskussionen allerdings bei weitem: Wie kann man mit Social Media eine starke Marke aufbauen? Wie schafft man es, von Labels aufgenommen zu werden? Und wie führt man diese am profitabelsten?

Die Mixcon dürfte bei dem großen Interesse, das elektronische Musik momentan erfährt, auch in den nächsten Jahren weiter wachsen. Davon wird gerade die Szene in der Stadt profitieren, der noch immer ein biederes Image anhaftet. Und auch die zumeist jungen Besucher der Messe werden einiges gelernt haben, sollten aber bei allen wirtschaftlichen Erkenntnissen nicht vergessen: Am Ende zählt nicht die Anzahl der Follower, sondern die Musik.

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