Drama:Mitten im Wüsteninferno

Im dänischen Kriegsdrama "A War" erzählt Tobias Lindholm die Geschichte eines Kommandanten, der sich nach einem Einsatz in Afghanistan für den Tod von Zivilisten rechtfertigen muss.

Von David Steinitz

Weil in den letzten Jahren so mancher Problemfilm zum Thema Afghanistankrieg unter der eigenen Bedeutungsschwere erstickt ist, und weil gefühlt jeder dritte "Tatort" meinte, sich mit deutscher Mittelstandsdramaturgie an traumatisierten Soldaten abarbeiten zu müssen, ist das Filmgenre Afghanistan-Rückkehrer gelinde gesagt: etwas überstrapaziert.

Glücklicherweise aber gibt es Filmemacher wie den Dänen Tobias Lindholm, der genau weiß, dass man bei so einem Thema mit reinen Betroffenheitsgesten nicht weit kommt. Lindholm, Absolvent der legendären Filmhochschule in Kopenhagen, die auch Lars von Trier, Thomas Vinterberg und Susanne Bier hervorgebracht hat, machte sich zunächst als Drehbuchautor der Serie "Borgen" einen Namen. 2012 inszenierte er den heftigen Thriller "Hijacking", über ein dänisches Schiff, das von somalischen Piraten gekapert wird - ein Festivalhit. In seinem neuen Film, der es auf die Shortlist der diesjährigen Oscarverleihung als bester fremdsprachiger Film geschafft hat, erzählt er nun vom Umgang der dänischen Gesellschaft mit ihren Afghanistansoldaten. "Krigen / A War" ist ein beunruhigendes Drama nach dem Dominoprinzip: eine Entscheidung, diverse diabolische Konsequenzen.

Der Kommandant und Familienvater Claus (Pilou Asbæk) muss sich für den Tod von Zivilisten während eines Einsatzes in der staubigen afghanischen Wüste rechtfertigen - vor einem Gericht in seiner dänischen Heimat. Er wollte seine Männer in einem Gefecht gegen die Taliban schützen, orderte mitten im Kampf zusätzlich Luftverstärkung an, dabei starben Unschuldige. Lindholm zeigt diesen Einsatz als horrendes Wüsteninferno, bei dem Entscheidungen fallen, die sich dem Verständnis der Daheimgebliebenen - und ihren Kategorien von richtig oder falsch - mehr und mehr entziehen. "Ich wollte so viele Positionen wie möglich beleuchten", sagt der Regisseur, "statt die Geschichte von meinem eigenen politischen Standpunkt zu erzählen, der auf Dingen basiert, die ich nicht selbst erlebt habe." Weshalb im Verlauf dieses klugen Films die Meinungen und Moralvorstellungen aller Protagonisten im Gerichtsprozess komplett erodieren, anstatt sich verbissen zu verfestigen.

Krigen, Dänemark 2015 - Regie und Buch: Tobias Lindholm. Kamera: Magnus Nordenhof Jønck. Mit: Pilou Asbæk, Tuva Novotny, Dar Salim, Jakob Frølund. Studiocanal, 115 Minuten.

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