Eichinger-Dokumentation "Der Bernd":Andeuten und weiterspringen

Wo Bernd Eichinger war, klafft heute eine Lücke im deutschen Film. "Der Bernd", eine Hommage seiner Weggefährten, erinnert nun an ihn. Sie hätte, seien wir ehrlich, auch ganz schrecklich werden können. Stattdessen dröhnt gleich am Anfang einfach mal dieses Lachen.

Tobias Kniebe

Dies ist ein Abend der Constantin Film, und niemand macht im Münchner Mathäser-Kino irgendein Geheimnis daraus. Alle sind da, eine Dokumentation hat Premiere, eine Filmfirma würdigt ihren Antreiber, Visionär und Übervater. Der nun seit anderthalb Jahren fehlt.

FIlmemacher Bernd Eichinger

Filmemacher Bernd Eichinger bei einer Preisverleihung 2005 - wo er war, klafft nun eine Lücke.

(Foto: dpa/dpaweb)

Anderthalb Jahre, in denen der Verlust nicht geringer geworden ist, so viel ist schon mal sicher. Da gähnt eine Leere. Und immer dann, wenn das deutsche Kino sich selbst präsentiert, Ansagen macht, Aufmerksamkeit fordert und neue Filme verspricht, demnächst in Ihrem Kino - dann gähnt diese Leere so groß und so tief, dass einem kurz der Atem stockt.

Alles klar, möchte man sagen, schon in Ordnung, was ihr da vorhabt, klingt machbar, realistisch, brav ausgedacht. Aber: Was macht der Bernd?

Ach richtig. Der Bernd macht jetzt gar nichts mehr.

Stattdessen gibt es nun diese Dokumentation, die "Der Bernd" heißt. Sie hätte, seien wir ehrlich, auch ganz schrecklich werden können. Wenn zum Beispiel alle Vorstände und Aufsichtsräte der Constantin Film, abgestuft nach Hierarchie, endlos zu Wort gekommen wären, um ein paar allseits abgestimmte, kugelsichere Lobesfloskeln in die Kamera zu leiern. Wie visionär er doch war, wie unersetzlich er nun ist. Wie Firmenfilme eben so sind.

Senkrecht nach oben

Stattdessen dröhnt gleich am Anfang einfach mal dieses Lachen - in verschiedenen Situationen, Modulationen, Amplituden. Aber grundsätzlich laut, befreit, randvoll mit Energie. Dann spielt ein getragenes Cello, im leeren Schumann's steht ein unberührter Martini bereit, Günter Rohrbach sitzt vor dem Maul des Glücksdrachen Fuchur, und Til Schweiger, sehr nah am Wasser gebaut, schaut kurz mal dorthin, wo der Bernd mutmaßlich jetzt ist: Senkrecht nach oben.

Es spricht sehr für den Bernd und für sein Erbe, wer innerhalb der Constantin die Produktion dieses Films übernommen hat. Seine persönliche Assistentin zum Beispiel, oder seine langjährige, in allen Schlachten gestählte Herstellungsleiterin Christine Rothe. Insgesamt werden sogar vier Constantin-Mitarbeiter als Regisseure genannt, unterstützt vom Filmjournalisten Carlos Gerstenhauer - eine Gruppenarbeit.

Natürlich ist dabei kein Film herausgekommen, der sich groß um Objektivität bemüht, der Kritiker oder gar Feinde des Bernd zu Wort kommen ließe - oder ein völlig anderes Bild von ihm zeichnet als das, was er selbst so sorgfältig und ausdauernd entworfen hat. Eher spürt man das Verlangen der Macher und auch der zahlreichen Interviewten, der Welt noch ein bisschen mehr zu erzählen von diesem Mann, den sie sehr gut kannten - und zum großen Teil eben auch sehr respektiert, bewundert, geliebt haben.

Die fundamentale und primäre Gabe

Dazu spürt man aber die geheime Verpflichtung, jetzt bitte nicht zu langweilen: Die Konflikte nicht zu sehr runterzuspielen, die Dramen nicht nachträglich zu schönen, die Kanten nicht völlig rundzuschleifen. Denn auch der Bernd war ja ein großer Dramaturg und Erzähler und Zuspitzer, der sogar seine PR-Kampagnen wie Heldenreisen inszeniert hat, mit Armeen von Feinden und Ungläubigen und sich selbst als furchtlosem Ritter. Wahrscheinlich hätte er nichts mehr gehasst, als posthum plötzlich fade und konsensfähig zu erscheinen.

Am Ende die "fehlende Anerkennung"

So darf jetzt also gesagt werden, dass der Bernd einmal praktisch schon ruiniert war und dann vor dem Warner-Studioboss auf die Knie gesunken ist - und um seine Existenz flehte. Oder dass da Hass war, echter Hass, zwischen dem Bernd und seiner Regisseurin Doris Dörrie, bei "Ich und Er". Oder dass der Constantin-Vorstand Martin Moszkowicz den "Untergang" lieber gar nicht gedreht hätte - und das für den Bernd bereitgestellte Budget dann am Ende bedenklich knapp war.

All das hätte man gern noch viel genauer gewusst - "Der Bernd" deutet diese Dinge nur an und springt dann weiter. Es müssen ja auch die Frauen zu Wort kommen - und erzählen, wie sie gegen ihren Willen Champagner trinken mussten, und dass der Mann immer dasselbe zum Essen bestellt hat, im immergleichen Lokal, am immergleichen Tisch. Die Tochter darf wiederum berichten, wie sie schon als kleines Mädchen im Schumann's saß, weil der Vater nicht so recht wusste, was man mit Kindern sonst hätte anstellen können.

Als dramatischer Großbogen des Films entpuppt sich, trotz all der gezeigten Triumphe, am Ende die "fehlende Anerkennung" des Bernd - durch Filmkollegen und Kritiker. All die Jahre habe er darunter gelitten, erzählen die Weggefährten. Und erst kurz vor Schluss dieses viel zu kurzen Lebens sei der Eisblock der Missachtung endlich geschmolzen, in einer endlosen Standing Ovation beim Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises - als es fast schon zu spät war.

Dazu könnte man sagen, dass die fundamentale und primäre Gabe des Bernd Eichinger, immer wieder ein Millionenpublikum zu faszinieren, zu mobilisieren und für seine Filme zu gewinnen, der Anerkennung durch irgendwen gar nicht bedurfte - sie war schlichtweg offensichtlich. Ihr verdankt er seinen Ruf, seinen Lebensstil, seinen Mythos.

Natürlich wollte er mehr, wollte auch alle Preise abräumen und gefeiert werden von den Intellektuellen und Kritikern. Das lag in seiner Natur. Gerade der Spannungsbogen dieses Films aber zeigt: Eine Welt, die ihm alles gegeben hätte, an der er sich gar nicht mehr hätte reiben können - die wäre ihm schnell zu langweilig geworden.

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